Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792.Jhre Freunde sind auch die Meinigen! doch gebe ich hierin dem Ersten den Vorzug; indem, wie ich dafür halte, der Zweite, wenn er sich verständlich machen will, dieses nur durch das System des Ersten bewerkstelligen kann. -- Unsere Geistesverwandschaft ist freilich die Folge einer harmonia praestabilita; aber in einem ganz eignen Sinn. Jch halte nehmlich dafür, daß die Menschen nur in Ansehung der sogenannten untern, nicht aber in Ansehung der obern Seelenkräfte, für sich bestehende Wesen sind. Jemehr also die Ersten den Letzten unterworfen, und durch dieselben bestimmt werden, desto größer muß auch diese Geistesverwandschaft werden. Diese Harmonie zwischen den Jndividuis ist also durch das ihnen gemeinschaftliche Spezifische schon vorher bestimmt. Die Kohäsion der Geister beruht auf eben denselben Gesetzen, als die Kohäsion der Körper. Der Grad dieser Kohäsion hängt von der Anzahl der Berührungspunkte, und diese, von der Figur der Körper, ab. Kugeln, deren jede ein eigenes Zentrum hat, wornach alle ihre Theile gerichtet sind, können sich nur in einem Punkte berühren; zwischen ihnen findet also der kleinste Grad der Kohäsion statt. Je größer die Flächen sind, destomehr sind die Berührungspunkte, und desto stärker ist auch die Kohäsion; d.h. jemehr ein Körper ein Jhre Freunde sind auch die Meinigen! doch gebe ich hierin dem Ersten den Vorzug; indem, wie ich dafuͤr halte, der Zweite, wenn er sich verstaͤndlich machen will, dieses nur durch das System des Ersten bewerkstelligen kann. — Unsere Geistesverwandschaft ist freilich die Folge einer harmonia præstabilita; aber in einem ganz eignen Sinn. Jch halte nehmlich dafuͤr, daß die Menschen nur in Ansehung der sogenannten untern, nicht aber in Ansehung der obern Seelenkraͤfte, fuͤr sich bestehende Wesen sind. Jemehr also die Ersten den Letzten unterworfen, und durch dieselben bestimmt werden, desto groͤßer muß auch diese Geistesverwandschaft werden. Diese Harmonie zwischen den Jndividuis ist also durch das ihnen gemeinschaftliche Spezifische schon vorher bestimmt. Die Kohaͤsion der Geister beruht auf eben denselben Gesetzen, als die Kohaͤsion der Koͤrper. Der Grad dieser Kohaͤsion haͤngt von der Anzahl der Beruͤhrungspunkte, und diese, von der Figur der Koͤrper, ab. Kugeln, deren jede ein eigenes Zentrum hat, wornach alle ihre Theile gerichtet sind, koͤnnen sich nur in einem Punkte beruͤhren; zwischen ihnen findet also der kleinste Grad der Kohaͤsion statt. Je groͤßer die Flaͤchen sind, destomehr sind die Beruͤhrungspunkte, und desto staͤrker ist auch die Kohaͤsion; d.h. jemehr ein Koͤrper ein <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div type="letter" n="3"> <pb facs="#f0101" n="101"/><lb/> <p>Jhre Freunde sind auch die Meinigen! doch gebe ich hierin dem <hi rendition="#b">Ersten </hi> den Vorzug; indem, wie ich dafuͤr halte, der <hi rendition="#b">Zweite,</hi> wenn er sich verstaͤndlich machen will, dieses nur durch das System des Ersten bewerkstelligen kann. — </p> <p>Unsere <hi rendition="#b">Geistesverwandschaft</hi> ist freilich die Folge einer <hi rendition="#i">harmonia præstabilita;</hi> aber in einem ganz eignen Sinn. Jch halte nehmlich dafuͤr, daß die Menschen nur in Ansehung der sogenannten <hi rendition="#b">untern,</hi> nicht aber in Ansehung der <hi rendition="#b">obern</hi> Seelenkraͤfte, fuͤr sich bestehende Wesen sind. Jemehr also die Ersten den Letzten unterworfen, und durch dieselben bestimmt werden, desto groͤßer muß auch diese <hi rendition="#b">Geistesverwandschaft</hi> werden. Diese Harmonie zwischen den Jndividuis ist also durch das ihnen <hi rendition="#b">gemeinschaftliche Spezifische</hi> schon vorher bestimmt. </p> <p>Die <hi rendition="#b">Kohaͤsion der Geister</hi> beruht auf eben denselben Gesetzen, als die <hi rendition="#b">Kohaͤsion der Koͤrper.</hi> Der Grad <hi rendition="#b">dieser Kohaͤsion</hi> haͤngt von der Anzahl der Beruͤhrungspunkte, und diese, von der Figur der Koͤrper, ab. Kugeln, deren jede ein eigenes Zentrum hat, wornach alle ihre Theile gerichtet sind, koͤnnen sich nur in einem Punkte beruͤhren; zwischen ihnen findet also der kleinste Grad der Kohaͤsion statt. Je groͤßer die Flaͤchen sind, destomehr sind die Beruͤhrungspunkte, und desto staͤrker ist auch die Kohaͤsion; d.h. jemehr ein Koͤrper ein<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [101/0101]
Jhre Freunde sind auch die Meinigen! doch gebe ich hierin dem Ersten den Vorzug; indem, wie ich dafuͤr halte, der Zweite, wenn er sich verstaͤndlich machen will, dieses nur durch das System des Ersten bewerkstelligen kann. —
Unsere Geistesverwandschaft ist freilich die Folge einer harmonia præstabilita; aber in einem ganz eignen Sinn. Jch halte nehmlich dafuͤr, daß die Menschen nur in Ansehung der sogenannten untern, nicht aber in Ansehung der obern Seelenkraͤfte, fuͤr sich bestehende Wesen sind. Jemehr also die Ersten den Letzten unterworfen, und durch dieselben bestimmt werden, desto groͤßer muß auch diese Geistesverwandschaft werden. Diese Harmonie zwischen den Jndividuis ist also durch das ihnen gemeinschaftliche Spezifische schon vorher bestimmt.
Die Kohaͤsion der Geister beruht auf eben denselben Gesetzen, als die Kohaͤsion der Koͤrper. Der Grad dieser Kohaͤsion haͤngt von der Anzahl der Beruͤhrungspunkte, und diese, von der Figur der Koͤrper, ab. Kugeln, deren jede ein eigenes Zentrum hat, wornach alle ihre Theile gerichtet sind, koͤnnen sich nur in einem Punkte beruͤhren; zwischen ihnen findet also der kleinste Grad der Kohaͤsion statt. Je groͤßer die Flaͤchen sind, destomehr sind die Beruͤhrungspunkte, und desto staͤrker ist auch die Kohaͤsion; d.h. jemehr ein Koͤrper ein
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0903_1792/101>, abgerufen am 15.08.2024. |