So sonderbar nun auch die um des Lateini¬ schen Willen zusammen gelesenen deutschen Aus¬ drücke zuweilen klangen, so nützlich war doch im Grunde diese Uebung, und solch einen Wetteifer er¬ regte sie. -- Denn binnen einem Jahre kam Reiser dadurch so weit, daß er ohne einen einzi¬ gen grammatikalischen Fehler Latein schrieb, und sich also in dieser Sprache richtiger, als in der deutschen ausdrückte. Denn im lateinischen wu߬ te er, wo er den Akkusativ und den Dativ setzen mußte. Im Deutschen aber hatte er nie daran gedacht, daß mich z. B. der Akkusativ und mir der Dativ sey, und daß man seine Mutterspra¬ che eben so wie das Lateinische auch deklini¬ ren und konjugiren müssen. -- Indes faßte er doch unvermerkt einige allgemeine Begriffe, die er nachher auf seine Muttersprache anwenden konn¬ te, -- Er fing allmälig an, sich deutliche Be¬ griffe von dem zu machen, was man Substanti¬ vum und Verbum nannte, welche er sonst noch oft verwechselte, wo sie aneinander grenzten, als z. B. gehn, und das Gehen. Weil aber der¬ gleichen Irrthümer in der lateinischen Ausarbei¬ tung immer einen Fehler zu veranlassen pflegten,
So ſonderbar nun auch die um des Lateini¬ ſchen Willen zuſammen geleſenen deutſchen Aus¬ druͤcke zuweilen klangen, ſo nuͤtzlich war doch im Grunde dieſe Uebung, und ſolch einen Wetteifer er¬ regte ſie. — Denn binnen einem Jahre kam Reiſer dadurch ſo weit, daß er ohne einen einzi¬ gen grammatikaliſchen Fehler Latein ſchrieb, und ſich alſo in dieſer Sprache richtiger, als in der deutſchen ausdruͤckte. Denn im lateiniſchen wu߬ te er, wo er den Akkuſativ und den Dativ ſetzen mußte. Im Deutſchen aber hatte er nie daran gedacht, daß mich z. B. der Akkuſativ und mir der Dativ ſey, und daß man ſeine Mutterſpra¬ che eben ſo wie das Lateiniſche auch deklini¬ ren und konjugiren muͤſſen. — Indes faßte er doch unvermerkt einige allgemeine Begriffe, die er nachher auf ſeine Mutterſprache anwenden konn¬ te, — Er fing allmaͤlig an, ſich deutliche Be¬ griffe von dem zu machen, was man Subſtanti¬ vum und Verbum nannte, welche er ſonſt noch oft verwechſelte, wo ſie aneinander grenzten, als z. B. gehn, und das Gehen. Weil aber der¬ gleichen Irrthuͤmer in der lateiniſchen Ausarbei¬ tung immer einen Fehler zu veranlaſſen pflegten,
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So ſonderbar nun auch die um des Lateini¬
ſchen Willen zuſammen geleſenen deutſchen Aus¬
druͤcke zuweilen klangen, ſo nuͤtzlich war doch im
Grunde dieſe Uebung, und ſolch einen Wetteifer er¬
regte ſie. — Denn binnen einem Jahre kam
Reiſer dadurch ſo weit, daß er ohne einen einzi¬
gen grammatikaliſchen Fehler Latein ſchrieb, und
ſich alſo in dieſer Sprache richtiger, als in der
deutſchen ausdruͤckte. Denn im lateiniſchen wu߬
te er, wo er den Akkuſativ und den Dativ ſetzen
mußte. Im Deutſchen aber hatte er nie daran
gedacht, daß mich z. B. der Akkuſativ und mir
der Dativ ſey, und daß man ſeine Mutterſpra¬
che eben ſo wie das Lateiniſche auch deklini¬
ren und konjugiren muͤſſen. — Indes faßte er
doch unvermerkt einige allgemeine Begriffe, die er
nachher auf ſeine Mutterſprache anwenden konn¬
te, — Er fing allmaͤlig an, ſich deutliche Be¬
griffe von dem zu machen, was man Subſtanti¬
vum und Verbum nannte, welche er ſonſt noch
oft verwechſelte, wo ſie aneinander grenzten, als
z. B. gehn, und das Gehen. Weil aber der¬
gleichen Irrthuͤmer in der lateiniſchen Ausarbei¬
tung immer einen Fehler zu veranlaſſen pflegten,
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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser02_1786/60>, abgerufen am 16.02.2025.
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