Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

Unter den neuen Göttern heißt der Lenker
des Sonnenwagens Apollo, und ist ein Sohn
Jupiters, der ihn und die Diana mit der Latona
erzeugte, die aus dem Titanengeschlechte eine Toch-
ter des Cöus und der Phöbe war.

Dieser Apollo ist eine bis auf die feinsten Züge
ausgebildete Göttergestalt, von der Phantasie
mit dem Reitze ewiger Jugend und Schönheit ge-
schmückt; der fernhintreffende Gott, den silbernen
Bogen spannend, und der Vater der Dichter, die
goldne Zitter schlagend.

Da nun Apollo nicht zu gleicher Zeit auf Er-
den der Gott der Dichtkunst und der Tonkunst
seyn, die Götter im Olymp mit Saitenspiel und
Gesang ergötzen, und auch den Sonnenwagen len-
ken kann; so scheint es, als habe die Phantasie
der Dichter, den Apollo und Helios sich zu einem
Wesen gebildet, daß sich gleichsam in sich selbst
verjüngt, indem es im Himmel als leuchtende
Sonne von Alters her auf und untergeht, und
auf Erden in jugendlicher Schönheit, neu ge-
bohren,
wandelnd, mit goldenen Locken, ein
unsterblicher Jüngling, die Herzen der Götter und
Menschen mit Saitenspiel und Gesang erfreuet.

Selene.

Das Geschäft der Selene oder der Luna, eben-
falls einer Tochter des Hyperion, ist, mit ihrem

Unter den neuen Goͤttern heißt der Lenker
des Sonnenwagens Apollo, und iſt ein Sohn
Jupiters, der ihn und die Diana mit der Latona
erzeugte, die aus dem Titanengeſchlechte eine Toch-
ter des Coͤus und der Phoͤbe war.

Dieſer Apollo iſt eine bis auf die feinſten Zuͤge
ausgebildete Goͤttergeſtalt, von der Phantaſie
mit dem Reitze ewiger Jugend und Schoͤnheit ge-
ſchmuͤckt; der fernhintreffende Gott, den ſilbernen
Bogen ſpannend, und der Vater der Dichter, die
goldne Zitter ſchlagend.

Da nun Apollo nicht zu gleicher Zeit auf Er-
den der Gott der Dichtkunſt und der Tonkunſt
ſeyn, die Goͤtter im Olymp mit Saitenſpiel und
Geſang ergoͤtzen, und auch den Sonnenwagen len-
ken kann; ſo ſcheint es, als habe die Phantaſie
der Dichter, den Apollo und Helios ſich zu einem
Weſen gebildet, daß ſich gleichſam in ſich ſelbſt
verjuͤngt, indem es im Himmel als leuchtende
Sonne von Alters her auf und untergeht, und
auf Erden in jugendlicher Schoͤnheit, neu ge-
bohren,
wandelnd, mit goldenen Locken, ein
unſterblicher Juͤngling, die Herzen der Goͤtter und
Menſchen mit Saitenſpiel und Geſang erfreuet.

Selene.

Das Geſchaͤft der Selene oder der Luna, eben-
falls einer Tochter des Hyperion, iſt, mit ihrem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0085" n="59"/>
          <p>Unter den <hi rendition="#fr">neuen Go&#x0364;ttern</hi> heißt der Lenker<lb/>
des Sonnenwagens <hi rendition="#fr">Apollo,</hi> und i&#x017F;t ein Sohn<lb/>
Jupiters, der ihn und die <hi rendition="#fr">Diana</hi> mit der <hi rendition="#fr">Latona</hi><lb/>
erzeugte, die aus dem Titanenge&#x017F;chlechte eine Toch-<lb/>
ter des <hi rendition="#fr">Co&#x0364;us</hi> und der <hi rendition="#fr">Pho&#x0364;be</hi> war.</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;er Apollo i&#x017F;t eine bis auf die fein&#x017F;ten Zu&#x0364;ge<lb/><hi rendition="#fr">ausgebildete</hi> Go&#x0364;tterge&#x017F;talt, von der Phanta&#x017F;ie<lb/>
mit dem Reitze ewiger Jugend und Scho&#x0364;nheit ge-<lb/>
&#x017F;chmu&#x0364;ckt; der fernhintreffende Gott, den &#x017F;ilbernen<lb/>
Bogen &#x017F;pannend, und der Vater der Dichter, die<lb/>
goldne Zitter &#x017F;chlagend.</p><lb/>
          <p>Da nun Apollo nicht zu gleicher Zeit auf Er-<lb/>
den der Gott der Dichtkun&#x017F;t und der Tonkun&#x017F;t<lb/>
&#x017F;eyn, die Go&#x0364;tter im Olymp mit Saiten&#x017F;piel und<lb/>
Ge&#x017F;ang ergo&#x0364;tzen, und auch den Sonnenwagen len-<lb/>
ken kann; &#x017F;o &#x017F;cheint es, als habe die Phanta&#x017F;ie<lb/>
der Dichter, den Apollo und Helios &#x017F;ich zu <hi rendition="#fr">einem</hi><lb/>
We&#x017F;en gebildet, daß &#x017F;ich gleich&#x017F;am in &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
verju&#x0364;ngt, indem es im Himmel als leuchtende<lb/>
Sonne <hi rendition="#fr">von Alters her</hi> auf und untergeht, und<lb/>
auf Erden in jugendlicher Scho&#x0364;nheit, <hi rendition="#fr">neu ge-<lb/>
bohren,</hi> wandelnd, mit goldenen Locken, ein<lb/>
un&#x017F;terblicher Ju&#x0364;ngling, die Herzen der Go&#x0364;tter und<lb/>
Men&#x017F;chen mit Saiten&#x017F;piel und Ge&#x017F;ang erfreuet.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Selene</hi>.</hi> </head><lb/>
          <p>Das Ge&#x017F;cha&#x0364;ft der Selene oder der Luna, eben-<lb/>
falls einer Tochter des Hyperion, i&#x017F;t, mit ihrem<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[59/0085] Unter den neuen Goͤttern heißt der Lenker des Sonnenwagens Apollo, und iſt ein Sohn Jupiters, der ihn und die Diana mit der Latona erzeugte, die aus dem Titanengeſchlechte eine Toch- ter des Coͤus und der Phoͤbe war. Dieſer Apollo iſt eine bis auf die feinſten Zuͤge ausgebildete Goͤttergeſtalt, von der Phantaſie mit dem Reitze ewiger Jugend und Schoͤnheit ge- ſchmuͤckt; der fernhintreffende Gott, den ſilbernen Bogen ſpannend, und der Vater der Dichter, die goldne Zitter ſchlagend. Da nun Apollo nicht zu gleicher Zeit auf Er- den der Gott der Dichtkunſt und der Tonkunſt ſeyn, die Goͤtter im Olymp mit Saitenſpiel und Geſang ergoͤtzen, und auch den Sonnenwagen len- ken kann; ſo ſcheint es, als habe die Phantaſie der Dichter, den Apollo und Helios ſich zu einem Weſen gebildet, daß ſich gleichſam in ſich ſelbſt verjuͤngt, indem es im Himmel als leuchtende Sonne von Alters her auf und untergeht, und auf Erden in jugendlicher Schoͤnheit, neu ge- bohren, wandelnd, mit goldenen Locken, ein unſterblicher Juͤngling, die Herzen der Goͤtter und Menſchen mit Saitenſpiel und Geſang erfreuet. Selene. Das Geſchaͤft der Selene oder der Luna, eben- falls einer Tochter des Hyperion, iſt, mit ihrem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/85
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/85>, abgerufen am 20.11.2024.