Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

Wenn er in das Haus seiner Eltern trat, so
trat er in ein Haus der Unzufriedenheit, des
Zorns, der Thränen und der Klagen.

Diese ersten Eindrücke sind nie in seinem
Leben aus seiner Seele verwischt worden, und
haben sie oft zu einem Sammelplatze schwarzer
Gedanken gemacht, die er durch keine Philoso¬
phie verdrängen konnte.

Da sein Vater im siebenjährigen Kriege mit
zu Felde war, zog seine Mutter zwei Jahre lang
mit ihm auf ein kleines Dorf.

Hier hatte er ziemliche Freiheit und einige
Entschädigung für die Leiden seiner Kindheit.

Die Vorstellungen von den ersten Wiesen,
die er sahe, von dem Kornfelde, das sich einen
sanften Hügel hinanerstreckte, und oben mit
grünem Gebüsch umkränzt war, von dem blauen
Berge, und den einzelnen Gebüschen und Bäu¬
men, die am Fuß desselben auf das grüne Gras
ihren Schatten warfen, und immer dichter und
dichter wurde, je höher man hinaufstieg, mischen
sich noch immer unter seine angenehmsten Ge¬
danken, und machen gleichsam die Grundlage

Wenn er in das Haus ſeiner Eltern trat, ſo
trat er in ein Haus der Unzufriedenheit, des
Zorns, der Thraͤnen und der Klagen.

Dieſe erſten Eindruͤcke ſind nie in ſeinem
Leben aus ſeiner Seele verwiſcht worden, und
haben ſie oft zu einem Sammelplatze ſchwarzer
Gedanken gemacht, die er durch keine Philoſo¬
phie verdraͤngen konnte.

Da ſein Vater im ſiebenjaͤhrigen Kriege mit
zu Felde war, zog ſeine Mutter zwei Jahre lang
mit ihm auf ein kleines Dorf.

Hier hatte er ziemliche Freiheit und einige
Entſchaͤdigung fuͤr die Leiden ſeiner Kindheit.

Die Vorſtellungen von den erſten Wieſen,
die er ſahe, von dem Kornfelde, das ſich einen
ſanften Huͤgel hinanerſtreckte, und oben mit
gruͤnem Gebuͤſch umkraͤnzt war, von dem blauen
Berge, und den einzelnen Gebuͤſchen und Baͤu¬
men, die am Fuß deſſelben auf das gruͤne Gras
ihren Schatten warfen, und immer dichter und
dichter wurde, je hoͤher man hinaufſtieg, miſchen
ſich noch immer unter ſeine angenehmſten Ge¬
danken, und machen gleichſam die Grundlage

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0020" n="10"/>
      <p>Wenn er in das Haus &#x017F;einer Eltern trat, &#x017F;o<lb/>
trat er in ein Haus der Unzufriedenheit, des<lb/>
Zorns, der Thra&#x0364;nen und der Klagen.</p><lb/>
      <p>Die&#x017F;e er&#x017F;ten Eindru&#x0364;cke &#x017F;ind nie in &#x017F;einem<lb/>
Leben aus &#x017F;einer Seele verwi&#x017F;cht worden, und<lb/>
haben &#x017F;ie oft zu einem Sammelplatze &#x017F;chwarzer<lb/>
Gedanken gemacht, die er durch keine Philo&#x017F;<lb/>
phie verdra&#x0364;ngen konnte.</p><lb/>
      <p>Da &#x017F;ein Vater im &#x017F;iebenja&#x0364;hrigen Kriege mit<lb/>
zu Felde war, zog &#x017F;eine Mutter zwei Jahre lang<lb/>
mit ihm auf ein kleines Dorf.</p><lb/>
      <p>Hier hatte er ziemliche Freiheit und einige<lb/>
Ent&#x017F;cha&#x0364;digung fu&#x0364;r die Leiden &#x017F;einer Kindheit.</p><lb/>
      <p>Die Vor&#x017F;tellungen von den er&#x017F;ten Wie&#x017F;en,<lb/>
die er &#x017F;ahe, von dem Kornfelde, das &#x017F;ich einen<lb/>
&#x017F;anften Hu&#x0364;gel hinaner&#x017F;treckte, und oben mit<lb/>
gru&#x0364;nem Gebu&#x0364;&#x017F;ch umkra&#x0364;nzt war, von dem blauen<lb/>
Berge, und den einzelnen Gebu&#x0364;&#x017F;chen und Ba&#x0364;<lb/>
men, die am Fuß de&#x017F;&#x017F;elben auf das gru&#x0364;ne Gras<lb/>
ihren Schatten warfen, und immer dichter und<lb/>
dichter wurde, je ho&#x0364;her man hinauf&#x017F;tieg, mi&#x017F;chen<lb/>
&#x017F;ich noch immer unter &#x017F;eine angenehm&#x017F;ten Ge¬<lb/>
danken, und machen gleich&#x017F;am die Grundlage<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[10/0020] Wenn er in das Haus ſeiner Eltern trat, ſo trat er in ein Haus der Unzufriedenheit, des Zorns, der Thraͤnen und der Klagen. Dieſe erſten Eindruͤcke ſind nie in ſeinem Leben aus ſeiner Seele verwiſcht worden, und haben ſie oft zu einem Sammelplatze ſchwarzer Gedanken gemacht, die er durch keine Philoſo¬ phie verdraͤngen konnte. Da ſein Vater im ſiebenjaͤhrigen Kriege mit zu Felde war, zog ſeine Mutter zwei Jahre lang mit ihm auf ein kleines Dorf. Hier hatte er ziemliche Freiheit und einige Entſchaͤdigung fuͤr die Leiden ſeiner Kindheit. Die Vorſtellungen von den erſten Wieſen, die er ſahe, von dem Kornfelde, das ſich einen ſanften Huͤgel hinanerſtreckte, und oben mit gruͤnem Gebuͤſch umkraͤnzt war, von dem blauen Berge, und den einzelnen Gebuͤſchen und Baͤu¬ men, die am Fuß deſſelben auf das gruͤne Gras ihren Schatten warfen, und immer dichter und dichter wurde, je hoͤher man hinaufſtieg, miſchen ſich noch immer unter ſeine angenehmſten Ge¬ danken, und machen gleichſam die Grundlage

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785/20
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785/20>, abgerufen am 27.11.2024.