turnus, der seine eigenen Kinder verschlang, noch das Grenzenlose, Chaotische, Ungebildete dachte, worauf die Einbildungskraft nicht haften kann; so verknüpfte man doch wieder mit dieser Vorstel- lung von dem Ungebildeten, Umherschweifenden, und Grenzenlosen, das keinem Zwange unterwor- fen ist, den Begriff von Freiheit und Gleichheit, der unter der Alleinherrschaft des Einzigen, der mit dem Donner bewafnet war, nicht mehr statt finden konnte.
Man versetzte daher das goldene Zeitalter un- ter die Regierung des Saturnus; welcher, nach- dem er in dem Götterkriege seiner zerstörenden Macht beraubt war, nach einer alten Sage, dem Schicksal der übrigen Titanen, die in den Tarta- rus geschleudert wurden, entfloh, und sich in den mit Bergen umschlossenen Ebenen von Latium verbarg, wohin er das goldene Zeitalter brachte, indem er in einem Schiffe auf dem Tiberstrome, beim Janus anlangte, und mit ihm vereint, die Menschen mit Weisheit und Güte beherrschte.
Diese Dichtung ist vorzüglich schön, wegen des Ueberganges vom Kriegerischen und Zerstören- den, zum Friedlichen und Sanften. Während daß Jupiter noch immer in Gefahr der Herr- schaft entsetzt zu werden, seine Blitze gegen die Giganten schleudert, ist Saturnus fern von dem verderblichen Götterkriege in Latium ange-
turnus, der ſeine eigenen Kinder verſchlang, noch das Grenzenloſe, Chaotiſche, Ungebildete dachte, worauf die Einbildungskraft nicht haften kann; ſo verknuͤpfte man doch wieder mit dieſer Vorſtel- lung von dem Ungebildeten, Umherſchweifenden, und Grenzenloſen, das keinem Zwange unterwor- fen iſt, den Begriff von Freiheit und Gleichheit, der unter der Alleinherrſchaft des Einzigen, der mit dem Donner bewafnet war, nicht mehr ſtatt finden konnte.
Man verſetzte daher das goldene Zeitalter un- ter die Regierung des Saturnus; welcher, nach- dem er in dem Goͤtterkriege ſeiner zerſtoͤrenden Macht beraubt war, nach einer alten Sage, dem Schickſal der uͤbrigen Titanen, die in den Tarta- rus geſchleudert wurden, entfloh, und ſich in den mit Bergen umſchloſſenen Ebenen von Latium verbarg, wohin er das goldene Zeitalter brachte, indem er in einem Schiffe auf dem Tiberſtrome, beim Janus anlangte, und mit ihm vereint, die Menſchen mit Weisheit und Guͤte beherrſchte.
Dieſe Dichtung iſt vorzuͤglich ſchoͤn, wegen des Ueberganges vom Kriegeriſchen und Zerſtoͤren- den, zum Friedlichen und Sanften. Waͤhrend daß Jupiter noch immer in Gefahr der Herr- ſchaft entſetzt zu werden, ſeine Blitze gegen die Giganten ſchleudert, iſt Saturnus fern von dem verderblichen Goͤtterkriege in Latium ange-
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turnus, der ſeine eigenen Kinder verſchlang, noch
das Grenzenloſe, Chaotiſche, Ungebildete dachte,
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und Grenzenloſen, das keinem Zwange unterwor-
fen iſt, den Begriff von Freiheit und Gleichheit,
der unter der Alleinherrſchaft des Einzigen, der
mit dem Donner bewafnet war, nicht mehr ſtatt
finden konnte.
Man verſetzte daher das goldene Zeitalter un-
ter die Regierung des Saturnus; welcher, nach-
dem er in dem Goͤtterkriege ſeiner zerſtoͤrenden
Macht beraubt war, nach einer alten Sage, dem
Schickſal der uͤbrigen Titanen, die in den Tarta-
rus geſchleudert wurden, entfloh, und ſich in den
mit Bergen umſchloſſenen Ebenen von Latium
verbarg, wohin er das goldene Zeitalter brachte,
indem er in einem Schiffe auf dem Tiberſtrome,
beim Janus anlangte, und mit ihm vereint, die
Menſchen mit Weisheit und Guͤte beherrſchte.
Dieſe Dichtung iſt vorzuͤglich ſchoͤn, wegen
des Ueberganges vom Kriegeriſchen und Zerſtoͤren-
den, zum Friedlichen und Sanften. Waͤhrend
daß Jupiter noch immer in Gefahr der Herr-
ſchaft entſetzt zu werden, ſeine Blitze gegen die
Giganten ſchleudert, iſt Saturnus fern von
dem verderblichen Goͤtterkriege in Latium ange-
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Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/45>, abgerufen am 27.11.2024.
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