an seiner Seite zu gehen würdigte -- wie oft wünschte er sich in solchen Augenblicken endlich von der Last seines Körpers befreit, und durch einen plötzlichen Tod aus diesem quälenden Zusammen¬ hange gerissen zu werden! Wenn er denn etwa durch ein Gäßchen, wo niemand neben ihm ging, sich den Blicken seiner Mitschüler entziehen konnte, wie froh eilte er dann in die einsamsten und abgelegensten Gegenden der Stadt, um seinen traurenden Gedanken eine Weile ungestört nach¬ zuhängen.
Der größte Dummkopf unter allen, welcher auch allgemein verachtet war -- gesellte sich zu¬ weilen zu ihm, und Reiser nahm seine Gesell¬ schaft mit Freuden an; denn es war doch ein Mensch, der sich zu ihm gesellte -- wenn er dann mit diesem ging -- so hörte er oft hie und da ei¬ nen seiner Mitschüler zu dem andern sagen: par nobile Fratrum! (ein edles Paar Gebrüder!) Mit diesem wirklichen Dummkopf wurde er also zugleich in eine Klasse geworfen --
Da nun der Rektor auch gesagt hatte, es würde höchstens ein Dorfschulmeister aus ihm werden, so kam dies alles zusammen, um Rei¬
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an ſeiner Seite zu gehen wuͤrdigte — wie oft wuͤnſchte er ſich in ſolchen Augenblicken endlich von der Laſt ſeines Koͤrpers befreit, und durch einen ploͤtzlichen Tod aus dieſem quaͤlenden Zuſammen¬ hange geriſſen zu werden! Wenn er denn etwa durch ein Gaͤßchen, wo niemand neben ihm ging, ſich den Blicken ſeiner Mitſchuͤler entziehen konnte, wie froh eilte er dann in die einſamſten und abgelegenſten Gegenden der Stadt, um ſeinen traurenden Gedanken eine Weile ungeſtoͤrt nach¬ zuhaͤngen.
Der groͤßte Dummkopf unter allen, welcher auch allgemein verachtet war — geſellte ſich zu¬ weilen zu ihm, und Reiſer nahm ſeine Geſell¬ ſchaft mit Freuden an; denn es war doch ein Menſch, der ſich zu ihm geſellte — wenn er dann mit dieſem ging — ſo hoͤrte er oft hie und da ei¬ nen ſeiner Mitſchuͤler zu dem andern ſagen: par nobile Fratrum! (ein edles Paar Gebruͤder!) Mit dieſem wirklichen Dummkopf wurde er alſo zugleich in eine Klaſſe geworfen —
Da nun der Rektor auch geſagt hatte, es wuͤrde hoͤchſtens ein Dorfſchulmeiſter aus ihm werden, ſo kam dies alles zuſammen, um Rei¬
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an ſeiner Seite zu gehen wuͤrdigte — wie oft
wuͤnſchte er ſich in ſolchen Augenblicken endlich von
der Laſt ſeines Koͤrpers befreit, und durch einen
ploͤtzlichen Tod aus dieſem quaͤlenden Zuſammen¬
hange geriſſen zu werden! Wenn er denn etwa
durch ein Gaͤßchen, wo niemand neben ihm ging,
ſich den Blicken ſeiner Mitſchuͤler entziehen konnte,
wie froh eilte er dann in die einſamſten und
abgelegenſten Gegenden der Stadt, um ſeinen
traurenden Gedanken eine Weile ungeſtoͤrt nach¬
zuhaͤngen.
Der groͤßte Dummkopf unter allen, welcher
auch allgemein verachtet war — geſellte ſich zu¬
weilen zu ihm, und Reiſer nahm ſeine Geſell¬
ſchaft mit Freuden an; denn es war doch ein
Menſch, der ſich zu ihm geſellte — wenn er dann
mit dieſem ging — ſo hoͤrte er oft hie und da ei¬
nen ſeiner Mitſchuͤler zu dem andern ſagen: par
nobile Fratrum! (ein edles Paar Gebruͤder!)
Mit dieſem wirklichen Dummkopf wurde er alſo
zugleich in eine Klaſſe geworfen —
Da nun der Rektor auch geſagt hatte, es
wuͤrde hoͤchſtens ein Dorfſchulmeiſter aus ihm
werden, ſo kam dies alles zuſammen, um Rei¬
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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser02_1786/161>, abgerufen am 16.02.2025.
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