Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785.Leiden konnte man, im eigentlichen Verstande, Von seiner Mutter wußte er, es sey ein Oft schöpfte er wieder Trost und Hoffnung zum sobald
Leiden konnte man, im eigentlichen Verſtande, Von ſeiner Mutter wußte er, es ſey ein Oft ſchoͤpfte er wieder Troſt und Hoffnung zum ſobald
<TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0146" n="136"/> Leiden konnte man, im eigentlichen Verſtande,<lb/> die <hi rendition="#fr">Leiden der Einbildungskraft</hi> nennen —<lb/> ſie waren fuͤr ihn doch wuͤrkliche Leiden, ſie raub¬<lb/> ten ihm die Freuden ſeiner Jugend. —</p><lb/> <p>Von ſeiner Mutter wußte er, es ſey ein<lb/> ſicheres Zeichen des nahen Todes, wenn einem<lb/> beim Waſchen die Haͤnde nicht mehr rauchen —<lb/> nun ſahe er ſich ſterben, ſo oft er ſich die Haͤnde<lb/> wuſch. — Er hatte gehoͤrt, wenn ein Hund im<lb/> Hauſe mit der Schnautze zur Erde gekehrt, heule,<lb/> ſo wittre er den Tod Menſchen; — nun pro¬<lb/> phezeite ihm jedes Hundegeheul ſeinen Tod. —<lb/> Wenn ſogar ein Huhn wie ein Hahn kraͤhete, ſo<lb/> war das ein untruͤgliches Zeichen, daß bald je¬<lb/> mand im Hauſe ſterben wuͤrde — und nun ging<lb/> hier gerade ein ſolches ungluͤckweißagendes Huhn<lb/> auf dem Hofe herum, welches beſtaͤndig auf eine<lb/> unnatuͤrliche Weiſe wie ein Hahn kraͤhte. — Fuͤr<lb/> Anton klang keine Todtenglocke ſo fuͤrchterlich,<lb/> als dieſes Kraͤhen; und dieſes Huhn hat ihm<lb/> mehr truͤbe Stunden in ſeinem Leben gemacht, als<lb/> irgend eine Widerwaͤrtigkeit, die er ſonſt erlit¬<lb/> ten hat.</p><lb/> <p>Oft ſchoͤpfte er wieder Troſt und Hoffnung zum<lb/> Leben, wenn das Huhn einige Tage ſchwieg —<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ſobald<lb/></fw> </p> </body> </text> </TEI> [136/0146]
Leiden konnte man, im eigentlichen Verſtande,
die Leiden der Einbildungskraft nennen —
ſie waren fuͤr ihn doch wuͤrkliche Leiden, ſie raub¬
ten ihm die Freuden ſeiner Jugend. —
Von ſeiner Mutter wußte er, es ſey ein
ſicheres Zeichen des nahen Todes, wenn einem
beim Waſchen die Haͤnde nicht mehr rauchen —
nun ſahe er ſich ſterben, ſo oft er ſich die Haͤnde
wuſch. — Er hatte gehoͤrt, wenn ein Hund im
Hauſe mit der Schnautze zur Erde gekehrt, heule,
ſo wittre er den Tod Menſchen; — nun pro¬
phezeite ihm jedes Hundegeheul ſeinen Tod. —
Wenn ſogar ein Huhn wie ein Hahn kraͤhete, ſo
war das ein untruͤgliches Zeichen, daß bald je¬
mand im Hauſe ſterben wuͤrde — und nun ging
hier gerade ein ſolches ungluͤckweißagendes Huhn
auf dem Hofe herum, welches beſtaͤndig auf eine
unnatuͤrliche Weiſe wie ein Hahn kraͤhte. — Fuͤr
Anton klang keine Todtenglocke ſo fuͤrchterlich,
als dieſes Kraͤhen; und dieſes Huhn hat ihm
mehr truͤbe Stunden in ſeinem Leben gemacht, als
irgend eine Widerwaͤrtigkeit, die er ſonſt erlit¬
ten hat.
Oft ſchoͤpfte er wieder Troſt und Hoffnung zum
Leben, wenn das Huhn einige Tage ſchwieg —
ſobald
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