Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

Buchstaben ausgedrückt waren, so wurde seine
Begierde, lesen zu lernen, von Tage zu Tage
stärker.

Sein Vater hatte ihm kaum einige Stunden
Anweisung gegeben, und er lernte es nun, zur
Verwunderung aller seiner Angehörigen, in
wenig Wochen von selber.

Mit innigem Vergnügen erinnert er sich
noch itzt an die lebhafte Freude, die er damals
genoß, als er zuerst einige Zeilen, bei denen er
sich etwas denken konnte, durch vieles Buchsta¬
biren, mit Mühe herausbrachte.

Nun aber konnte er nicht begreifen, wie es
möglich sey, daß andre Leute so geschwind lesen
konnten, wie sie sprachen; er verzweifelte da¬
mals gänzlich an der Möglichkeit, es je so weit
zu bringen.

Um desto größer war nun seine Verwunde¬
rung und Freude, da er auch dieß nach einigen
Wochen konnte.

Auch schien ihn dieses bei seinen Eltern,
noch mehr aber bei seinen Anverwandten in ei¬
nige Achtung zu setzen, welches von ihm zwar

Buchſtaben ausgedruͤckt waren, ſo wurde ſeine
Begierde, leſen zu lernen, von Tage zu Tage
ſtaͤrker.

Sein Vater hatte ihm kaum einige Stunden
Anweiſung gegeben, und er lernte es nun, zur
Verwunderung aller ſeiner Angehoͤrigen, in
wenig Wochen von ſelber.

Mit innigem Vergnuͤgen erinnert er ſich
noch itzt an die lebhafte Freude, die er damals
genoß, als er zuerſt einige Zeilen, bei denen er
ſich etwas denken konnte, durch vieles Buchſta¬
biren, mit Muͤhe herausbrachte.

Nun aber konnte er nicht begreifen, wie es
moͤglich ſey, daß andre Leute ſo geſchwind leſen
konnten, wie ſie ſprachen; er verzweifelte da¬
mals gaͤnzlich an der Moͤglichkeit, es je ſo weit
zu bringen.

Um deſto groͤßer war nun ſeine Verwunde¬
rung und Freude, da er auch dieß nach einigen
Wochen konnte.

Auch ſchien ihn dieſes bei ſeinen Eltern,
noch mehr aber bei ſeinen Anverwandten in ei¬
nige Achtung zu ſetzen, welches von ihm zwar

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0024" n="14"/>
Buch&#x017F;taben ausgedru&#x0364;ckt waren, &#x017F;o wurde &#x017F;eine<lb/>
Begierde, le&#x017F;en zu lernen, von Tage zu Tage<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;rker.</p><lb/>
      <p>Sein Vater hatte ihm kaum einige Stunden<lb/>
Anwei&#x017F;ung gegeben, und er lernte es nun, zur<lb/>
Verwunderung aller &#x017F;einer Angeho&#x0364;rigen, in<lb/>
wenig Wochen von &#x017F;elber.</p><lb/>
      <p>Mit innigem Vergnu&#x0364;gen erinnert er &#x017F;ich<lb/>
noch itzt an die lebhafte Freude, die er damals<lb/>
genoß, als er zuer&#x017F;t einige Zeilen, bei denen er<lb/>
&#x017F;ich etwas denken konnte, durch vieles Buch&#x017F;ta¬<lb/>
biren, mit Mu&#x0364;he herausbrachte.</p><lb/>
      <p>Nun aber konnte er nicht begreifen, wie es<lb/>
mo&#x0364;glich &#x017F;ey, daß andre Leute &#x017F;o ge&#x017F;chwind le&#x017F;en<lb/>
konnten, wie &#x017F;ie &#x017F;prachen; er verzweifelte da¬<lb/>
mals ga&#x0364;nzlich an der Mo&#x0364;glichkeit, es je &#x017F;o weit<lb/>
zu bringen.</p><lb/>
      <p>Um de&#x017F;to gro&#x0364;ßer war nun &#x017F;eine Verwunde¬<lb/>
rung und Freude, da er auch dieß nach einigen<lb/>
Wochen konnte.</p><lb/>
      <p>Auch &#x017F;chien ihn die&#x017F;es bei &#x017F;einen Eltern,<lb/>
noch mehr aber bei &#x017F;einen Anverwandten in ei¬<lb/>
nige Achtung zu &#x017F;etzen, welches von ihm zwar<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[14/0024] Buchſtaben ausgedruͤckt waren, ſo wurde ſeine Begierde, leſen zu lernen, von Tage zu Tage ſtaͤrker. Sein Vater hatte ihm kaum einige Stunden Anweiſung gegeben, und er lernte es nun, zur Verwunderung aller ſeiner Angehoͤrigen, in wenig Wochen von ſelber. Mit innigem Vergnuͤgen erinnert er ſich noch itzt an die lebhafte Freude, die er damals genoß, als er zuerſt einige Zeilen, bei denen er ſich etwas denken konnte, durch vieles Buchſta¬ biren, mit Muͤhe herausbrachte. Nun aber konnte er nicht begreifen, wie es moͤglich ſey, daß andre Leute ſo geſchwind leſen konnten, wie ſie ſprachen; er verzweifelte da¬ mals gaͤnzlich an der Moͤglichkeit, es je ſo weit zu bringen. Um deſto groͤßer war nun ſeine Verwunde¬ rung und Freude, da er auch dieß nach einigen Wochen konnte. Auch ſchien ihn dieſes bei ſeinen Eltern, noch mehr aber bei ſeinen Anverwandten in ei¬ nige Achtung zu ſetzen, welches von ihm zwar

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785/24
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785/24>, abgerufen am 27.11.2024.