Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785.Er hatte Theologie studirt, und war zuletzt Seit seinem fünfzigsten Jahre war er taub, Dabei konnte er noch im hundert und fünf¬ Im Hause war er nicht anders, als unter Er hatte Theologie ſtudirt, und war zuletzt Seit ſeinem fuͤnfzigſten Jahre war er taub, Dabei konnte er noch im hundert und fuͤnf¬ Im Hauſe war er nicht anders, als unter <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0072" n="62"/> <p>Er hatte Theologie ſtudirt, und war zuletzt<lb/> Informator bei den Kindern eines reichen Kauf¬<lb/> manns in H., geweſen, in deſſen Hauſe er noch<lb/> lebte, und von dem gegenwaͤrtigen Beſitzer deſ¬<lb/> ſelben, der ſein Eleve geweſen, und jetzt ſelber<lb/> ſchon beinahe ein Greis geworden war, ſeinen<lb/> Unterhalt bekam.</p><lb/> <p>Seit ſeinem fuͤnfzigſten Jahre war er taub,<lb/> und wer mit ihm ſprechen wollte, mußte beſtaͤn¬<lb/> dig Dinte und Feder bei der Hand haben, und<lb/> ihm ſeine Gedanken ſchriftlich aufſetzen, die er<lb/> denn ſehr vernehmlich und deutlich muͤndlich<lb/> beantwortete.</p><lb/> <p>Dabei konnte er noch im hundert und fuͤnf¬<lb/> ten Jahre ſein kleingedruktes griechiſches Teſta¬<lb/> ment ohne Brille leſen, und redete beſtaͤndig<lb/> ſehr wahr und zuſammenhaͤngend, obgleich oft<lb/> etwas leiſer, oder lauter, als noͤthig war, weil er<lb/> ſich ſelber nicht hoͤren konnte.</p><lb/> <p>Im Hauſe war er nicht anders, als unter<lb/> dem Namen, <hi rendition="#fr">der alte Mann</hi>, bekannt. Man<lb/> brachte ihm ſein Eſſen, und ſonſtige Bequem¬<lb/> lichkeiten, uͤbrigens bekuͤmmerte man ſich nicht<lb/> viel um ihn.</p><lb/> </body> </text> </TEI> [62/0072]
Er hatte Theologie ſtudirt, und war zuletzt
Informator bei den Kindern eines reichen Kauf¬
manns in H., geweſen, in deſſen Hauſe er noch
lebte, und von dem gegenwaͤrtigen Beſitzer deſ¬
ſelben, der ſein Eleve geweſen, und jetzt ſelber
ſchon beinahe ein Greis geworden war, ſeinen
Unterhalt bekam.
Seit ſeinem fuͤnfzigſten Jahre war er taub,
und wer mit ihm ſprechen wollte, mußte beſtaͤn¬
dig Dinte und Feder bei der Hand haben, und
ihm ſeine Gedanken ſchriftlich aufſetzen, die er
denn ſehr vernehmlich und deutlich muͤndlich
beantwortete.
Dabei konnte er noch im hundert und fuͤnf¬
ten Jahre ſein kleingedruktes griechiſches Teſta¬
ment ohne Brille leſen, und redete beſtaͤndig
ſehr wahr und zuſammenhaͤngend, obgleich oft
etwas leiſer, oder lauter, als noͤthig war, weil er
ſich ſelber nicht hoͤren konnte.
Im Hauſe war er nicht anders, als unter
dem Namen, der alte Mann, bekannt. Man
brachte ihm ſein Eſſen, und ſonſtige Bequem¬
lichkeiten, uͤbrigens bekuͤmmerte man ſich nicht
viel um ihn.
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