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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785.

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Ernsthaftes. Seine Base, der er doch etwas
lieber, wie seinen Eltern zu seyn schien, ging
endlich mit ihm zu einem Arzt, und eine Kur
von einigen Monaten stellte ihn wieder her.

Kaum war er einige Wochen gesund, als
ihn gerade bei einem Spatziergange mit seinen
Eltern auf das Feld, der ihm sehr etwas seltnes,
und eben daher desto reizender war, der linke
Fuß an zu schmerzen fing. Dieß war nach über¬
standner Krankheit sein erster und sollte auf
lange Zeit sein letzter Spatziergang seyn.

Am dritten Tage war die Geschwulst und
Entzündung am Fuße schon so gefährlich gewor¬
den, daß man am vierten zur Amputation schrei¬
ten wollte. Antons Mutter saß und weinte,
und sein Vater gab ihm zwei Pfennige. Dieß
waren die ersten Aeußerungen des Mitleids
gegen ihn, deren er sich von seinen Eltern er¬
innert, und die wegen der Seltenheit einen
desto stärkern Eindruck auf ihn machten.

An dem Tage vor der beschloßnen Amputa¬
tion kam ein mitleidiger Schuster zu Antons
Mutter, und brachte ihr eine Salbe, durch de¬
ren Gebrauch sich die Geschwulst und Entzün¬

B

Ernſthaftes. Seine Baſe, der er doch etwas
lieber, wie ſeinen Eltern zu ſeyn ſchien, ging
endlich mit ihm zu einem Arzt, und eine Kur
von einigen Monaten ſtellte ihn wieder her.

Kaum war er einige Wochen geſund, als
ihn gerade bei einem Spatziergange mit ſeinen
Eltern auf das Feld, der ihm ſehr etwas ſeltnes,
und eben daher deſto reizender war, der linke
Fuß an zu ſchmerzen fing. Dieß war nach uͤber¬
ſtandner Krankheit ſein erſter und ſollte auf
lange Zeit ſein letzter Spatziergang ſeyn.

Am dritten Tage war die Geſchwulſt und
Entzuͤndung am Fuße ſchon ſo gefaͤhrlich gewor¬
den, daß man am vierten zur Amputation ſchrei¬
ten wollte. Antons Mutter ſaß und weinte,
und ſein Vater gab ihm zwei Pfennige. Dieß
waren die erſten Aeußerungen des Mitleids
gegen ihn, deren er ſich von ſeinen Eltern er¬
innert, und die wegen der Seltenheit einen
deſto ſtaͤrkern Eindruck auf ihn machten.

An dem Tage vor der beſchloßnen Amputa¬
tion kam ein mitleidiger Schuſter zu Antons
Mutter, und brachte ihr eine Salbe, durch de¬
ren Gebrauch ſich die Geſchwulſt und Entzuͤn¬

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[17/0027] Ernſthaftes. Seine Baſe, der er doch etwas lieber, wie ſeinen Eltern zu ſeyn ſchien, ging endlich mit ihm zu einem Arzt, und eine Kur von einigen Monaten ſtellte ihn wieder her. Kaum war er einige Wochen geſund, als ihn gerade bei einem Spatziergange mit ſeinen Eltern auf das Feld, der ihm ſehr etwas ſeltnes, und eben daher deſto reizender war, der linke Fuß an zu ſchmerzen fing. Dieß war nach uͤber¬ ſtandner Krankheit ſein erſter und ſollte auf lange Zeit ſein letzter Spatziergang ſeyn. Am dritten Tage war die Geſchwulſt und Entzuͤndung am Fuße ſchon ſo gefaͤhrlich gewor¬ den, daß man am vierten zur Amputation ſchrei¬ ten wollte. Antons Mutter ſaß und weinte, und ſein Vater gab ihm zwei Pfennige. Dieß waren die erſten Aeußerungen des Mitleids gegen ihn, deren er ſich von ſeinen Eltern er¬ innert, und die wegen der Seltenheit einen deſto ſtaͤrkern Eindruck auf ihn machten. An dem Tage vor der beſchloßnen Amputa¬ tion kam ein mitleidiger Schuſter zu Antons Mutter, und brachte ihr eine Salbe, durch de¬ ren Gebrauch ſich die Geſchwulſt und Entzuͤn¬ B

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785/27>, abgerufen am 23.11.2024.