Auf der hier beigefügten Kupfertafel ist nach einer schönen antiken Gemme, die Muse stehend abgebildet, wie sie die Leyer stimmt. -- Eine Darstellung, wodurch nicht eine einzelne Muse ausschließend, sondern die Muse überhaupt be- zeichnet wird, in so fern die Tonkunst, nach den ältesten Begriffen, ihr Hauptgeschäft ist. -- Denn mit der Tonkunst entwickelten sich zuerst die schlum- mernden Kräfte für die übrigen Künste. -- Musik, Gesang und Tanz war, wie wir schon bemerkt ha- ben, das Hauptgeschäft der Musen, und es giebt keine eigne Muse für die bildenden Künste.
Auf eben dieser Kupfertafel ist auch nach einer antiken Gemme, ein Liebesgott abgebildet, wel- cher den Löwen, auf dem er reitet, mit den har- monischen Tönen seiner Leyer zähmt, wodurch der Künstler in einem schönen Sinnbilde die ver- einte Macht der Liebe und Tonkunst ausdrückt.
Liebesgötter.
Auch die Göttergestalt des Amor vervielfältigte sich in der Einbildungskraft der Alten; die Liebes- götter, welche allenthalben in den Dichtungen unter reitzenden Gestalten erscheinen, sind gleich- sam Funken seines Wesens; und die Dichtkunst ist unerschöpflich in schönen sinnbildlichen Darstellun- gen dieser alles besiegenden Gottheit.
Auf der hier beigefuͤgten Kupfertafel iſt nach einer ſchoͤnen antiken Gemme, die Muſe ſtehend abgebildet, wie ſie die Leyer ſtimmt. — Eine Darſtellung, wodurch nicht eine einzelne Muſe ausſchließend, ſondern die Muſe uͤberhaupt be- zeichnet wird, in ſo fern die Tonkunſt, nach den aͤlteſten Begriffen, ihr Hauptgeſchaͤft iſt. — Denn mit der Tonkunſt entwickelten ſich zuerſt die ſchlum- mernden Kraͤfte fuͤr die uͤbrigen Kuͤnſte. — Muſik, Geſang und Tanz war, wie wir ſchon bemerkt ha- ben, das Hauptgeſchaͤft der Muſen, und es giebt keine eigne Muſe fuͤr die bildenden Kuͤnſte.
Auf eben dieſer Kupfertafel iſt auch nach einer antiken Gemme, ein Liebesgott abgebildet, wel- cher den Loͤwen, auf dem er reitet, mit den har- moniſchen Toͤnen ſeiner Leyer zaͤhmt, wodurch der Kuͤnſtler in einem ſchoͤnen Sinnbilde die ver- einte Macht der Liebe und Tonkunſt ausdruͤckt.
Liebesgoͤtter.
Auch die Goͤttergeſtalt des Amor vervielfaͤltigte ſich in der Einbildungskraft der Alten; die Liebes- goͤtter, welche allenthalben in den Dichtungen unter reitzenden Geſtalten erſcheinen, ſind gleich- ſam Funken ſeines Weſens; und die Dichtkunſt iſt unerſchoͤpflich in ſchoͤnen ſinnbildlichen Darſtellun- gen dieſer alles beſiegenden Gottheit.
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Auf der hier beigefuͤgten Kupfertafel iſt nach
einer ſchoͤnen antiken Gemme, die Muſe ſtehend
abgebildet, wie ſie die Leyer ſtimmt. — Eine
Darſtellung, wodurch nicht eine einzelne Muſe
ausſchließend, ſondern die Muſe uͤberhaupt be-
zeichnet wird, in ſo fern die Tonkunſt, nach den
aͤlteſten Begriffen, ihr Hauptgeſchaͤft iſt. — Denn
mit der Tonkunſt entwickelten ſich zuerſt die ſchlum-
mernden Kraͤfte fuͤr die uͤbrigen Kuͤnſte. — Muſik,
Geſang und Tanz war, wie wir ſchon bemerkt ha-
ben, das Hauptgeſchaͤft der Muſen, und es giebt
keine eigne Muſe fuͤr die bildenden Kuͤnſte.
Auf eben dieſer Kupfertafel iſt auch nach einer
antiken Gemme, ein Liebesgott abgebildet, wel-
cher den Loͤwen, auf dem er reitet, mit den har-
moniſchen Toͤnen ſeiner Leyer zaͤhmt, wodurch
der Kuͤnſtler in einem ſchoͤnen Sinnbilde die ver-
einte Macht der Liebe und Tonkunſt ausdruͤckt.
Liebesgoͤtter.
Auch die Goͤttergeſtalt des Amor vervielfaͤltigte
ſich in der Einbildungskraft der Alten; die Liebes-
goͤtter, welche allenthalben in den Dichtungen
unter reitzenden Geſtalten erſcheinen, ſind gleich-
ſam Funken ſeines Weſens; und die Dichtkunſt iſt
unerſchoͤpflich in ſchoͤnen ſinnbildlichen Darſtellun-
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Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/369>, abgerufen am 20.11.2024.
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