Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

er konnte, in seinem Kopfe zu vereinigen, und
auf die Weise die Bibel mit dem Telemach, das
Leben der Altväter mit der Acerra philologika,
und die heidnische Welt mit der christlichen zu,
sammen zu schmelzen.

Die erste Person in der Gottheit und Jupi¬
ter, Calypso und die Madam Guion, der Him¬
mel und Elysium, die Hölle und der Tartarus,
Pluto und der Teufel, machten bey ihm die
sonderbarste Ideenkombination, die wohl je in
einem menschlichen Gehirn mag existirt haben.

Dieß machte einen so starken Eindruck auf
sein Gemüth, daß er noch lange nachher eine
gewisse Ehrfurcht gegen die heidnischen Gotthei¬
ten behalten hat.

Von dem Hause, wo Antons Vater logirte,
bis nach dem Gesundbrunnen und der Allee
dabei, war ein ziemlich weiter Weg. Anton
schleppte sich demohngeachtet mit seinem schmer¬
zenden Fuße, das Buch unterm Arm, hinaus,
und setzte sich auf eine Bank in der Allee, wo
er im Lesen nach und nach seinen Schmerz ver¬
gaß, und bald nicht nur auf der Bank in P.
sondern auf irgend einer Insel mit hohen

er konnte, in ſeinem Kopfe zu vereinigen, und
auf die Weiſe die Bibel mit dem Telemach, das
Leben der Altvaͤter mit der Acerra philologika,
und die heidniſche Welt mit der chriſtlichen zu,
ſammen zu ſchmelzen.

Die erſte Perſon in der Gottheit und Jupi¬
ter, Calypſo und die Madam Guion, der Him¬
mel und Elyſium, die Hoͤlle und der Tartarus,
Pluto und der Teufel, machten bey ihm die
ſonderbarſte Ideenkombination, die wohl je in
einem menſchlichen Gehirn mag exiſtirt haben.

Dieß machte einen ſo ſtarken Eindruck auf
ſein Gemuͤth, daß er noch lange nachher eine
gewiſſe Ehrfurcht gegen die heidniſchen Gotthei¬
ten behalten hat.

Von dem Hauſe, wo Antons Vater logirte,
bis nach dem Geſundbrunnen und der Allee
dabei, war ein ziemlich weiter Weg. Anton
ſchleppte ſich demohngeachtet mit ſeinem ſchmer¬
zenden Fuße, das Buch unterm Arm, hinaus,
und ſetzte ſich auf eine Bank in der Allee, wo
er im Leſen nach und nach ſeinen Schmerz ver¬
gaß, und bald nicht nur auf der Bank in P.
ſondern auf irgend einer Inſel mit hohen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0044" n="34"/>
er konnte, in &#x017F;einem Kopfe zu vereinigen, und<lb/>
auf die Wei&#x017F;e die Bibel mit dem Telemach, das<lb/>
Leben der Altva&#x0364;ter mit der Acerra philologika,<lb/>
und die heidni&#x017F;che Welt mit der chri&#x017F;tlichen zu,<lb/>
&#x017F;ammen zu &#x017F;chmelzen.</p><lb/>
      <p>Die er&#x017F;te Per&#x017F;on in der Gottheit und Jupi¬<lb/>
ter, Calyp&#x017F;o und die Madam Guion, der Him¬<lb/>
mel und Ely&#x017F;ium, die Ho&#x0364;lle und der Tartarus,<lb/>
Pluto und der Teufel, machten bey ihm die<lb/>
&#x017F;onderbar&#x017F;te Ideenkombination, die wohl je in<lb/>
einem men&#x017F;chlichen Gehirn mag exi&#x017F;tirt haben.</p><lb/>
      <p>Dieß machte einen &#x017F;o &#x017F;tarken Eindruck auf<lb/>
&#x017F;ein Gemu&#x0364;th, daß er noch lange nachher eine<lb/>
gewi&#x017F;&#x017F;e Ehrfurcht gegen die heidni&#x017F;chen Gotthei¬<lb/>
ten behalten hat.</p><lb/>
      <p>Von dem Hau&#x017F;e, wo Antons Vater logirte,<lb/>
bis nach dem Ge&#x017F;undbrunnen und der Allee<lb/>
dabei, war ein ziemlich weiter Weg. Anton<lb/>
&#x017F;chleppte &#x017F;ich demohngeachtet mit &#x017F;einem &#x017F;chmer¬<lb/>
zenden Fuße, das Buch unterm Arm, hinaus,<lb/>
und &#x017F;etzte &#x017F;ich auf eine Bank in der Allee, wo<lb/>
er im Le&#x017F;en nach und nach &#x017F;einen Schmerz ver¬<lb/>
gaß, und bald nicht nur auf der Bank in P.<lb/>
&#x017F;ondern auf irgend einer In&#x017F;el mit hohen<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[34/0044] er konnte, in ſeinem Kopfe zu vereinigen, und auf die Weiſe die Bibel mit dem Telemach, das Leben der Altvaͤter mit der Acerra philologika, und die heidniſche Welt mit der chriſtlichen zu, ſammen zu ſchmelzen. Die erſte Perſon in der Gottheit und Jupi¬ ter, Calypſo und die Madam Guion, der Him¬ mel und Elyſium, die Hoͤlle und der Tartarus, Pluto und der Teufel, machten bey ihm die ſonderbarſte Ideenkombination, die wohl je in einem menſchlichen Gehirn mag exiſtirt haben. Dieß machte einen ſo ſtarken Eindruck auf ſein Gemuͤth, daß er noch lange nachher eine gewiſſe Ehrfurcht gegen die heidniſchen Gotthei¬ ten behalten hat. Von dem Hauſe, wo Antons Vater logirte, bis nach dem Geſundbrunnen und der Allee dabei, war ein ziemlich weiter Weg. Anton ſchleppte ſich demohngeachtet mit ſeinem ſchmer¬ zenden Fuße, das Buch unterm Arm, hinaus, und ſetzte ſich auf eine Bank in der Allee, wo er im Leſen nach und nach ſeinen Schmerz ver¬ gaß, und bald nicht nur auf der Bank in P. ſondern auf irgend einer Inſel mit hohen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785/44
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785/44>, abgerufen am 27.11.2024.