Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792.
Das Subjekt einer Vorstellung ist nichts anders, als die zur Vorstellung als Vorstellung (Merkmal einer Synthesis) nothwendige Einheit der Apperzeption. Aber für jetzt mag dieses genug seyn.*) *) "Jn Ansehung der Herausforderung, an die
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Das Subjekt einer Vorstellung ist nichts anders, als die zur Vorstellung als Vorstellung (Merkmal einer Synthesis) nothwendige Einheit der Apperzeption. Aber fuͤr jetzt mag dieses genug seyn.*) *) »Jn Ansehung der Herausforderung, an die
![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0015" n="15"/><lb/> sprechende bestimmte Mannichfaltige, heißet das <hi rendition="#b">vorgestellte Ding.</hi> Das unbestimmte Mannichfaltige uͤberhaupt aber, das in einer Verstandseinheit gedacht wird, und worauf sich eine Vorstellung als Merkmal beziehn kann, heißt bei mir <hi rendition="#b">Ding an sich.</hi> </p> <p>Das Subjekt einer Vorstellung ist nichts anders, als die zur Vorstellung <hi rendition="#b">als Vorstellung</hi> (Merkmal einer Synthesis) nothwendige <hi rendition="#b">Einheit der Apperzeption.</hi> Aber fuͤr jetzt mag dieses <choice><corr>genug</corr><sic>gneung</sic></choice> seyn.*) <note place="foot"><p>*) »Jn Ansehung der Herausforderung, an die <persName ref="#ref0128"><note type="editorial">Kant, Jmmanuel</note>Kantianer,</persName> sagt der Rezensent meines philosophischen Woͤrterbuchs (A. L. Z. 7. Jan. 1792) um nichts billiger, sind die Bedingungen des Kampfs, die Herr <persName ref="#ref0003"><note type="editorial">Maimon, Salomon</note>M.</persName> den <persName ref="#ref0128"><note type="editorial">Kant, Jmmanuel</note>Kantianern</persName> zumuthet. Ob dieses (<choice><corr>daß</corr><sic>das</sic></choice> diese nehmlich die von mir als ausgemacht aufgestellten Saͤtze zugegeben werden) in Ruͤcksicht auf die drei ersten Bedingungen seine Richtigkeit hat, haͤngt von dem Sinne ab, in welchem der Verfasser die Ausdruͤcke, <hi rendition="#b">Ding, Dinge uͤberhaupt, Objekte</hi> u.s.w. versteht.« —</p><p>Jch habe in dieser Revision schon gezeigt, daß wenn man diesen Ausdruͤcken nicht den Sinn beilegt, den ich ihnen beygelegt habe, sie alsdann gar keinen Sinn haben koͤnnen.</p><p><hi rendition="#b">Das Gesetz der Association ist ein bekanntes Prinzip, woraus sich, wie ich schon in diesem Artikel bemerkt habe, die Entstehungsart der (sogenannten) transcendentalen Begriffe erklaͤren laͤßt.</hi> »Hier haͤlt es der <persName ref="#ref0128"><note type="editorial">Kant, Jmmanuel</note>Kantianer,</persName> wenn wir uns anders an seine Stelle zu versetzen wissen, gewiß nicht laͤnger aus. Jn dem angefuͤhrten Artikel findet er keine Spur uͤber die Entstehung desjenigen, was nach seinem (des <persName ref="#ref0128"><note type="editorial">Kant, Jmmanuel</note>Kantianers)</persName> System ein transcendentaler Begriff heißt und heißen kann.«</p><p>Welche Ungerechtigkeit! Hat der Rezensent an sich in dieser ganzen Rezension nicht dasjenige gezeigt, was er mir vorwirft, nehmlich, daß er aus seiner eignen Denkungsart nicht ausgehen, und sich an die Stelle eines andern Denkers versetzen kann? Jch habe freilich in gedachtem Artikel nicht die Entstehung der <hi rendition="#b">mit Recht sogenannten</hi> transcendentalen Begriffe, <hi rendition="#i">a posteriori</hi> bewiesen, dieses waͤre ein offenbarer Widerspruch, sondern ich habe die Entstehung derjenigen Begriffe, die <hi rendition="#b">der <persName ref="#ref0128"><note type="editorial">Kant, Jmmanuel</note>Kantianer</persName></hi> fuͤr transcendental <hi rendition="#b">ausgiebt,</hi> <hi rendition="#i">a posteriori</hi> gezeigt, und dieses muß der <persName ref="#ref0128"><note type="editorial">Kant, Jmmanuel</note>Kantianer</persName> mit aller Geduld aushalten, wenn er nichts dagegen einzuwenden hat. Diese Recension sieht ohngefaͤhr so aus, als wie wenn Jemand behauptet haͤtte: es gebe keine Wunderwerke, indem er zeigte, daß alles, was dafuͤr gehalten wird, nach den allgemeinen Naturgesetzen geschiehet, und jemand daruͤber folgende Rezension schriebe: der Verfasser hat nie die Entstehungsart der Wunderwerke bewiesen, indem dasjenige dessen Entstehungsart er bewiesen hat, kein Wunderwerk ist.</p><p>Herr <persName ref="#ref0003"><note type="editorial">Maimon, Salomon</note>M.</persName> druͤckt sein Associationsgesetz folgendermaßen aus: <hi rendition="#b">wenn die Wahrnehmung der Objecte in Zeit und Raum, nach einer Regel, als zugleich existirend oder auf einander folgend, sinnlich wiederholt wird, so wird bei der Wahrnehmung des einen die Wahrnehmung des andern nach einer Regel</hi> <hi rendition="#i">a priori</hi> <hi rendition="#b">bestimmt.</hi> »Der <persName ref="#ref0128"><note type="editorial">Kant, Jmmanuel</note>Kantianer</persName> wird sich unter der Regel, durch welches das Zugleichseyn und die Folge bestimmt werden soll, entweder gar nichts, oder die drey Kathegorien der Relation denken etc.«</p><p>Hier hat mich Rezensent ganz und gar nicht verstanden. Regel uͤberhaupt ist ein Verhaͤltniß zwischen mehreren Gegenstaͤnden. Sie kann in Ansehung ihres Gebrauchs von dreyerley Arten seyn: <hi rendition="#b">1) zufaͤllig, 2) subjektiv nothwendig, 3) objektiv nothwendig.</hi> Jn allen regelmaͤßigen Gegenstaͤnden der Natur ist eine Regel von der ersten Art anzutreffen, sie koͤnnten, ohne ihr Wesen zu veraͤndern, so gut nach einer andern oder nach gar keiner (wahrzunehmenden) Regel eingerichtet seyn. Die wirkliche Regel, wonach sie eingerichtet sind, ist also ihnen bloß zufaͤllig. Die Maxime, wonach ein Mensch seine freywilligen Handlungen einrichtet, ist keine bloß zufaͤllige (ich verstehe hier nicht das Kantische Moralprinzip) Regel. Sie kann in Ansehung der subjectiven Bedingungen dieses Menschen nicht mit einer andern vertauscht, oder gaͤnzlich weggedacht werden. Sie ist aber auch nicht objektiv nothwendig, indem das Wesen der freywilligen Handlungen, den Zweck und folglich auch die sich darauf beziehende Regel unbestimmt laͤßt. Dahingegen ist diese Regel, oder dieser Satz, eine dreiseitige Figur ist auch dreiwinklicht, nothwendig, indem sie in keinen besondern Bedingungen des Subjekts, sondern im Wesen des Objekts selbst (des Dreiecks) gegruͤndet ist. Nun finden wir in uns das bekannte Gesetz der <choice><corr>Association,</corr><sic>Associaten</sic></choice> das heißt: eine bestimmte Regel, in Ansehung der Reproduktion der Einbildungskraft. Von welcher Art ist also diese Regel? Sie ist nicht bloß zufaͤllig, weil die Folge der Vorstellungen in der Reproduktion immer durch die Folge in der sinnlichen Wahrnehmung selbst bestimmt wird. Sie ist nicht objektiv nothwendig, weil die Objekte auch in einer andern Folge von ihrem Wesen nichts verlieren. Sie ist also subjektiv nothwendig, nur mit dieser besondern Bestimmung, daß das Subjektive darinn nicht wie sonst materiel (in der besondern Beschaffenheit des Subjekts gegruͤndet) sondern <choice><corr>formel</corr><sic>Formel</sic></choice> (in der wirklichen Wiederholung dieser Folge, die auch einem andern Subjekt moͤglich) ist.