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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785.

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Die Stelle, welche ihn im ganzen Tele¬
mach am lebhaftesten gerührt hat, war die
rührende Anrede des alten Mentors an den
jungen Telemach, als dieser auf der Insel
Cypern die Tugend mit dem Laster zu vertau¬
schen im Begriff war, und ihm nun sein ge¬
treuer lange von ihm für verlohren gehaltener
Mentor plötzlich wieder erschien, dessen trauren¬
der Anblick ihn bis in das innerste seiner Seele
erschütterte.

Dieß hatte nun freylich für Antons Seele
weit mehr Anziehendes, als die biblische Ge¬
schichte, und alles, was er vorher in dem Leben
der Altväter, oder in den Guionschen Schriften
gelesen hatte; und da ihm nie eigentlich gesagt
worden war, daß jenes wahr, und dieses falsch
sey, so fand er sich gar nicht ungeneigt, die
heidnische Göttergeschichte mit allem, was da
hineinschlug, wirklich zu glauben.

Eben so wenig konnte er aber auch, was in
der Bibel stand, verwerfen; um so vielmehr, da
dieß die ersten Eindrücke auf seine Seele gewe¬
sen waren. Er suchte also, welches ihm allein
übrig blieb, die verschiedenen Systeme, so gut

C

Die Stelle, welche ihn im ganzen Tele¬
mach am lebhafteſten geruͤhrt hat, war die
ruͤhrende Anrede des alten Mentors an den
jungen Telemach, als dieſer auf der Inſel
Cypern die Tugend mit dem Laſter zu vertau¬
ſchen im Begriff war, und ihm nun ſein ge¬
treuer lange von ihm fuͤr verlohren gehaltener
Mentor ploͤtzlich wieder erſchien, deſſen trauren¬
der Anblick ihn bis in das innerſte ſeiner Seele
erſchuͤtterte.

Dieß hatte nun freylich fuͤr Antons Seele
weit mehr Anziehendes, als die bibliſche Ge¬
ſchichte, und alles, was er vorher in dem Leben
der Altvaͤter, oder in den Guionſchen Schriften
geleſen hatte; und da ihm nie eigentlich geſagt
worden war, daß jenes wahr, und dieſes falſch
ſey, ſo fand er ſich gar nicht ungeneigt, die
heidniſche Goͤttergeſchichte mit allem, was da
hineinſchlug, wirklich zu glauben.

Eben ſo wenig konnte er aber auch, was in
der Bibel ſtand, verwerfen; um ſo vielmehr, da
dieß die erſten Eindruͤcke auf ſeine Seele gewe¬
ſen waren. Er ſuchte alſo, welches ihm allein
uͤbrig blieb, die verſchiedenen Syſteme, ſo gut

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[33/0043] Die Stelle, welche ihn im ganzen Tele¬ mach am lebhafteſten geruͤhrt hat, war die ruͤhrende Anrede des alten Mentors an den jungen Telemach, als dieſer auf der Inſel Cypern die Tugend mit dem Laſter zu vertau¬ ſchen im Begriff war, und ihm nun ſein ge¬ treuer lange von ihm fuͤr verlohren gehaltener Mentor ploͤtzlich wieder erſchien, deſſen trauren¬ der Anblick ihn bis in das innerſte ſeiner Seele erſchuͤtterte. Dieß hatte nun freylich fuͤr Antons Seele weit mehr Anziehendes, als die bibliſche Ge¬ ſchichte, und alles, was er vorher in dem Leben der Altvaͤter, oder in den Guionſchen Schriften geleſen hatte; und da ihm nie eigentlich geſagt worden war, daß jenes wahr, und dieſes falſch ſey, ſo fand er ſich gar nicht ungeneigt, die heidniſche Goͤttergeſchichte mit allem, was da hineinſchlug, wirklich zu glauben. Eben ſo wenig konnte er aber auch, was in der Bibel ſtand, verwerfen; um ſo vielmehr, da dieß die erſten Eindruͤcke auf ſeine Seele gewe¬ ſen waren. Er ſuchte alſo, welches ihm allein uͤbrig blieb, die verſchiedenen Syſteme, ſo gut C

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785/43>, abgerufen am 09.11.2024.