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Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791.

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und schleifte ihn im Staube um die Mauern von
Troja, daß Hekuba heulend ihr Haar zerraufte,
und der alte Priamus flehend seine Hände aus-
streckte.

Das Leichenbegängniß des Patroklus wurde
nun mit öffentlichen Kampfspielen im Lager der
Griechen gefeiert, während daß Hektors Leichnam
unbegraben lag. Allein in nächtlicher Stille vom
Merkur geleitet, kam der Greis Priamus selber
in des Achilles Zelt, umfaßte dessen Knie, und
flehte ihn um den Leichnam seines Sohnes.
Die Götter hatten schon des Achilles Herz er-
weicht; er dachte an seinen alten Vater Peleus,
der auch nun bald den Tod seines Sohnes betrau-
ern würde, und gewährte dem Priamus seiner
Bitte, der mit dem Leichnam Hektors schnell nach
Troja eilte, und ihm mit allem Volke die Todten-
feier hielt.

Auch war das Verhängniß des Achilles nun
nicht mehr weit entfernt; nachdem er noch einige
ruhmvolle Thaten vollbracht, traf vom Apollo
gelenkt, des Paris tödtlicher Pfeil ihm in die
Ferse, wo er allein verwundbar war. Um seine
Waffen entstand ein trauriger Streit; die Grie-
chen sprachen sie dem Ulysses zu; worüber Ajax,
welcher nach dem Achill der tapferste unter den
Griechen war, aus Mißmuth sich selbst ent-
leibte.

und ſchleifte ihn im Staube um die Mauern von
Troja, daß Hekuba heulend ihr Haar zerraufte,
und der alte Priamus flehend ſeine Haͤnde aus-
ſtreckte.

Das Leichenbegaͤngniß des Patroklus wurde
nun mit oͤffentlichen Kampfſpielen im Lager der
Griechen gefeiert, waͤhrend daß Hektors Leichnam
unbegraben lag. Allein in naͤchtlicher Stille vom
Merkur geleitet, kam der Greis Priamus ſelber
in des Achilles Zelt, umfaßte deſſen Knie, und
flehte ihn um den Leichnam ſeines Sohnes.
Die Goͤtter hatten ſchon des Achilles Herz er-
weicht; er dachte an ſeinen alten Vater Peleus,
der auch nun bald den Tod ſeines Sohnes betrau-
ern wuͤrde, und gewaͤhrte dem Priamus ſeiner
Bitte, der mit dem Leichnam Hektors ſchnell nach
Troja eilte, und ihm mit allem Volke die Todten-
feier hielt.

Auch war das Verhaͤngniß des Achilles nun
nicht mehr weit entfernt; nachdem er noch einige
ruhmvolle Thaten vollbracht, traf vom Apollo
gelenkt, des Paris toͤdtlicher Pfeil ihm in die
Ferſe, wo er allein verwundbar war. Um ſeine
Waffen entſtand ein trauriger Streit; die Grie-
chen ſprachen ſie dem Ulyſſes zu; woruͤber Ajax,
welcher nach dem Achill der tapferſte unter den
Griechen war, aus Mißmuth ſich ſelbſt ent-
leibte.

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[378/0450] und ſchleifte ihn im Staube um die Mauern von Troja, daß Hekuba heulend ihr Haar zerraufte, und der alte Priamus flehend ſeine Haͤnde aus- ſtreckte. Das Leichenbegaͤngniß des Patroklus wurde nun mit oͤffentlichen Kampfſpielen im Lager der Griechen gefeiert, waͤhrend daß Hektors Leichnam unbegraben lag. Allein in naͤchtlicher Stille vom Merkur geleitet, kam der Greis Priamus ſelber in des Achilles Zelt, umfaßte deſſen Knie, und flehte ihn um den Leichnam ſeines Sohnes. Die Goͤtter hatten ſchon des Achilles Herz er- weicht; er dachte an ſeinen alten Vater Peleus, der auch nun bald den Tod ſeines Sohnes betrau- ern wuͤrde, und gewaͤhrte dem Priamus ſeiner Bitte, der mit dem Leichnam Hektors ſchnell nach Troja eilte, und ihm mit allem Volke die Todten- feier hielt. Auch war das Verhaͤngniß des Achilles nun nicht mehr weit entfernt; nachdem er noch einige ruhmvolle Thaten vollbracht, traf vom Apollo gelenkt, des Paris toͤdtlicher Pfeil ihm in die Ferſe, wo er allein verwundbar war. Um ſeine Waffen entſtand ein trauriger Streit; die Grie- chen ſprachen ſie dem Ulyſſes zu; woruͤber Ajax, welcher nach dem Achill der tapferſte unter den Griechen war, aus Mißmuth ſich ſelbſt ent- leibte.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/450>, abgerufen am 24.11.2024.