Gleich den vom Vater der Götter gesandten Tauben, die vor der gefahrvollen Scylla vorbei- fliegend, beständig eine aus ihrer Mitte verlieren, die vom Jupiter sogleich ersetzt wird, damit die Zahl voll bleibe; macht auch ein Menschenge- schlecht unmerklich dem andern Platz, und wer von Alter und Schwachheit übermannt, entschlum- mert, den hat in der Dichtersprache Diana oder Apollo mit sanftem Pfeil getödtet.
Daß dieß die Vorstellungsart der Alten war, erhellet aus ihrer Sprache. -- Das kleine glück- liche Eiland, wo ich gebohren bin, erzählt der Hirt Eumäus dem Ulysses, liegt unter einem ge- sunden wohlthätigen Himmelsstrich; keine ver- haßte Krankheit raft da die Menschen hin; son- dern wenn nun das Alter da ist, so kommen Diana und Apoll mit ihrem silbernen Bogen, und tödten die Menschen mit ihrem sanften Pfeil. --
Wenn Ulysses in der Unterwelt den Schatten seiner Mutter frägt, wie sie gestorben sey; so giebt sie ihm zur Antwort: mich hat nicht Dianens sanfter Pfeil getödtet, auch hat mich keine Krankheit dahin geraft; sondern mein Verlan- gen nach dir, und mein Kummer um dich, mein Sohn, haben mich des süssen Lebens beraubt.
Wenn aber der Gott mit dem silbernen Bo- gen auf das Heer der Griechen zürnend, eine Pest
Gleich den vom Vater der Goͤtter geſandten Tauben, die vor der gefahrvollen Scylla vorbei- fliegend, beſtaͤndig eine aus ihrer Mitte verlieren, die vom Jupiter ſogleich erſetzt wird, damit die Zahl voll bleibe; macht auch ein Menſchenge- ſchlecht unmerklich dem andern Platz, und wer von Alter und Schwachheit uͤbermannt, entſchlum- mert, den hat in der Dichterſprache Diana oder Apollo mit ſanftem Pfeil getoͤdtet.
Daß dieß die Vorſtellungsart der Alten war, erhellet aus ihrer Sprache. — Das kleine gluͤck- liche Eiland, wo ich gebohren bin, erzaͤhlt der Hirt Eumaͤus dem Ulyſſes, liegt unter einem ge- ſunden wohlthaͤtigen Himmelsſtrich; keine ver- haßte Krankheit raft da die Menſchen hin; ſon- dern wenn nun das Alter da iſt, ſo kommen Diana und Apoll mit ihrem ſilbernen Bogen, und toͤdten die Menſchen mit ihrem ſanften Pfeil. —
Wenn Ulyſſes in der Unterwelt den Schatten ſeiner Mutter fraͤgt, wie ſie geſtorben ſey; ſo giebt ſie ihm zur Antwort: mich hat nicht Dianens ſanfter Pfeil getoͤdtet, auch hat mich keine Krankheit dahin geraft; ſondern mein Verlan- gen nach dir, und mein Kummer um dich, mein Sohn, haben mich des ſuͤſſen Lebens beraubt.
Wenn aber der Gott mit dem ſilbernen Bo- gen auf das Heer der Griechen zuͤrnend, eine Peſt
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Gleich den vom Vater der Goͤtter geſandten
Tauben, die vor der gefahrvollen Scylla vorbei-
fliegend, beſtaͤndig eine aus ihrer Mitte verlieren,
die vom Jupiter ſogleich erſetzt wird, damit die
Zahl voll bleibe; macht auch ein Menſchenge-
ſchlecht unmerklich dem andern Platz, und wer
von Alter und Schwachheit uͤbermannt, entſchlum-
mert, den hat in der Dichterſprache Diana oder
Apollo mit ſanftem Pfeil getoͤdtet.
Daß dieß die Vorſtellungsart der Alten war,
erhellet aus ihrer Sprache. — Das kleine gluͤck-
liche Eiland, wo ich gebohren bin, erzaͤhlt der
Hirt Eumaͤus dem Ulyſſes, liegt unter einem ge-
ſunden wohlthaͤtigen Himmelsſtrich; keine ver-
haßte Krankheit raft da die Menſchen hin; ſon-
dern wenn nun das Alter da iſt, ſo kommen Diana
und Apoll mit ihrem ſilbernen Bogen, und toͤdten
die Menſchen mit ihrem ſanften Pfeil. —
Wenn Ulyſſes in der Unterwelt den Schatten
ſeiner Mutter fraͤgt, wie ſie geſtorben ſey; ſo giebt
ſie ihm zur Antwort: mich hat nicht Dianens
ſanfter Pfeil getoͤdtet, auch hat mich keine
Krankheit dahin geraft; ſondern mein Verlan-
gen nach dir, und mein Kummer um dich, mein
Sohn, haben mich des ſuͤſſen Lebens beraubt.
Wenn aber der Gott mit dem ſilbernen Bo-
gen auf das Heer der Griechen zuͤrnend, eine Peſt
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Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/141>, abgerufen am 23.11.2024.
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