Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785.Nun hatte seine Phantasie ein neues Spiel. -- Durch diß alles wurde seine Einbildungs¬ süßte,
Nun hatte ſeine Phantaſie ein neues Spiel. — Durch diß alles wurde ſeine Einbildungs¬ ſuͤßte,
<TEI> <text> <body> <pb facs="#f0136" n="126"/> <p>Nun hatte ſeine Phantaſie ein neues Spiel. —<lb/> Die Idee vom Abendmahl war jetzt diejenige,<lb/> womit er zu Bette ging und aufſtund, und wo¬<lb/> mit er ſich den ganzen Tag uͤber, wenn er bei<lb/> ſeiner Arbeit allein war, beſchaͤftigte; dabei<lb/> ſchwebte ihm immer der Paſtor P... im Sinne,<lb/> mit ſeiner ſanften, ſchwellenden Stimme, und<lb/> ſeinen gen Himmel gehobnem Auge, das von<lb/> mehr als irdiſcher Andacht erleuchtet ſchien. Zu¬<lb/> weilen draͤngte ſich denn auch in ſeiner Phantaſie<lb/> das Bild des ſchwarz gekleideten jungen Frauen¬<lb/> zimmers, mit der blaſſen Farbe und andachts¬<lb/> vollen Miene, wieder vor.</p><lb/> <p>Durch diß alles wurde ſeine Einbildungs¬<lb/> kraft ſo begeiſtert, daß er ſich itzt fuͤr den gluͤck¬<lb/> lichſten Menſchen unter der Sonne wuͤrde gehal¬<lb/> ten haben, wenn er den kuͤnftigen Sonntag<lb/> haͤtte zum Abendmahl gehen duͤrfen. Er ver¬<lb/> ſprach ſich eine ſo uͤberirdiſche himmliſche Troͤ¬<lb/> ſtung beim Genuß des Abendmahls, daß er<lb/> ſchon im voraus Freudenthraͤnen daruͤber vergoß;<lb/> wobei er zugleich ein gewiſſes ſanftes beruhigen¬<lb/> des Mitleid mit ſich ſelber empfand, daß ihm nun<lb/> alles bittre und unangenehme ſeiner Lage ver¬<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ſuͤßte,<lb/></fw> </p> </body> </text> </TEI> [126/0136]
Nun hatte ſeine Phantaſie ein neues Spiel. —
Die Idee vom Abendmahl war jetzt diejenige,
womit er zu Bette ging und aufſtund, und wo¬
mit er ſich den ganzen Tag uͤber, wenn er bei
ſeiner Arbeit allein war, beſchaͤftigte; dabei
ſchwebte ihm immer der Paſtor P... im Sinne,
mit ſeiner ſanften, ſchwellenden Stimme, und
ſeinen gen Himmel gehobnem Auge, das von
mehr als irdiſcher Andacht erleuchtet ſchien. Zu¬
weilen draͤngte ſich denn auch in ſeiner Phantaſie
das Bild des ſchwarz gekleideten jungen Frauen¬
zimmers, mit der blaſſen Farbe und andachts¬
vollen Miene, wieder vor.
Durch diß alles wurde ſeine Einbildungs¬
kraft ſo begeiſtert, daß er ſich itzt fuͤr den gluͤck¬
lichſten Menſchen unter der Sonne wuͤrde gehal¬
ten haben, wenn er den kuͤnftigen Sonntag
haͤtte zum Abendmahl gehen duͤrfen. Er ver¬
ſprach ſich eine ſo uͤberirdiſche himmliſche Troͤ¬
ſtung beim Genuß des Abendmahls, daß er
ſchon im voraus Freudenthraͤnen daruͤber vergoß;
wobei er zugleich ein gewiſſes ſanftes beruhigen¬
des Mitleid mit ſich ſelber empfand, daß ihm nun
alles bittre und unangenehme ſeiner Lage ver¬
ſuͤßte,
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