</p><p>Daß ich einen gewissen Menschen, in einem gewissen Garten, gesehen habe, ist bloß zufaͤllig. Daß ich ihn oͤfter darinn gesehen habe, ist eine wahrgenommene Regel, die auch zufaͤllig ist. Nun sehe ich diesen Menschen außer dem Garten, bei dieser Gelegenheit faͤllt mir immer (ohne Ruͤcksicht auf die Unterbrechung durch andere Associationsreihen, oder des Dichtungsvermoͤgens) der Garten bey. Diese Regel ist (da sie nicht in einer besondern Beschaffenheit meines Subjekts gegruͤndet ist) fuͤr jedes Subjekt, bei dem ihre Bedingungen (die oͤftere Wiederholung der Wahrnehmung) wirklich geworden sind, guͤltig. Dieses ist das bekannte Gesetz der Association, worinn sich Rezensent nicht habe finden koͤnnen, und welches ich auf folgende Art ausgedruͤckt habe: wenn die Wahrnehmung der Objekte etc.</p><p>Der <persName ref="#ref0128"><note type="editorial">Kant, Jmmanuel</note>Kantianer,</persName> sagt der Rezensent, wird sich unter der Regel, durch welche das Zugleichseyn oder die Folge bestimmt werden soll, entweder gar nichts, oder die drei Kathegorien der Relation denken.</p><p>Freilich der <persName ref="#ref0128"><note type="editorial">Kant, Jmmanuel</note>Kantianer, der so wenig Kant</persName> als irgend einen andern Selbstdenker zu verstehen faͤhig ist, und der wie ein Muͤhlpferd sich bestaͤndig um die Kathegorien herumdrehet, ohne von der Stelle zu kommen, oder wie ein schlechter Advokat uͤber die vielen Formalitaͤten den Prozeß nicht zu Ende bringen kann, kann sich dabey nichts anders denken.</p><p>Aber was gehet mich dieser <persName ref="#ref0128"><note type="editorial">Kant, Jmmanuel</note>Kantianer</persName> an. Derjenige muͤßte mit Blindheit geschlagen seyn, der nicht einsieht, daß die Regel in der Wahrnehmung, wodurch die Regel in der Reproduktion bestimmt wird, nicht die sogenannten Kathegorien, sondern die Bedingung ihres Gebrauchs ist.</p><p>Auch versteht der Rezensent nicht meine Theorie der Einbildungskraft, und dieses mit Recht, weil sie seine ganze Philosophie uͤber den Haufen wirft. Jeder Selbstdenker, der mein Woͤrterbuch selbst mit Aufmerksamkeit lesen, und sich hierinn nicht auf den Bericht des Rezensenten verlassen will, wird diese so vollstaͤndig finden, als nur irgend eine Theorie seyn kann.</p><p>Ferner heißt es: »unter diesen Umstaͤnden kann sich Rezensent freilich nicht wohl auf die naͤhere Pruͤfung der Einwuͤrfe, die der Verfasser den beiden Partheien entgegenstellt, einlassen, und es geschieht bloß zur fernern Bestaͤtigung seines gefaͤllten Urtheils, und nicht ohne Besorgniß den Herrn <persName ref="#ref0003"><note type="editorial">Maimon, Salomon</note>M.</persName> mißverstanden zu haben, wenn er hier diejenige Einwendung, die ihm noch unter allen am wenigsten unverstaͤndlich schien, anfuͤhret und aus dem Gesichtspunkt der kritischen Sceptiker beleuchtet.« </p><p>(Seite 24) <hi rendition="#b">»Was die Naturwissenschaft betrift, so kann man bloß die Formen der Jdentitaͤt und des Widerspruchs</hi> <hi rendition="#i">a priori</hi> <hi rendition="#b">von den Gegenstaͤnden</hi> <hi rendition="#i">a posteriori,</hi> <hi rendition="#b">weil sie von allen Gegenstaͤnden uͤberhaupt gelten, gebrauchen, sie haben also schon vor dem wirklichen Denken der Objekte unter demselben ihre Realitaͤt.