Ein Liebling des Apollo war der schöne Hya- cinthus, ein Sohn des Oebalus, eines Lacede- monischen Fürsten. -- Apollo und sein Liebling wetteiferten einst im Scheibenwerfen; -- aus der Hand des Gottes flog die Wurfscheibe, -- und Boreas auf den Apollo eifersüchtig, lenkte sie in der Luft, und trieb sie an des Jünglings Haupt, welcher todt darniedersank. -- Apollo ließ aus seines Lieblings Asche die Hyacinthe her- vorgehen; und die Lacedämonier feierten jährlich ein Fest bei dem Grabe des schönen Jünglings, der in des Lebens Blüthe ein Raub des Todes ward.
Cyparissus.
Auch diesem Liebling des Apollo war nur ein kurzes Alter bestimmt. -- Der schöne Knabe besaß einen zahmen Hirsch, der ihm vorzüglich lieb war, und von seiner Kindheit an ihm Freude machte. -- Diesen erschoß er unversehens im Dunkel des Waldes; und sein zu weiches Herz ließ ihn diese That so sehr bereuen, daß er unauf- hörlich traurend die einsamsten Schatten suchte, und sich in Kurzem zu Tode härmte. -- Als er gestorben war, so ließ Apollo aus seinem Grabe die dunkle Cypresse emporsteigen, die den Nahmen
Hyacinthus.
Ein Liebling des Apollo war der ſchoͤne Hya- cinthus, ein Sohn des Oebalus, eines Lacede- moniſchen Fuͤrſten. — Apollo und ſein Liebling wetteiferten einſt im Scheibenwerfen; — aus der Hand des Gottes flog die Wurfſcheibe, — und Boreas auf den Apollo eiferſuͤchtig, lenkte ſie in der Luft, und trieb ſie an des Juͤnglings Haupt, welcher todt darniederſank. — Apollo ließ aus ſeines Lieblings Aſche die Hyacinthe her- vorgehen; und die Lacedaͤmonier feierten jaͤhrlich ein Feſt bei dem Grabe des ſchoͤnen Juͤnglings, der in des Lebens Bluͤthe ein Raub des Todes ward.
Cypariſſus.
Auch dieſem Liebling des Apollo war nur ein kurzes Alter beſtimmt. — Der ſchoͤne Knabe beſaß einen zahmen Hirſch, der ihm vorzuͤglich lieb war, und von ſeiner Kindheit an ihm Freude machte. — Dieſen erſchoß er unverſehens im Dunkel des Waldes; und ſein zu weiches Herz ließ ihn dieſe That ſo ſehr bereuen, daß er unauf- hoͤrlich traurend die einſamſten Schatten ſuchte, und ſich in Kurzem zu Tode haͤrmte. — Als er geſtorben war, ſo ließ Apollo aus ſeinem Grabe die dunkle Cypreſſe emporſteigen, die den Nahmen
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Hyacinthus.
Ein Liebling des Apollo war der ſchoͤne Hya-
cinthus, ein Sohn des Oebalus, eines Lacede-
moniſchen Fuͤrſten. — Apollo und ſein Liebling
wetteiferten einſt im Scheibenwerfen; — aus
der Hand des Gottes flog die Wurfſcheibe, —
und Boreas auf den Apollo eiferſuͤchtig, lenkte
ſie in der Luft, und trieb ſie an des Juͤnglings
Haupt, welcher todt darniederſank. — Apollo
ließ aus ſeines Lieblings Aſche die Hyacinthe her-
vorgehen; und die Lacedaͤmonier feierten jaͤhrlich
ein Feſt bei dem Grabe des ſchoͤnen Juͤnglings,
der in des Lebens Bluͤthe ein Raub des Todes
ward.
Cypariſſus.
Auch dieſem Liebling des Apollo war nur ein
kurzes Alter beſtimmt. — Der ſchoͤne Knabe
beſaß einen zahmen Hirſch, der ihm vorzuͤglich
lieb war, und von ſeiner Kindheit an ihm Freude
machte. — Dieſen erſchoß er unverſehens im
Dunkel des Waldes; und ſein zu weiches Herz
ließ ihn dieſe That ſo ſehr bereuen, daß er unauf-
hoͤrlich traurend die einſamſten Schatten ſuchte,
und ſich in Kurzem zu Tode haͤrmte. — Als er
geſtorben war, ſo ließ Apollo aus ſeinem Grabe
die dunkle Cypreſſe emporſteigen, die den Nahmen
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Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/406>, abgerufen am 20.11.2024.
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