Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 2. Berlin, 1792.
"Und wohl mir, daß ich das kann; daß die Thüre offen steht und ich gehen kann, wenn ich will. Dadurch bin ich im Stande, meine Pflichten einigermaßen gegen meine Familie und den Staat zu erfüllen. Jch arbeite für jene aus allen Kräften, und befreie diesen am Ende von einem ungesunden Gliede durch meinen Tod." Er hielt Wort. Jm Jahre -- wurden die Befehle wegen des Schleichhandels erneuert und geschärft. H. hatte einen großen Transport Waaren von der -- Messe zu erwarten, die alle für fremd erkannt werden mußten, sobald eine genaue Nachsuchung angestellt würde. Werden sie dafür erkannt werden, so ist der Verlust der Waaren und die Erlegung einer schweren Geldsumme oder Festungsstrafe das Schicksal, das ihm bevorsteht. Er erwartete es mit der Geduld eines Mannes, der nichts zu verlieren, und auf alle Fälle einen Ausweg hat, der nicht fehlen kann. Die Zeit, die zwischen der Nachricht von der Absendung der Waaren und ihrer Ankunft verfloß,
»Und wohl mir, daß ich das kann; daß die Thuͤre offen steht und ich gehen kann, wenn ich will. Dadurch bin ich im Stande, meine Pflichten einigermaßen gegen meine Familie und den Staat zu erfuͤllen. Jch arbeite fuͤr jene aus allen Kraͤften, und befreie diesen am Ende von einem ungesunden Gliede durch meinen Tod.« Er hielt Wort. Jm Jahre — wurden die Befehle wegen des Schleichhandels erneuert und geschaͤrft. H. hatte einen großen Transport Waaren von der — Messe zu erwarten, die alle fuͤr fremd erkannt werden mußten, sobald eine genaue Nachsuchung angestellt wuͤrde. Werden sie dafuͤr erkannt werden, so ist der Verlust der Waaren und die Erlegung einer schweren Geldsumme oder Festungsstrafe das Schicksal, das ihm bevorsteht. Er erwartete es mit der Geduld eines Mannes, der nichts zu verlieren, und auf alle Faͤlle einen Ausweg hat, der nicht fehlen kann. Die Zeit, die zwischen der Nachricht von der Absendung der Waaren und ihrer Ankunft verfloß, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0006" n="6"/><lb/> haben. Nur der Gedanke, daß ich meine arme, huͤlflose Familie durch meinen Tod ungluͤcklich machen werde, haͤlt mich noch im Leben zuruͤck. Aber sobald ich entdeckt werde, sobald durch die Festungsstrafe, die auf der Entdeckung steht, meiner Frau der Mann, meinen Kindern der Vater doch geraubt wird, warum sollte ich einen Augenblick anstehen, mich mir selber zu rauben?«</p> <p>»Und wohl mir, daß ich das kann; daß die Thuͤre offen steht und ich gehen kann, wenn ich will. Dadurch bin ich im Stande, meine Pflichten einigermaßen gegen meine Familie und den Staat zu erfuͤllen. Jch arbeite fuͤr jene aus allen Kraͤften, und befreie diesen am Ende von einem ungesunden Gliede durch meinen Tod.«</p> <p>Er hielt Wort. Jm Jahre — wurden die Befehle wegen des Schleichhandels erneuert und geschaͤrft. H. hatte einen großen Transport Waaren von der — Messe zu erwarten, die alle fuͤr fremd erkannt werden mußten, sobald eine genaue Nachsuchung angestellt wuͤrde. Werden sie dafuͤr erkannt werden, so ist der Verlust der Waaren und die Erlegung einer schweren Geldsumme oder Festungsstrafe das Schicksal, das ihm bevorsteht.</p> <p>Er erwartete es mit der Geduld eines Mannes, der nichts zu verlieren, und auf alle Faͤlle einen Ausweg hat, der nicht fehlen kann.</p> <p>Die Zeit, die zwischen der Nachricht von der Absendung der Waaren und ihrer Ankunft verfloß,<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [6/0006]
haben. Nur der Gedanke, daß ich meine arme, huͤlflose Familie durch meinen Tod ungluͤcklich machen werde, haͤlt mich noch im Leben zuruͤck. Aber sobald ich entdeckt werde, sobald durch die Festungsstrafe, die auf der Entdeckung steht, meiner Frau der Mann, meinen Kindern der Vater doch geraubt wird, warum sollte ich einen Augenblick anstehen, mich mir selber zu rauben?«
»Und wohl mir, daß ich das kann; daß die Thuͤre offen steht und ich gehen kann, wenn ich will. Dadurch bin ich im Stande, meine Pflichten einigermaßen gegen meine Familie und den Staat zu erfuͤllen. Jch arbeite fuͤr jene aus allen Kraͤften, und befreie diesen am Ende von einem ungesunden Gliede durch meinen Tod.«
Er hielt Wort. Jm Jahre — wurden die Befehle wegen des Schleichhandels erneuert und geschaͤrft. H. hatte einen großen Transport Waaren von der — Messe zu erwarten, die alle fuͤr fremd erkannt werden mußten, sobald eine genaue Nachsuchung angestellt wuͤrde. Werden sie dafuͤr erkannt werden, so ist der Verlust der Waaren und die Erlegung einer schweren Geldsumme oder Festungsstrafe das Schicksal, das ihm bevorsteht.
Er erwartete es mit der Geduld eines Mannes, der nichts zu verlieren, und auf alle Faͤlle einen Ausweg hat, der nicht fehlen kann.
Die Zeit, die zwischen der Nachricht von der Absendung der Waaren und ihrer Ankunft verfloß,
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 2. Berlin, 1792, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0902_1792/6>, abgerufen am 17.02.2025. |