Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792.So sehr ich nun durch Jhre Erklärung der Träume und des Nachtwandeln mit verschiedenen Erscheinungen in der Psychologie fertig werde; so unmöglich ist es mir, meine obenerzählte Erscheinung, mir dadurch gänzlich zu erklären, wenn ich sie nicht als eine Geburt des Ungefährs oder Zufalls betrachten solle. Denn zugegeben, daß die Vollständigkeit der Associationsreihe bei solchen Erscheinungen weit mehr ist, als im wachenden Zustande; daß auch die Einbildungskraft viel geschwinder und schneller von einer Vorstellung zu der Andern übergeht, so bleibt doch immer hier noch die Frage: Woher und wodurch entstand in meiner Associationsreihe die Jdee des Feuers, da ich doch den ganzen Tag vorher nicht an Feuer dachte? Setzen Sie mir nicht den Nachtwandler entgegen, der, wie Sie in Jhrem Aufsatze erzählen, in seinem Paroxismo auf neue Erfindungen gerathen, so daß der Dümste auf einmal ein witziger Kopf und der Feigste ein Held werden kann. Denn diejenigen Erfindungen, auf welche er geräth, können, und wahrscheinlich sind sie auch schon vorher in seiner Associationsreihe gewesen, so daß die Einbildungskraft hier nichts weiter zu thun hat, als diese Jdee hervorzusuchen, aber wenn diese Jdee noch gar nicht in meiner Associationsreihe existirt hätte, woher soll nun die Einbildungskraft grade auf diese Jdee kommen? Und warum just auf eine solche Vorstellung, die sich wirklich nachher zuträgt? ja So sehr ich nun durch Jhre Erklaͤrung der Traͤume und des Nachtwandeln mit verschiedenen Erscheinungen in der Psychologie fertig werde; so unmoͤglich ist es mir, meine obenerzaͤhlte Erscheinung, mir dadurch gaͤnzlich zu erklaͤren, wenn ich sie nicht als eine Geburt des Ungefaͤhrs oder Zufalls betrachten solle. Denn zugegeben, daß die Vollstaͤndigkeit der Associationsreihe bei solchen Erscheinungen weit mehr ist, als im wachenden Zustande; daß auch die Einbildungskraft viel geschwinder und schneller von einer Vorstellung zu der Andern uͤbergeht, so bleibt doch immer hier noch die Frage: Woher und wodurch entstand in meiner Associationsreihe die Jdee des Feuers, da ich doch den ganzen Tag vorher nicht an Feuer dachte? Setzen Sie mir nicht den Nachtwandler entgegen, der, wie Sie in Jhrem Aufsatze erzaͤhlen, in seinem Paroxismo auf neue Erfindungen gerathen, so daß der Duͤmste auf einmal ein witziger Kopf und der Feigste ein Held werden kann. Denn diejenigen Erfindungen, auf welche er geraͤth, koͤnnen, und wahrscheinlich sind sie auch schon vorher in seiner Associationsreihe gewesen, so daß die Einbildungskraft hier nichts weiter zu thun hat, als diese Jdee hervorzusuchen, aber wenn diese Jdee noch gar nicht in meiner Associationsreihe existirt haͤtte, woher soll nun die Einbildungskraft grade auf diese Jdee kommen? Und warum just auf eine solche Vorstellung, die sich wirklich nachher zutraͤgt? ja <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0110" n="110"/><lb/> <p>So sehr ich nun durch Jhre Erklaͤrung der Traͤume und des Nachtwandeln mit verschiedenen Erscheinungen in der Psychologie fertig werde; so unmoͤglich ist es mir, meine obenerzaͤhlte Erscheinung, mir dadurch gaͤnzlich zu erklaͤren, wenn ich sie nicht <hi rendition="#b">als eine Geburt des Ungefaͤhrs oder Zufalls</hi> betrachten solle. Denn zugegeben, daß die Vollstaͤndigkeit der Associationsreihe bei solchen Erscheinungen weit mehr ist, als im wachenden Zustande; daß auch die Einbildungskraft viel geschwinder und schneller von einer Vorstellung zu der Andern uͤbergeht, so bleibt doch immer hier noch die Frage: Woher und wodurch entstand in meiner Associationsreihe die Jdee des Feuers, da ich doch den ganzen Tag vorher nicht an Feuer dachte? Setzen Sie mir nicht den Nachtwandler entgegen, der, wie Sie in Jhrem Aufsatze erzaͤhlen, in seinem <choice><corr>Paroxismo</corr><sic>Paraxisme</sic></choice> auf neue Erfindungen gerathen, so daß der Duͤmste auf einmal ein witziger Kopf und der Feigste ein Held werden kann. Denn diejenigen Erfindungen, auf welche er geraͤth, koͤnnen, und wahrscheinlich sind sie auch schon vorher in seiner Associationsreihe gewesen, so daß die Einbildungskraft hier nichts weiter zu thun hat, als diese Jdee <hi rendition="#b">hervorzusuchen,</hi> aber wenn diese Jdee noch gar nicht in meiner Associationsreihe existirt haͤtte, woher soll nun die Einbildungskraft grade auf <hi rendition="#b">diese</hi> Jdee kommen? Und warum just auf eine solche Vorstellung, die sich wirklich nachher zutraͤgt? ja<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [110/0110]
So sehr ich nun durch Jhre Erklaͤrung der Traͤume und des Nachtwandeln mit verschiedenen Erscheinungen in der Psychologie fertig werde; so unmoͤglich ist es mir, meine obenerzaͤhlte Erscheinung, mir dadurch gaͤnzlich zu erklaͤren, wenn ich sie nicht als eine Geburt des Ungefaͤhrs oder Zufalls betrachten solle. Denn zugegeben, daß die Vollstaͤndigkeit der Associationsreihe bei solchen Erscheinungen weit mehr ist, als im wachenden Zustande; daß auch die Einbildungskraft viel geschwinder und schneller von einer Vorstellung zu der Andern uͤbergeht, so bleibt doch immer hier noch die Frage: Woher und wodurch entstand in meiner Associationsreihe die Jdee des Feuers, da ich doch den ganzen Tag vorher nicht an Feuer dachte? Setzen Sie mir nicht den Nachtwandler entgegen, der, wie Sie in Jhrem Aufsatze erzaͤhlen, in seinem Paroxismo auf neue Erfindungen gerathen, so daß der Duͤmste auf einmal ein witziger Kopf und der Feigste ein Held werden kann. Denn diejenigen Erfindungen, auf welche er geraͤth, koͤnnen, und wahrscheinlich sind sie auch schon vorher in seiner Associationsreihe gewesen, so daß die Einbildungskraft hier nichts weiter zu thun hat, als diese Jdee hervorzusuchen, aber wenn diese Jdee noch gar nicht in meiner Associationsreihe existirt haͤtte, woher soll nun die Einbildungskraft grade auf diese Jdee kommen? Und warum just auf eine solche Vorstellung, die sich wirklich nachher zutraͤgt? ja
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0903_1792/110>, abgerufen am 16.08.2024. |