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Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791.

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Der vorzüglichste Aufenthalt der Musen wa-
ren die berühmten Berge: Parnassus, Pindus,
Helikon.
Auf dem Gipfel des Helikon entsprang
vom Fußtritt des Pegasus die begeisternde Hip-
pokrene
und Aganippe. -- Am Fuße des Par-
nassus strömte der Kastalische Quell; auch die mit
immerwährender Fülle sich ergießende Pimplea,
auf einem Berge, gleiches Nahmens, war den
Musen heilig, auf deren Lippen nie der Strom des
rühmenden Gesanges und der süßen Rede versiegte.

Pierinnen hießen die Musen von Pierien,
wo die Dichtung ihren Geburtsort hin versetzte. --
Apollo schließt sich unter den himmlischen Göttern
dem Chor der Musen am nächsten an. -- Unter
seinem Vorsitz auf dem Gipfel des Parnaß ertönt
ihr Saitenspiel. -- Die bildende Kunst der Alten
stellt sogar zuweilen den Apollo unter den Musen
in reitzender Schönheit weiblich gekleidet dar. --
Apollo, der unter dem Nahmen Musagetes,
den Chor der Musen anführt, ist eine der schön-
sten Dichtungen des Alterthums, woran auch die
bildende Kunst der neuern sich versucht hat. --

Merkwürdig ist es, daß auch Herkules un-
ter dem Nahmen Musagetes, als der Anführer
der Musen, bei den Alten verehrt wurde, und man
auf die Weise der Körperkraft, und den Leibesübun-
gen die geistigen Vorzüge zugesellte, und beide sich
unter einem Sinnbilde dachte.

U

Der vorzuͤglichſte Aufenthalt der Muſen wa-
ren die beruͤhmten Berge: Parnaſſus, Pindus,
Helikon.
Auf dem Gipfel des Helikon entſprang
vom Fußtritt des Pegaſus die begeiſternde Hip-
pokrene
und Aganippe. — Am Fuße des Par-
naſſus ſtroͤmte der Kaſtaliſche Quell; auch die mit
immerwaͤhrender Fuͤlle ſich ergießende Pimplea,
auf einem Berge, gleiches Nahmens, war den
Muſen heilig, auf deren Lippen nie der Strom des
ruͤhmenden Geſanges und der ſuͤßen Rede verſiegte.

Pierinnen hießen die Muſen von Pierien,
wo die Dichtung ihren Geburtsort hin verſetzte. —
Apollo ſchließt ſich unter den himmliſchen Goͤttern
dem Chor der Muſen am naͤchſten an. — Unter
ſeinem Vorſitz auf dem Gipfel des Parnaß ertoͤnt
ihr Saitenſpiel. — Die bildende Kunſt der Alten
ſtellt ſogar zuweilen den Apollo unter den Muſen
in reitzender Schoͤnheit weiblich gekleidet dar. —
Apollo, der unter dem Nahmen Muſagetes,
den Chor der Muſen anfuͤhrt, iſt eine der ſchoͤn-
ſten Dichtungen des Alterthums, woran auch die
bildende Kunſt der neuern ſich verſucht hat. —

Merkwuͤrdig iſt es, daß auch Herkules un-
ter dem Nahmen Muſagetes, als der Anfuͤhrer
der Muſen, bei den Alten verehrt wurde, und man
auf die Weiſe der Koͤrperkraft, und den Leibesuͤbun-
gen die geiſtigen Vorzuͤge zugeſellte, und beide ſich
unter einem Sinnbilde dachte.

U
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[305/0363] Der vorzuͤglichſte Aufenthalt der Muſen wa- ren die beruͤhmten Berge: Parnaſſus, Pindus, Helikon. Auf dem Gipfel des Helikon entſprang vom Fußtritt des Pegaſus die begeiſternde Hip- pokrene und Aganippe. — Am Fuße des Par- naſſus ſtroͤmte der Kaſtaliſche Quell; auch die mit immerwaͤhrender Fuͤlle ſich ergießende Pimplea, auf einem Berge, gleiches Nahmens, war den Muſen heilig, auf deren Lippen nie der Strom des ruͤhmenden Geſanges und der ſuͤßen Rede verſiegte. Pierinnen hießen die Muſen von Pierien, wo die Dichtung ihren Geburtsort hin verſetzte. — Apollo ſchließt ſich unter den himmliſchen Goͤttern dem Chor der Muſen am naͤchſten an. — Unter ſeinem Vorſitz auf dem Gipfel des Parnaß ertoͤnt ihr Saitenſpiel. — Die bildende Kunſt der Alten ſtellt ſogar zuweilen den Apollo unter den Muſen in reitzender Schoͤnheit weiblich gekleidet dar. — Apollo, der unter dem Nahmen Muſagetes, den Chor der Muſen anfuͤhrt, iſt eine der ſchoͤn- ſten Dichtungen des Alterthums, woran auch die bildende Kunſt der neuern ſich verſucht hat. — Merkwuͤrdig iſt es, daß auch Herkules un- ter dem Nahmen Muſagetes, als der Anfuͤhrer der Muſen, bei den Alten verehrt wurde, und man auf die Weiſe der Koͤrperkraft, und den Leibesuͤbun- gen die geiſtigen Vorzuͤge zugeſellte, und beide ſich unter einem Sinnbilde dachte. U

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/363>, abgerufen am 30.11.2024.