Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite


Menschen ihre Entdeckungen nicht in kalte Schlußformen und systemfähige Periodenreihen, durch welche sie sie auch nicht gefunden und erkannt haben -- freilich gränzen sie mit ihrer glühenden Einbildungskraft und schwebenden Empfindungen mehr an Dichter als an Philosophen an: -- ist aber auch etwas natürlicher, als dieses, mehr mit dem Geiste jeder gefundenen Wahrheit übereinstimmend, als daß sie eher empfunden, als gedacht, eher gedichtet, in Gefühlen geahndet, als trocken dargestellt werden kann? --

Auf der ewigen Ausdehnung der Körperwelt schweben die ewigen Denkformen der Seele -- der Geist Gottes -- um durch sinnliche Analogie von außen die angebornen Wahrheiten und Gesetze des geistigen Wesens zu entwickeln, und so Welt, Körper und Geist zu einer gegenseitigen harmonischen Mitwürkung zu stimmen. Seele und Form der körperlichen Ausdehnung sind gleich ewig -- gleich angeborne Gesetze und Wahrheiten: mit einmal sinkt also das Gebäude, das jede der philosophischen Partheien -- eine für ihre angebornen Denkgesetze -- die andere für ihre sinnliche Erfahrung -- einseitig aufführt: Seele und Welt, Denkgesetz und Ausdehnungsform ist eins, nur dieses versinnlicht das Band einer harmonischen Entwickelung und einer gegenseitigen Erziehung. --



Menschen ihre Entdeckungen nicht in kalte Schlußformen und systemfaͤhige Periodenreihen, durch welche sie sie auch nicht gefunden und erkannt haben — freilich graͤnzen sie mit ihrer gluͤhenden Einbildungskraft und schwebenden Empfindungen mehr an Dichter als an Philosophen an: — ist aber auch etwas natuͤrlicher, als dieses, mehr mit dem Geiste jeder gefundenen Wahrheit uͤbereinstimmend, als daß sie eher empfunden, als gedacht, eher gedichtet, in Gefuͤhlen geahndet, als trocken dargestellt werden kann? —

Auf der ewigen Ausdehnung der Koͤrperwelt schweben die ewigen Denkformen der Seele — der Geist Gottes — um durch sinnliche Analogie von außen die angebornen Wahrheiten und Gesetze des geistigen Wesens zu entwickeln, und so Welt, Koͤrper und Geist zu einer gegenseitigen harmonischen Mitwuͤrkung zu stimmen. Seele und Form der koͤrperlichen Ausdehnung sind gleich ewig — gleich angeborne Gesetze und Wahrheiten: mit einmal sinkt also das Gebaͤude, das jede der philosophischen Partheien — eine fuͤr ihre angebornen Denkgesetze — die andere fuͤr ihre sinnliche Erfahrung — einseitig auffuͤhrt: Seele und Welt, Denkgesetz und Ausdehnungsform ist eins, nur dieses versinnlicht das Band einer harmonischen Entwickelung und einer gegenseitigen Erziehung. —


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0035" n="35"/><lb/>
Menschen ihre Entdeckungen nicht in kalte Schlußformen und systemfa&#x0364;hige                         Periodenreihen, durch welche sie sie auch nicht gefunden und erkannt haben &#x2014;                         freilich gra&#x0364;nzen sie mit ihrer glu&#x0364;henden Einbildungskraft und schwebenden                         Empfindungen mehr an Dichter als an Philosophen an: &#x2014; ist aber auch etwas                         natu&#x0364;rlicher, als dieses, mehr mit dem Geiste jeder gefundenen Wahrheit                         u&#x0364;bereinstimmend, als daß sie eher empfunden, als gedacht, eher gedichtet, in                         Gefu&#x0364;hlen geahndet, als trocken dargestellt werden kann? &#x2014; </p>
            <p>Auf der ewigen Ausdehnung der Ko&#x0364;rperwelt schweben die ewigen Denkformen der                         Seele &#x2014; der Geist Gottes &#x2014; um durch sinnliche Analogie von außen die                         angebornen Wahrheiten und Gesetze des geistigen Wesens zu entwickeln, und so                         Welt, Ko&#x0364;rper und Geist zu einer gegenseitigen harmonischen Mitwu&#x0364;rkung zu                         stimmen. Seele und Form der ko&#x0364;rperlichen Ausdehnung sind gleich ewig &#x2014;                         gleich angeborne Gesetze und Wahrheiten: mit einmal sinkt also das Geba&#x0364;ude,                         das jede der philosophischen Partheien &#x2014; eine fu&#x0364;r ihre angebornen                         Denkgesetze &#x2014; die andere fu&#x0364;r ihre sinnliche Erfahrung &#x2014; einseitig auffu&#x0364;hrt:                         Seele und Welt, Denkgesetz und Ausdehnungsform ist eins, nur dieses                         versinnlicht das Band einer harmonischen Entwickelung und einer                         gegenseitigen Erziehung. &#x2014; </p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[35/0035] Menschen ihre Entdeckungen nicht in kalte Schlußformen und systemfaͤhige Periodenreihen, durch welche sie sie auch nicht gefunden und erkannt haben — freilich graͤnzen sie mit ihrer gluͤhenden Einbildungskraft und schwebenden Empfindungen mehr an Dichter als an Philosophen an: — ist aber auch etwas natuͤrlicher, als dieses, mehr mit dem Geiste jeder gefundenen Wahrheit uͤbereinstimmend, als daß sie eher empfunden, als gedacht, eher gedichtet, in Gefuͤhlen geahndet, als trocken dargestellt werden kann? — Auf der ewigen Ausdehnung der Koͤrperwelt schweben die ewigen Denkformen der Seele — der Geist Gottes — um durch sinnliche Analogie von außen die angebornen Wahrheiten und Gesetze des geistigen Wesens zu entwickeln, und so Welt, Koͤrper und Geist zu einer gegenseitigen harmonischen Mitwuͤrkung zu stimmen. Seele und Form der koͤrperlichen Ausdehnung sind gleich ewig — gleich angeborne Gesetze und Wahrheiten: mit einmal sinkt also das Gebaͤude, das jede der philosophischen Partheien — eine fuͤr ihre angebornen Denkgesetze — die andere fuͤr ihre sinnliche Erfahrung — einseitig auffuͤhrt: Seele und Welt, Denkgesetz und Ausdehnungsform ist eins, nur dieses versinnlicht das Band einer harmonischen Entwickelung und einer gegenseitigen Erziehung. —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0903_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0903_1792/35
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0903_1792/35>, abgerufen am 24.11.2024.