«</hi></p><p>»Wenn man unter Realitaͤt das verstehet, was in der Kritik der reinen Vernunft objektive Realitaͤt, Beziehung auf Objekte außerhalb der Vorstellung heißt, so haben die Begriffe der Jdentitaͤt und des Widerspruchs, die urspruͤnglich bloß in der Form des Denkens gegruͤndet sind, so wenig als irgend eine andere logische Form eine andere Realitaͤt, als welche sie vermittelst der sinnlichen Anschauungen erhalten koͤnnen.«</p><p>Mein Herr Rezensent, Sie haben sich geirret, ich verstehe nicht die objektive Realitaͤt, das heißt, diejenige, die ihnen in Beziehung auf reelle (sinnliche) Objekte, sondern diejenige, die ihnen an und fuͤr sich zukommt, und wodurch sie als Formen etwas und nicht nichts sind. Sie wissen, daß ich die Berufung auf die allgemeine Logik in Aufzehlung der urspruͤnglichen Formen des Denkens, als ein wahrer kritischer Sceptiker, verdaͤchtig mache. Die Form der hypothetischen Saͤtze, z.E. ist bei mir keine Verstandsform, sondern Produkt der transcendenten Einbildungskraft, wodurch das, was bestaͤndig ist, fuͤr nothwendig gehalten wird. Zur Darstellung der Formen der Jdentitaͤt und des Widerspruchs ist jeder Gegenstand ohne Unterschied hinlaͤnglich. Die sogenannten Kathegorien hingegen koͤnnen gar nicht dargestellt werden. Jhr sagt mir, die Darstellung der Kathegorie von Ursach werde ich uͤberall finden, wo Objekte nach einer Regel in der Zeit nothwendig auf einander folgen. Gut! aber ich finde diese nirgends. Daß auf der Gegenwart des Feuers, zum Beispiel, bestaͤndig das Schmelzen des Wachses folgt, ist nicht nothwendig, (in dem Sinne, in welchem ein Dreieck nothwendig drei Winkel hat) d.. es ist bloß subjektiv (unter Voraussetzung der bestaͤndigen Wiederholung der Wahrnehmung dieser Folge) nicht aber objektiv (von keinen subjektiven Bedingungen abhaͤngend) nothwendig.</p><p>Fragt Jhr ferner: woher ich gar zu dem Begrif der objektiven Nothwendigkeit gelangt bin, da er, mir zufolge, in der Erfahrung nirgend anzutreffen ist? so antworte ich: diese objektive Nothwendigkeit ist mir aus den Saͤtzen der Mathematik bekannt, die Jhr faͤlschlich auf die Gegenstaͤnde der Erfahrung uͤbertragt. Zur Darstellung des Satzes der Jdentitaͤt und des Widerspruchs hingegen, gehoͤren gar keine subjektive Bedingungen. Diese Saͤtze sind daher, so wie alle andere, die von keiner subjektiven Bedingung abhaͤngen, objektiv nothwendig.</p><p>Damit faͤllt auch das ganze folgende Raͤsonnement des Rezensenten auf einmal uͤber den Haufen. Am Schlusse dieser Rezension schlaͤgt er sogar den Weg ein, sich hieruͤber an mich selbst zu adressiren. O! ungluͤcklicher koͤnnt' er sich nicht adressirt haben. »Jn Ruͤcksicht, heißt es, auf den Erweiß der Thatsache, daß die Kathegorien in der Erfahrung wirklich gebraucht werden, duͤrfte der <persName ref="#ref0128"><note type="editorial">Kant, Jmmanuel</note>Kantianer</persName> Herrn <persName ref="#ref0003"><note type="editorial">Maimon, Salomon</note>M.</persName> auf dessen eigene Erfahrung verweisen.«</p><p>So! auf meine eigene Erfahrung soll mich der <persName ref="#ref0128"><note type="editorial">Kant, Jmmanuel</note>Kantianer verweisen, aber auf welche? in dem Sinne, den der Kantianer</persName> dem Begrif von Erfahrung beilegt, habe ich keine Erfahrung.</p></note></p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [15/0015]
sprechende bestimmte Mannichfaltige, heißet das vorgestellte Ding. Das unbestimmte Mannichfaltige uͤberhaupt aber, das in einer Verstandseinheit gedacht wird, und worauf sich eine Vorstellung als Merkmal beziehn kann, heißt bei mir Ding an sich.
