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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785.

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aller der täuschenden Bilder aus, die oft seine
Phantasie sich vormahlt.

Aber wie bald waren diese beiden glücklichen
Jahre entflohen!

Es ward Friede, und Antons Mutter zog
mit ihm in die Stadt zu ihrem Manne.

Die lange Trennung von ihm verursachte ein
kurzes Blendwerk ehelicher Eintracht, aber bald
folgte auf die betrügliche Windstille ein desto
schrecklicherer Sturm.

Antons Herz zerfloß in Wehmuth, wenn
er einem von seinen Eltern Unrecht geben sollte,
und doch schien es ihm sehr oft, als wenn sein
Vater, den er bloß fürchtete, mehr Recht habe,
als seine Mutter, die er liebte.

So schwankte seine junge Seele beständig
zwischen Haß und Liebe, zwischen Furcht und
Zutrauen, zu seinen Eltern hin und her.

Da er noch nicht acht Jahr alt war, gebahr
seine Mutter einen zweiten Sohn, auf den nun
vollends die wenigen Ueberreste väterlicher und
mütterlicher Liebe fielen, so daß er nun fast ganz
vernachläßiget wurde, und sich, so oft man von
ihm sprach, mit einer Art von Geringschätzung

aller der taͤuſchenden Bilder aus, die oft ſeine
Phantaſie ſich vormahlt.

Aber wie bald waren dieſe beiden gluͤcklichen
Jahre entflohen!

Es ward Friede, und Antons Mutter zog
mit ihm in die Stadt zu ihrem Manne.

Die lange Trennung von ihm verurſachte ein
kurzes Blendwerk ehelicher Eintracht, aber bald
folgte auf die betruͤgliche Windſtille ein deſto
ſchrecklicherer Sturm.

Antons Herz zerfloß in Wehmuth, wenn
er einem von ſeinen Eltern Unrecht geben ſollte,
und doch ſchien es ihm ſehr oft, als wenn ſein
Vater, den er bloß fuͤrchtete, mehr Recht habe,
als ſeine Mutter, die er liebte.

So ſchwankte ſeine junge Seele beſtaͤndig
zwiſchen Haß und Liebe, zwiſchen Furcht und
Zutrauen, zu ſeinen Eltern hin und her.

Da er noch nicht acht Jahr alt war, gebahr
ſeine Mutter einen zweiten Sohn, auf den nun
vollends die wenigen Ueberreſte vaͤterlicher und
muͤtterlicher Liebe fielen, ſo daß er nun faſt ganz
vernachlaͤßiget wurde, und ſich, ſo oft man von
ihm ſprach, mit einer Art von Geringſchaͤtzung

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[11/0021] aller der taͤuſchenden Bilder aus, die oft ſeine Phantaſie ſich vormahlt. Aber wie bald waren dieſe beiden gluͤcklichen Jahre entflohen! Es ward Friede, und Antons Mutter zog mit ihm in die Stadt zu ihrem Manne. Die lange Trennung von ihm verurſachte ein kurzes Blendwerk ehelicher Eintracht, aber bald folgte auf die betruͤgliche Windſtille ein deſto ſchrecklicherer Sturm. Antons Herz zerfloß in Wehmuth, wenn er einem von ſeinen Eltern Unrecht geben ſollte, und doch ſchien es ihm ſehr oft, als wenn ſein Vater, den er bloß fuͤrchtete, mehr Recht habe, als ſeine Mutter, die er liebte. So ſchwankte ſeine junge Seele beſtaͤndig zwiſchen Haß und Liebe, zwiſchen Furcht und Zutrauen, zu ſeinen Eltern hin und her. Da er noch nicht acht Jahr alt war, gebahr ſeine Mutter einen zweiten Sohn, auf den nun vollends die wenigen Ueberreſte vaͤterlicher und muͤtterlicher Liebe fielen, ſo daß er nun faſt ganz vernachlaͤßiget wurde, und ſich, ſo oft man von ihm ſprach, mit einer Art von Geringſchaͤtzung

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785/21>, abgerufen am 27.11.2024.