die übrigen von ihr ausgestreueten Mohnstengel aufzulesen.
Man sieht, wie die Alten das Dunkle und Furchtbare in reitzende Bilder einkleideten; und wie sie demohngeachtet für das höchste Tragische empfänglich waren, indem sie sich unter dem von der Nacht gebohrnen unvermeidlichen Schicksal oder dem Fatum das Höhere Obwaltende dach- ten, dessen altes Reich, und dessen dunkle Pläne weit außer dem menschlichen Gesichtskreise liegen;
Dessen Spuren man in dem vielfältigen Jam- mer laß, der die Menschheit drückt; indem man das Unbekannte ahndete, unter dessen Macht die untergeordneten Kräfte sich beugen müssen und ein wunderbares Gefallen selbst an der Da- stellung schrecklicher Ereignisse, und verwüsten[ - 1 Zeichen fehlt] Zerstörung fand, indem die Einbildungskraft n[ - 1 Zeichen fehlt] Vergnügen sich in das Gebiet der Nacht und [ - 2 Zeichen fehlen] öden Schattenwelt verirrte.
Demohngeachtet stellt sich uns in den schön[en] Dichtungen der Alten kein einziges ganz hassen[s] und verabscheuungswürdiges Wesen dar. -- Die unerbittlichen Parzen, welche die Nacht gebohren hat, und selbst die rächerischen Furien, sind im- mer noch ein Gegenstand der Verehrung der Sterblichen.
Selbst die Sorgen und der drückende Kum- mer gehören in der Vorstellungsart der Alten mit
die uͤbrigen von ihr ausgeſtreueten Mohnſtengel aufzuleſen.
Man ſieht, wie die Alten das Dunkle und Furchtbare in reitzende Bilder einkleideten; und wie ſie demohngeachtet fuͤr das hoͤchſte Tragiſche empfaͤnglich waren, indem ſie ſich unter dem von der Nacht gebohrnen unvermeidlichen Schickſal oder dem Fatum das Hoͤhere Obwaltende dach- ten, deſſen altes Reich, und deſſen dunkle Plaͤne weit außer dem menſchlichen Geſichtskreiſe liegen;
Deſſen Spuren man in dem vielfaͤltigen Jam- mer laß, der die Menſchheit druͤckt; indem man das Unbekannte ahndete, unter deſſen Macht die untergeordneten Kraͤfte ſich beugen muͤſſen und ein wunderbares Gefallen ſelbſt an der Da- ſtellung ſchrecklicher Ereigniſſe, und verwuͤſten[ – 1 Zeichen fehlt] Zerſtoͤrung fand, indem die Einbildungskraft n[ – 1 Zeichen fehlt] Vergnuͤgen ſich in das Gebiet der Nacht und [ – 2 Zeichen fehlen] oͤden Schattenwelt verirrte.
Demohngeachtet ſtellt ſich uns in den ſchoͤn[en] Dichtungen der Alten kein einziges ganz haſſen[s] und verabſcheuungswuͤrdiges Weſen dar. — Die unerbittlichen Parzen, welche die Nacht gebohren hat, und ſelbſt die raͤcheriſchen Furien, ſind im- mer noch ein Gegenſtand der Verehrung der Sterblichen.
Selbſt die Sorgen und der druͤckende Kum- mer gehoͤren in der Vorſtellungsart der Alten mit
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die uͤbrigen von ihr ausgeſtreueten Mohnſtengel
aufzuleſen.
Man ſieht, wie die Alten das Dunkle und
Furchtbare in reitzende Bilder einkleideten; und
wie ſie demohngeachtet fuͤr das hoͤchſte Tragiſche
empfaͤnglich waren, indem ſie ſich unter dem von
der Nacht gebohrnen unvermeidlichen Schickſal
oder dem Fatum das Hoͤhere Obwaltende dach-
ten, deſſen altes Reich, und deſſen dunkle Plaͤne
weit außer dem menſchlichen Geſichtskreiſe liegen;
Deſſen Spuren man in dem vielfaͤltigen Jam-
mer laß, der die Menſchheit druͤckt; indem man
das Unbekannte ahndete, unter deſſen Macht
die untergeordneten Kraͤfte ſich beugen muͤſſen
und ein wunderbares Gefallen ſelbſt an der Da-
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Zerſtoͤrung fand, indem die Einbildungskraft n_
Vergnuͤgen ſich in das Gebiet der Nacht und __
oͤden Schattenwelt verirrte.
Demohngeachtet ſtellt ſich uns in den ſchoͤnen
Dichtungen der Alten kein einziges ganz haſſens
und verabſcheuungswuͤrdiges Weſen dar. — Die
unerbittlichen Parzen, welche die Nacht gebohren
hat, und ſelbſt die raͤcheriſchen Furien, ſind im-
mer noch ein Gegenſtand der Verehrung der
Sterblichen.
Selbſt die Sorgen und der druͤckende Kum-
mer gehoͤren in der Vorſtellungsart der Alten mit
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Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/71>, abgerufen am 22.11.2024.
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