Das Subjekt einer Vorstellung ist nichts anders, als die zur Vorstellung als Vorstellung (Merkmal einer Synthesis) nothwendige Einheit der Apperzeption. Aber fuͤr jetzt mag dieses genug seyn.*)
*) »Jn Ansehung der Herausforderung, an die Kantianer, sagt der Rezensent meines philosophischen Woͤrterbuchs (A. L. Z. 7. Jan. 1792) um nichts billiger, sind die Bedingungen des Kampfs, die Herr M. den Kantianern zumuthet. Ob dieses (daß diese nehmlich die von mir als ausgemacht aufgestellten Saͤtze zugegeben werden) in Ruͤcksicht auf die drei ersten Bedingungen seine Richtigkeit hat, haͤngt von dem Sinne ab, in welchem der Verfasser die Ausdruͤcke, Ding, Dinge uͤberhaupt, Objekte u.s.w. versteht.« —
Jch habe in dieser Revision schon gezeigt, daß wenn man diesen Ausdruͤcken nicht den Sinn beilegt, den ich ihnen beygelegt habe, sie alsdann gar keinen Sinn haben koͤnnen.
Das Gesetz der Association ist ein bekanntes Prinzip, woraus sich, wie ich schon in diesem Artikel bemerkt habe, die Entstehungsart der (sogenannten) transcendentalen Begriffe erklaͤren laͤßt. »Hier haͤlt es der Kantianer, wenn wir uns anders an seine Stelle zu versetzen wissen, gewiß nicht laͤnger aus. Jn dem angefuͤhrten Artikel findet er keine Spur uͤber die Entstehung desjenigen, was nach seinem (des Kantianers) System ein transcendentaler Begriff heißt und heißen kann.«
Welche Ungerechtigkeit! Hat der Rezensent an sich in dieser ganzen Rezension nicht dasjenige gezeigt, was er mir vorwirft, nehmlich, daß er aus seiner eignen Denkungsart nicht ausgehen, und sich an die Stelle eines andern Denkers versetzen kann? Jch habe freilich in gedachtem Artikel nicht die Entstehung der mit Recht sogenannten transcendentalen Begriffe, a posteriori bewiesen, dieses waͤre ein offenbarer Widerspruch, sondern ich habe die Entstehung derjenigen Begriffe, die der Kantianer fuͤr transcendental ausgiebt, a posteriori gezeigt, und dieses muß der Kantianer mit aller Geduld aushalten, wenn er nichts dagegen einzuwenden hat. Diese Recension sieht ohngefaͤhr so aus, als wie wenn Jemand behauptet haͤtte: es gebe keine Wunderwerke, indem er zeigte, daß alles, was dafuͤr gehalten wird, nach den allgemeinen Naturgesetzen geschiehet, und jemand daruͤber folgende Rezension schriebe: der Verfasser hat nie die Entstehungsart der Wunderwerke bewiesen, indem dasjenige dessen Entstehungsart er bewiesen hat, kein Wunderwerk ist.
Herr M. druͤckt sein Associationsgesetz folgendermaßen aus: wenn die Wahrnehmung der Objecte in Zeit und Raum, nach einer Regel, als zugleich existirend oder auf einander folgend, sinnlich wiederholt wird, so wird bei der Wahrnehmung des einen die Wahrnehmung des andern nach einer Regel a priori bestimmt. »Der Kantianer wird sich unter der Regel, durch welches das Zugleichseyn und die Folge bestimmt werden soll, entweder gar nichts, oder die drey Kathegorien der Relation denken etc.«
Hier hat mich Rezensent ganz und gar nicht verstanden. Regel uͤberhaupt ist ein Verhaͤltniß zwischen mehreren Gegenstaͤnden. Sie kann in Ansehung ihres Gebrauchs von dreyerley Arten seyn: 1) zufaͤllig, 2) subjektiv nothwendig, 3) objektiv nothwendig. Jn allen regelmaͤßigen Gegenstaͤnden der Natur ist eine Regel von der ersten Art anzutreffen, sie koͤnnten, ohne ihr Wesen zu veraͤndern, so gut nach einer andern oder nach gar keiner (wahrzunehmenden) Regel eingerichtet seyn. Die wirkliche Regel, wonach sie eingerichtet sind, ist also ihnen