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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785.

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sobald es sich dann wieder hören ließ, waren alle
seine schönen Hoffnungen und Entwürfe plötz¬
lich gescheitert.

Da er nun so schon mit lauter Todesgedan¬
ken umging, fügte es sich, daß er das erstemal
nach seiner Krankheit wieder zu dem Pastor P..
in die Kirche kam. Dieser stand schon auf der
Kanzel, und predigte über -- den Tod.

Das war für Anton ein Donnerschlag; denn
da er nun einmal gelernet hatte, nach dem, was
ihm von einer besondern göttlichen Führung
in den Kopf gesetzt war, alles auf sich zu bezie¬
hen -- wem anders, als ihm sollte nun wohl
die Predigt vom Tode gehalten werden? -- Mit
nicht mehr Herzensangst kann ein Missethäter
sein Todesurtheil anhören, als Anton diese Pre¬
digt -- der Pastor P. . . fügte zwar Trostgründe
gnug gegen die Schrecken des Todes hinzu, aber
was verschlug das alles gegen die natürliche Liebe
zum Leben, die, trotz aller Schwärmereien, wo¬
von Anton den Kopf vollgepfropft hatte, dennoch
bei ihm die Oberhand behielt.

Niedergeschlagnes und betrübtes Herzens
ging er zu Hause, und vierzehn Tage lang

machte
I 5

ſobald es ſich dann wieder hoͤren ließ, waren alle
ſeine ſchoͤnen Hoffnungen und Entwuͤrfe ploͤtz¬
lich geſcheitert.

Da er nun ſo ſchon mit lauter Todesgedan¬
ken umging, fuͤgte es ſich, daß er das erſtemal
nach ſeiner Krankheit wieder zu dem Paſtor P..
in die Kirche kam. Dieſer ſtand ſchon auf der
Kanzel, und predigte uͤber — den Tod.

Das war fuͤr Anton ein Donnerſchlag; denn
da er nun einmal gelernet hatte, nach dem, was
ihm von einer beſondern goͤttlichen Fuͤhrung
in den Kopf geſetzt war, alles auf ſich zu bezie¬
hen — wem anders, als ihm ſollte nun wohl
die Predigt vom Tode gehalten werden? — Mit
nicht mehr Herzensangſt kann ein Miſſethaͤter
ſein Todesurtheil anhoͤren, als Anton dieſe Pre¬
digt — der Paſtor P. . . fuͤgte zwar Troſtgruͤnde
gnug gegen die Schrecken des Todes hinzu, aber
was verſchlug das alles gegen die natuͤrliche Liebe
zum Leben, die, trotz aller Schwaͤrmereien, wo¬
von Anton den Kopf vollgepfropft hatte, dennoch
bei ihm die Oberhand behielt.

Niedergeſchlagnes und betruͤbtes Herzens
ging er zu Hauſe, und vierzehn Tage lang

machte
I 5
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[137/0147] ſobald es ſich dann wieder hoͤren ließ, waren alle ſeine ſchoͤnen Hoffnungen und Entwuͤrfe ploͤtz¬ lich geſcheitert. Da er nun ſo ſchon mit lauter Todesgedan¬ ken umging, fuͤgte es ſich, daß er das erſtemal nach ſeiner Krankheit wieder zu dem Paſtor P.. in die Kirche kam. Dieſer ſtand ſchon auf der Kanzel, und predigte uͤber — den Tod. Das war fuͤr Anton ein Donnerſchlag; denn da er nun einmal gelernet hatte, nach dem, was ihm von einer beſondern goͤttlichen Fuͤhrung in den Kopf geſetzt war, alles auf ſich zu bezie¬ hen — wem anders, als ihm ſollte nun wohl die Predigt vom Tode gehalten werden? — Mit nicht mehr Herzensangſt kann ein Miſſethaͤter ſein Todesurtheil anhoͤren, als Anton dieſe Pre¬ digt — der Paſtor P. . . fuͤgte zwar Troſtgruͤnde gnug gegen die Schrecken des Todes hinzu, aber was verſchlug das alles gegen die natuͤrliche Liebe zum Leben, die, trotz aller Schwaͤrmereien, wo¬ von Anton den Kopf vollgepfropft hatte, dennoch bei ihm die Oberhand behielt. Niedergeſchlagnes und betruͤbtes Herzens ging er zu Hauſe, und vierzehn Tage lang machte I 5

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785/147>, abgerufen am 27.11.2024.