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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 2. Berlin, 1792.

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der Art ihrer Ausübung der Religion, aber doch gieng die Animosität beider Partheien so weit, daß sie sich einander für Ketzer verschrieen, und wechselseitig verfolgten. Anfangs behielt die neue Sekte die Oberhand, und breitete sich beinahe in ganz Polen und auch außerhalb aus. Jhre Häupter schickten ordentlich Emissarien überall herum, die die neue Lehre predigen und ihr Anhänger verschaffen sollten, und da der größte Theil der Polnischen Juden aus ihren Gelehrten, d.h. aus Menschen, die dem Müßiggange und der kontemplativen Lebensart ergeben sind, besteht (jeder Polnische Jude wird von Geburt an zum Rabbiner bestimmt, und nur die größte Unfähigkeit dazu kann ihn von diesem Stande ausschließen), und diese neue Lehre außerdem den Weg zur Seeligkeit erleichtern sollte, indem sie das Fasten, das Nachtwachen, und beständiges Studium des Talmuds nicht nur für unnütz, sondern sogar für die zur ächten Frömmigkeit nöthige Heiterkeit des Gemüths als schädlich ausgab, so war es natürlich, daß ihre Anhänger sich in einer kurzen Zeit weit ausbreiteten.

Man wallfahrtete nach K. M. und andern heiligen Oertern, wo sich die erleuchteten Obern dieser Sekte aufhielten. Junge Leute verließen ihre Aeltern, Frauen und Kinder, und giengen schaarenweise, diese hohen Obern aufzusuchen, und die neue Lehre aus ihrem Munde zu hören.



der Art ihrer Ausuͤbung der Religion, aber doch gieng die Animositaͤt beider Partheien so weit, daß sie sich einander fuͤr Ketzer verschrieen, und wechselseitig verfolgten. Anfangs behielt die neue Sekte die Oberhand, und breitete sich beinahe in ganz Polen und auch außerhalb aus. Jhre Haͤupter schickten ordentlich Emissarien uͤberall herum, die die neue Lehre predigen und ihr Anhaͤnger verschaffen sollten, und da der groͤßte Theil der Polnischen Juden aus ihren Gelehrten, d.h. aus Menschen, die dem Muͤßiggange und der kontemplativen Lebensart ergeben sind, besteht (jeder Polnische Jude wird von Geburt an zum Rabbiner bestimmt, und nur die groͤßte Unfaͤhigkeit dazu kann ihn von diesem Stande ausschließen), und diese neue Lehre außerdem den Weg zur Seeligkeit erleichtern sollte, indem sie das Fasten, das Nachtwachen, und bestaͤndiges Studium des Talmuds nicht nur fuͤr unnuͤtz, sondern sogar fuͤr die zur aͤchten Froͤmmigkeit noͤthige Heiterkeit des Gemuͤths als schaͤdlich ausgab, so war es natuͤrlich, daß ihre Anhaͤnger sich in einer kurzen Zeit weit ausbreiteten.

Man wallfahrtete nach K. M. und andern heiligen Oertern, wo sich die erleuchteten Obern dieser Sekte aufhielten. Junge Leute verließen ihre Aeltern, Frauen und Kinder, und giengen schaarenweise, diese hohen Obern aufzusuchen, und die neue Lehre aus ihrem Munde zu hoͤren.


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[63/0063] der Art ihrer Ausuͤbung der Religion, aber doch gieng die Animositaͤt beider Partheien so weit, daß sie sich einander fuͤr Ketzer verschrieen, und wechselseitig verfolgten. Anfangs behielt die neue Sekte die Oberhand, und breitete sich beinahe in ganz Polen und auch außerhalb aus. Jhre Haͤupter schickten ordentlich Emissarien uͤberall herum, die die neue Lehre predigen und ihr Anhaͤnger verschaffen sollten, und da der groͤßte Theil der Polnischen Juden aus ihren Gelehrten, d.h. aus Menschen, die dem Muͤßiggange und der kontemplativen Lebensart ergeben sind, besteht (jeder Polnische Jude wird von Geburt an zum Rabbiner bestimmt, und nur die groͤßte Unfaͤhigkeit dazu kann ihn von diesem Stande ausschließen), und diese neue Lehre außerdem den Weg zur Seeligkeit erleichtern sollte, indem sie das Fasten, das Nachtwachen, und bestaͤndiges Studium des Talmuds nicht nur fuͤr unnuͤtz, sondern sogar fuͤr die zur aͤchten Froͤmmigkeit noͤthige Heiterkeit des Gemuͤths als schaͤdlich ausgab, so war es natuͤrlich, daß ihre Anhaͤnger sich in einer kurzen Zeit weit ausbreiteten. Man wallfahrtete nach K. M. und andern heiligen Oertern, wo sich die erleuchteten Obern dieser Sekte aufhielten. Junge Leute verließen ihre Aeltern, Frauen und Kinder, und giengen schaarenweise, diese hohen Obern aufzusuchen, und die neue Lehre aus ihrem Munde zu hoͤren.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 2. Berlin, 1792, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0902_1792/63>, abgerufen am 23.11.2024.