Bänden ist, aus dem Französischen übersetzte, die er denn auf seine Kosten drucken ließ, und sie umsonst unter seine Anhänger austheilte.
Die Lehren, welche in diesen Schriften ent¬ halten sind, betreffen größtentheils jenes schon erwähnte völlige Ausgehen aus sich selbst, und Eingehen in ein seliges Nichts, jene gänzliche Ertödtung aller sogenannten Eigenheit oder Eigenliebe, und eine völlig uninteressirte Liebe zu Gott, worin sich auch kein Fünkchen Selbst¬ liebe mehr mischen darf, wenn sie rein seyn soll, woraus denn am Ende eine vollkommne, selige Ruhe entsteht, die das höchste Ziel aller dieser Bestrebungen ist.
Weil nun die Mad. Guion sich fast ihr gan¬ zes Leben hindurch, mit nichts als mit Bücher¬ schreiben beschäftigt hat, so sind ihrer Schriften eine so erstaunliche Menge, daß selbst Martin Luther schwerlich mehr geschrieben haben kann. Unter andern macht allein eine mystische Erklä¬ rung der ganzen Bibel wohl an zwanzig Bände aus.
Diese Mad. Guion mußte viel Verfolgung leiden, und wurde endlich, weil man ihre Lehr¬
Baͤnden iſt, aus dem Franzoͤſiſchen uͤberſetzte, die er denn auf ſeine Koſten drucken ließ, und ſie umſonſt unter ſeine Anhaͤnger austheilte.
Die Lehren, welche in dieſen Schriften ent¬ halten ſind, betreffen groͤßtentheils jenes ſchon erwaͤhnte voͤllige Ausgehen aus ſich ſelbſt, und Eingehen in ein ſeliges Nichts, jene gaͤnzliche Ertoͤdtung aller ſogenannten Eigenheit oder Eigenliebe, und eine voͤllig unintereſſirte Liebe zu Gott, worin ſich auch kein Fuͤnkchen Selbſt¬ liebe mehr miſchen darf, wenn ſie rein ſeyn ſoll, woraus denn am Ende eine vollkommne, ſelige Ruhe entſteht, die das hoͤchſte Ziel aller dieſer Beſtrebungen iſt.
Weil nun die Mad. Guion ſich faſt ihr gan¬ zes Leben hindurch, mit nichts als mit Buͤcher¬ ſchreiben beſchaͤftigt hat, ſo ſind ihrer Schriften eine ſo erſtaunliche Menge, daß ſelbſt Martin Luther ſchwerlich mehr geſchrieben haben kann. Unter andern macht allein eine myſtiſche Erklaͤ¬ rung der ganzen Bibel wohl an zwanzig Baͤnde aus.
Dieſe Mad. Guion mußte viel Verfolgung leiden, und wurde endlich, weil man ihre Lehr¬
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Baͤnden iſt, aus dem Franzoͤſiſchen uͤberſetzte,
die er denn auf ſeine Koſten drucken ließ, und
ſie umſonſt unter ſeine Anhaͤnger austheilte.
Die Lehren, welche in dieſen Schriften ent¬
halten ſind, betreffen groͤßtentheils jenes ſchon
erwaͤhnte voͤllige Ausgehen aus ſich ſelbſt, und
Eingehen in ein ſeliges Nichts, jene gaͤnzliche
Ertoͤdtung aller ſogenannten Eigenheit oder
Eigenliebe, und eine voͤllig unintereſſirte Liebe
zu Gott, worin ſich auch kein Fuͤnkchen Selbſt¬
liebe mehr miſchen darf, wenn ſie rein ſeyn ſoll,
woraus denn am Ende eine vollkommne, ſelige
Ruhe entſteht, die das hoͤchſte Ziel aller dieſer
Beſtrebungen iſt.
Weil nun die Mad. Guion ſich faſt ihr gan¬
zes Leben hindurch, mit nichts als mit Buͤcher¬
ſchreiben beſchaͤftigt hat, ſo ſind ihrer Schriften
eine ſo erſtaunliche Menge, daß ſelbſt Martin
Luther ſchwerlich mehr geſchrieben haben kann.
Unter andern macht allein eine myſtiſche Erklaͤ¬
rung der ganzen Bibel wohl an zwanzig Baͤnde
aus.
Dieſe Mad. Guion mußte viel Verfolgung
leiden, und wurde endlich, weil man ihre Lehr¬
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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785/14>, abgerufen am 17.02.2025.
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