zu bekämpfen; wir können, bei aller vorgegebenen Verachtung gegen alle Dinge außer uns, uns dennoch des heimlichen Wunsches nicht erwehren besser zu essen, und uns besser als jetzt kleiden zu können. Wir schelten unsre Freunde J. N. H. u.s.w. als eitle den sinnlichen Begierden ergebene Menschen, weil sie unsre Lebensart verlassen, und sich den, ihren Kräften angemessenen Geschäften unterzogen haben, worin besteht aber unser Vorzug vor ihnen, da wir unserer Neigung zum Müßiggange, so wie sie der ihrigen folgen? Laß uns diesen Vorzug blos darin zu erlangen suchen, daß wir uns zum wenigsten diese Wahrheit gestehn, indem jene nicht die Befriedigung ihrer besondern Begierden, sondern den Trieb zur Gemeinnützigkeit zum Grunde ihrer Handlungen angeben. L., bei dem die Rede seines Freundes einen starken Eindruck machte, antwortete hierauf mit einiger Wärme: Freund, du hast vollkommen Recht! Wenn wir schon jetzt unsre Fehler nicht verbessern können, so wollen wir doch hierin uns selbst nicht täuschen, und zum wenigsten den Weg zur Besserung offen halten.
Jn dergleichen Unterhaltungen brachten diese Zyniker ihre angenehmsten Stunden zu, indem sie sich zuweilen über die Welt, zuweilen über sich selbst lustig machten. L. z.B., dessen altes schmutziges Kleid ganz in Lumpen zerfallen, und wovon ein Aermel vom übrigen Kleide ganz abgetrennt war (indem er nicht einmal im Stande war es ausbessern zu lassen),
zu bekaͤmpfen; wir koͤnnen, bei aller vorgegebenen Verachtung gegen alle Dinge außer uns, uns dennoch des heimlichen Wunsches nicht erwehren besser zu essen, und uns besser als jetzt kleiden zu koͤnnen. Wir schelten unsre Freunde J. N. H. u.s.w. als eitle den sinnlichen Begierden ergebene Menschen, weil sie unsre Lebensart verlassen, und sich den, ihren Kraͤften angemessenen Geschaͤften unterzogen haben, worin besteht aber unser Vorzug vor ihnen, da wir unserer Neigung zum Muͤßiggange, so wie sie der ihrigen folgen? Laß uns diesen Vorzug blos darin zu erlangen suchen, daß wir uns zum wenigsten diese Wahrheit gestehn, indem jene nicht die Befriedigung ihrer besondern Begierden, sondern den Trieb zur Gemeinnuͤtzigkeit zum Grunde ihrer Handlungen angeben. L., bei dem die Rede seines Freundes einen starken Eindruck machte, antwortete hierauf mit einiger Waͤrme: Freund, du hast vollkommen Recht! Wenn wir schon jetzt unsre Fehler nicht verbessern koͤnnen, so wollen wir doch hierin uns selbst nicht taͤuschen, und zum wenigsten den Weg zur Besserung offen halten.
Jn dergleichen Unterhaltungen brachten diese Zyniker ihre angenehmsten Stunden zu, indem sie sich zuweilen uͤber die Welt, zuweilen uͤber sich selbst lustig machten. L. z.B., dessen altes schmutziges Kleid ganz in Lumpen zerfallen, und wovon ein Aermel vom uͤbrigen Kleide ganz abgetrennt war (indem er nicht einmal im Stande war es ausbessern zu lassen),
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zu bekaͤmpfen; wir koͤnnen, bei aller vorgegebenen Verachtung gegen alle Dinge außer uns, uns dennoch des heimlichen Wunsches nicht erwehren besser zu essen, und uns besser als jetzt kleiden zu koͤnnen. Wir schelten unsre Freunde <hirendition="#b">J. N. H.</hi> u.s.w. als eitle den sinnlichen Begierden ergebene Menschen, weil sie unsre Lebensart verlassen, und sich den, ihren Kraͤften angemessenen Geschaͤften unterzogen haben, worin besteht aber unser Vorzug vor ihnen, da wir unserer Neigung zum Muͤßiggange, so wie sie der ihrigen folgen? Laß uns diesen Vorzug blos darin zu erlangen suchen, daß wir uns zum wenigsten diese Wahrheit gestehn, indem jene nicht die Befriedigung ihrer besondern Begierden, sondern den Trieb zur Gemeinnuͤtzigkeit zum Grunde ihrer Handlungen angeben. <hirendition="#b">L.,</hi> bei dem die Rede seines Freundes einen starken Eindruck machte, antwortete hierauf mit einiger Waͤrme: Freund, du hast vollkommen Recht! Wenn wir schon jetzt unsre Fehler nicht verbessern koͤnnen, so wollen wir doch hierin <hirendition="#b">uns selbst nicht taͤuschen,</hi> und zum wenigsten <hirendition="#b">den Weg zur Besserung offen halten.</hi></p><p>Jn dergleichen Unterhaltungen brachten diese <hirendition="#b">Zyniker</hi> ihre angenehmsten Stunden zu, indem sie sich zuweilen <hirendition="#b">uͤber die Welt,</hi> zuweilen <hirendition="#b">uͤber sich selbst</hi> lustig machten. L. z.B., dessen altes schmutziges Kleid ganz in Lumpen zerfallen, und wovon ein Aermel vom uͤbrigen Kleide ganz abgetrennt war (indem er nicht einmal im Stande war es ausbessern zu lassen),<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
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zu bekaͤmpfen; wir koͤnnen, bei aller vorgegebenen Verachtung gegen alle Dinge außer uns, uns dennoch des heimlichen Wunsches nicht erwehren besser zu essen, und uns besser als jetzt kleiden zu koͤnnen. Wir schelten unsre Freunde J. N. H. u.s.w. als eitle den sinnlichen Begierden ergebene Menschen, weil sie unsre Lebensart verlassen, und sich den, ihren Kraͤften angemessenen Geschaͤften unterzogen haben, worin besteht aber unser Vorzug vor ihnen, da wir unserer Neigung zum Muͤßiggange, so wie sie der ihrigen folgen? Laß uns diesen Vorzug blos darin zu erlangen suchen, daß wir uns zum wenigsten diese Wahrheit gestehn, indem jene nicht die Befriedigung ihrer besondern Begierden, sondern den Trieb zur Gemeinnuͤtzigkeit zum Grunde ihrer Handlungen angeben. L., bei dem die Rede seines Freundes einen starken Eindruck machte, antwortete hierauf mit einiger Waͤrme: Freund, du hast vollkommen Recht! Wenn wir schon jetzt unsre Fehler nicht verbessern koͤnnen, so wollen wir doch hierin uns selbst nicht taͤuschen, und zum wenigsten den Weg zur Besserung offen halten.
Jn dergleichen Unterhaltungen brachten diese Zyniker ihre angenehmsten Stunden zu, indem sie sich zuweilen uͤber die Welt, zuweilen uͤber sich selbst lustig machten. L. z.B., dessen altes schmutziges Kleid ganz in Lumpen zerfallen, und wovon ein Aermel vom uͤbrigen Kleide ganz abgetrennt war (indem er nicht einmal im Stande war es ausbessern zu lassen),
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Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 2. Berlin, 1792, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0902_1792/50>, abgerufen am 16.02.2025.
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