bloß zufaͤllig. Die Maxime, wonach ein Mensch seine freywilligen Handlungen einrichtet, ist keine bloß zufaͤllige (ich verstehe hier nicht das Kantische Moralprinzip) Regel. Sie kann in Ansehung der subjectiven Bedingungen dieses Menschen nicht mit einer andern vertauscht, oder gaͤnzlich weggedacht werden. Sie ist aber auch nicht objektiv nothwendig, indem das Wesen der freywilligen Handlungen, den Zweck und folglich auch die sich darauf beziehende Regel unbestimmt laͤßt. Dahingegen ist diese Regel, oder dieser Satz, eine dreiseitige Figur ist auch dreiwinklicht, nothwendig, indem sie in keinen besondern Bedingungen des Subjekts, sondern im Wesen des Objekts selbst (des Dreiecks) gegruͤndet ist. Nun finden wir in uns das bekannte Gesetz der Association, das heißt: eine bestimmte Regel, in Ansehung der Reproduktion der Einbildungskraft. Von welcher Art ist also diese Regel? Sie ist nicht bloß zufaͤllig, weil die Folge der Vorstellungen in der Reproduktion immer durch die Folge in der sinnlichen Wahrnehmung selbst bestimmt wird. Sie ist nicht objektiv nothwendig, weil die Objekte auch in einer andern Folge von ihrem Wesen nichts verlieren. Sie ist also subjektiv nothwendig, nur mit dieser besondern Bestimmung, daß das Subjektive darinn nicht wie sonst materiel (in der besondern Beschaffenheit des Subjekts gegruͤndet) sondern formel (in der wirklichen Wiederholung dieser Folge, die auch einem andern Subjekt moͤglich) ist.
Daß ich einen gewissen Menschen, in einem gewissen Garten, gesehen habe, ist bloß zufaͤllig. Daß ich ihn oͤfter darinn gesehen habe, ist eine wahrgenommene Regel, die auch zufaͤllig ist. Nun sehe ich diesen Menschen außer dem Garten, bei dieser Gelegenheit faͤllt mir immer (ohne Ruͤcksicht auf die Unterbrechung durch andere Associationsreihen, oder des Dichtungsvermoͤgens) der Garten bey. Diese Regel ist (da sie nicht in einer besondern Beschaffenheit meines Subjekts gegruͤndet ist) fuͤr jedes Subjekt, bei dem ihre Bedingungen (die oͤftere Wiederholung der Wahrnehmung) wirklich geworden sind, guͤltig. Dieses ist das bekannte Gesetz der Association, worinn sich Rezensent nicht habe finden koͤnnen, und welches ich auf folgende Art ausgedruͤckt habe: wenn die Wahrnehmung der Objekte etc.
Der Kantianer, sagt der Rezensent, wird sich unter der Regel, durch welche das Zugleichseyn oder die Folge bestimmt werden soll, entweder gar nichts, oder die drei Kathegorien der Relation denken.
Freilich der Kantianer, der so wenig Kant als irgend einen andern Selbstdenker zu verstehen faͤhig ist, und der wie ein Muͤhlpferd sich bestaͤndig um die Kathegorien herumdrehet, ohne von der Stelle zu kommen, oder wie ein schlechter Advokat uͤber die vielen Formalitaͤten den Prozeß nicht zu Ende bringen kann, kann sich dabey nichts anders denken.
Aber was gehet mich dieser Kantianer an. Derjenige muͤßte mit Blindheit geschlagen seyn, der nicht einsieht, daß die Regel in der Wahrnehmung, wodurch die Regel in der Reproduktion bestimmt wird, nicht die sogenannten Kathegorien, sondern die Bedingung ihres Gebrauchs ist.
Auch versteht der Rezensent nicht meine Theorie der Einbildungskraft, und dieses mit Recht, weil sie seine ganze Philosophie uͤber den Haufen wirft. Jeder Selbstdenker, der mein Woͤrterbuch selbst mit Aufmerksamkeit lesen, und sich hierinn nicht auf den Bericht des Rezensenten verlassen will, wird diese so vollstaͤndig finden, als nur irgend eine Theorie seyn kann.
