ungeheuren Polyphem, einen Sohn des Neptun, hatte der klugheitbegabte Ulysses seines Auges beraubt; von der Zeit an verfolgte Neptun den Ulysses mit unversöhnlichem Haß.
Er vereitelte ihm so lang er konnte die Rück- kehr in sein Vaterland; und da diese nach dem Schluß des Schicksals dennoch zuletzt erfolgen mußte, so nahm er an dem unschuldigen Schiffe der gastfreien Phäacier, die den Ulysses nach Ithaka gebracht hatten, seine Rache, indem er es auf der Rückkehr in einen Fels verwandelte.
So gefahrvoll war es, selbst für den Günst- ling der Minerva, die ungeheure Macht des starken Elementes, und was mit ihr verwandt war, zum Zorn gereitzt zu haben. --
Als einst die Musen auf dem Helikon Gesang und Seitenspiel so mächtig ertönen ließen, daß alles rund umher belebt ward, und selbst der Berg zu ihren Füßen hüpfte. -- Da zürnte Neptun und sandte den Pegasus hinauf, daß er dem zu kühn gen Himmel sich Erhebenden Grenzen setzen sollte; als dieser nun auf dem Gipfel des Helikon mit dem Fuße stampfte, war alles wieder in dem ruhigern, sanftern Gleise, und unter seinem stampfenden Fuße brach der Dichterquell hervor, der von des Rosses Tritt die Hippokrene heißt.
Im Kriege vor Troja saß Neptun auf der Spitze des waldigten Samos, und sahe dem Tref-
ungeheuren Polyphem, einen Sohn des Neptun, hatte der klugheitbegabte Ulyſſes ſeines Auges beraubt; von der Zeit an verfolgte Neptun den Ulyſſes mit unverſoͤhnlichem Haß.
Er vereitelte ihm ſo lang er konnte die Ruͤck- kehr in ſein Vaterland; und da dieſe nach dem Schluß des Schickſals dennoch zuletzt erfolgen mußte, ſo nahm er an dem unſchuldigen Schiffe der gaſtfreien Phaͤacier, die den Ulyſſes nach Ithaka gebracht hatten, ſeine Rache, indem er es auf der Ruͤckkehr in einen Fels verwandelte.
So gefahrvoll war es, ſelbſt fuͤr den Guͤnſt- ling der Minerva, die ungeheure Macht des ſtarken Elementes, und was mit ihr verwandt war, zum Zorn gereitzt zu haben. —
Als einſt die Muſen auf dem Helikon Geſang und Seitenſpiel ſo maͤchtig ertoͤnen ließen, daß alles rund umher belebt ward, und ſelbſt der Berg zu ihren Fuͤßen huͤpfte. — Da zuͤrnte Neptun und ſandte den Pegaſus hinauf, daß er dem zu kuͤhn gen Himmel ſich Erhebenden Grenzen ſetzen ſollte; als dieſer nun auf dem Gipfel des Helikon mit dem Fuße ſtampfte, war alles wieder in dem ruhigern, ſanftern Gleiſe, und unter ſeinem ſtampfenden Fuße brach der Dichterquell hervor, der von des Roſſes Tritt die Hippokrene heißt.
Im Kriege vor Troja ſaß Neptun auf der Spitze des waldigten Samos, und ſahe dem Tref-
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ungeheuren Polyphem, einen Sohn des Neptun,
hatte der klugheitbegabte Ulyſſes ſeines Auges
beraubt; von der Zeit an verfolgte Neptun den
Ulyſſes mit unverſoͤhnlichem Haß.
Er vereitelte ihm ſo lang er konnte die Ruͤck-
kehr in ſein Vaterland; und da dieſe nach dem
Schluß des Schickſals dennoch zuletzt erfolgen
mußte, ſo nahm er an dem unſchuldigen Schiffe
der gaſtfreien Phaͤacier, die den Ulyſſes nach
Ithaka gebracht hatten, ſeine Rache, indem er
es auf der Ruͤckkehr in einen Fels verwandelte.
So gefahrvoll war es, ſelbſt fuͤr den Guͤnſt-
ling der Minerva, die ungeheure Macht des
ſtarken Elementes, und was mit ihr verwandt
war, zum Zorn gereitzt zu haben. —
Als einſt die Muſen auf dem Helikon Geſang
und Seitenſpiel ſo maͤchtig ertoͤnen ließen, daß
alles rund umher belebt ward, und ſelbſt der Berg
zu ihren Fuͤßen huͤpfte. — Da zuͤrnte Neptun
und ſandte den Pegaſus hinauf, daß er dem zu
kuͤhn gen Himmel ſich Erhebenden Grenzen ſetzen
ſollte; als dieſer nun auf dem Gipfel des Helikon
mit dem Fuße ſtampfte, war alles wieder in dem
ruhigern, ſanftern Gleiſe, und unter ſeinem
ſtampfenden Fuße brach der Dichterquell hervor,
der von des Roſſes Tritt die Hippokrene heißt.
Im Kriege vor Troja ſaß Neptun auf der
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Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/153>, abgerufen am 23.11.2024.
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