Ferner heißt es: »unter diesen Umstaͤnden kann sich Rezensent freilich nicht wohl auf die naͤhere Pruͤfung der Einwuͤrfe, die der Verfasser den beiden Partheien entgegenstellt, einlassen, und es geschieht bloß zur fernern Bestaͤtigung seines gefaͤllten Urtheils, und nicht ohne Besorgniß den Herrn M. mißverstanden zu haben, wenn er hier diejenige Einwendung, die ihm noch unter allen am wenigsten unverstaͤndlich schien, anfuͤhret und aus dem Gesichtspunkt der kritischen Sceptiker beleuchtet.«
(Seite 24) »Was die Naturwissenschaft betrift, so kann man bloß die Formen der Jdentitaͤt und des Widerspruchs a priori von den Gegenstaͤnden a posteriori, weil sie von allen Gegenstaͤnden uͤberhaupt gelten, gebrauchen, sie haben also schon vor dem wirklichen Denken der Objekte unter demselben ihre Realitaͤt.«
»Wenn man unter Realitaͤt das verstehet, was in der Kritik der reinen Vernunft objektive Realitaͤt, Beziehung auf Objekte außerhalb der Vorstellung heißt, so haben die Begriffe der Jdentitaͤt und des Widerspruchs, die urspruͤnglich bloß in der Form des Denkens gegruͤndet sind, so wenig als irgend eine andere logische Form eine andere Realitaͤt, als welche sie vermittelst der sinnlichen Anschauungen erhalten koͤnnen.«
Mein Herr Rezensent, Sie haben sich geirret, ich verstehe nicht die objektive Realitaͤt, das heißt, diejenige, die ihnen in Beziehung auf reelle (sinnliche) Objekte, sondern diejenige, die ihnen an und fuͤr sich zukommt, und wodurch sie als Formen etwas und nicht nichts sind. Sie wissen, daß ich die Berufung auf die allgemeine Logik in Aufzehlung der urspruͤnglichen Formen des Denkens, als ein wahrer kritischer Sceptiker, verdaͤchtig mache. Die Form der hypothetischen Saͤtze, z.E. ist bei mir keine Verstandsform, sondern Produkt der transcendenten Einbildungskraft, wodurch das, was bestaͤndig ist, fuͤr nothwendig gehalten wird. Zur Darstellung der Formen der Jdentitaͤt und des Widerspruchs ist jeder Gegenstand ohne Unterschied hinlaͤnglich. Die sogenannten Kathegorien hingegen koͤnnen gar nicht dargestellt werden. Jhr sagt mir, die Darstellung der Kathegorie von Ursach werde ich uͤberall finden, wo Objekte nach einer Regel in der Zeit nothwendig auf einander folgen. Gut! aber ich finde diese nirgends. Daß auf der Gegenwart des Feuers, zum Beispiel, bestaͤndig das Schmelzen des Wachses folgt, ist nicht nothwendig, (in dem Sinne, in welchem ein Dreieck nothwendig drei Winkel hat) d.. es ist bloß subjektiv (unter Voraussetzung der bestaͤndigen Wiederholung der Wahrnehmung dieser Folge) nicht aber objektiv (von keinen subjektiven Bedingungen abhaͤngend) nothwendig.
Fragt Jhr ferner: woher ich gar zu dem Begrif der objektiven Nothwendigkeit gelangt bin, da er, mir zufolge, in der Erfahrung nirgend anzutreffen ist? so antworte ich: diese objektive Nothwendigkeit ist mir aus den Saͤtzen der Mathematik bekannt, die Jhr faͤlschlich auf die Gegenstaͤnde der Erfahrung uͤbertragt. Zur Darstellung des Satzes der Jdentitaͤt und des Widerspruchs hingegen, gehoͤren gar keine subjektive Bedingungen. Diese Saͤtze sind daher, so wie alle andere, die von keiner subjektiven Bedingung abhaͤngen, objektiv nothwendig.
Damit faͤllt auch das ganze folgende Raͤsonnement des Rezensenten auf einmal uͤber den Haufen. Am Schlusse dieser Rezension schlaͤgt er sogar den Weg ein, sich hieruͤber an mich selbst zu adressiren. O! ungluͤcklicher koͤnnt' er sich nicht adressirt haben. »Jn Ruͤcksicht, heißt es, auf den Erweiß der Thatsache, daß die Kathegorien in der Erfahrung wirklich gebraucht werden, duͤrfte der Kantianer Herrn M. auf dessen eigene Erfahrung verweisen.«
So! auf meine eigene Erfahrung soll mich der Kantianer verweisen, aber auf welche? in dem Sinne, den der Kantianer dem Begrif von Erfahrung beilegt, habe ich keine Erfahrung.
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0903_1792/15>, abgerufen am 16.02.2025. |