Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 2. Berlin, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

Jeder sinnliche Begrif wird jederzeit von der Vorstellung eines Bildes oder einer Anschauung begleitet. Man wird z.B. den Namen eines Menschen nicht aussprechen können, oder auch, man wird nicht an ihn denken, ohne daß uns in demselben Augenblicke sein Bild, und im Falle er uns unbekannt ist, ein Jdeal, das wir uns von ihm entworfen haben, vorschweben sollte. Eben so verhält es sich, wenn wir die Ausdrücke: Wasser, Feuer, Regen, Bewegung, Auf- und Niedergang, Hölle oder Paradies u.s.w. nennen hören, oder auch an diese Begriffe denken. Wir haben immer ihre Bilder oder die Jdeale, welche wir uns von ihnen machen, eine auffallende Würkung oder eine sinnliche Veränderung derselben, im Sinne.

Die Fortschritte der Vernunft, und die Aufhellungen, welche der Verstand verschaft, werden hierdurch theils befördert theils gehindert; befördert, weil die bloße Vorstellung des Bildes und der Anschauung, wenn sie nicht Jdeale sind, die Beweise von der Möglichkeit und Anwendbarkeit der Begriffe mit sich führt, und man also, wie dieses bei dem vollkommen unsinnlichen der Fall ist, zu erforschen nöthig hat, ob der Begrif auch vom Widerspruche frei sei, ob er auf irgend einen Stoff bezogen werden kann, und ob sich eine praktische Anwendung von demselben denken läßt.

Es werden hingegen die Operationen der Vernunft und des Verstandes dadurch gehindert, weil


Jeder sinnliche Begrif wird jederzeit von der Vorstellung eines Bildes oder einer Anschauung begleitet. Man wird z.B. den Namen eines Menschen nicht aussprechen koͤnnen, oder auch, man wird nicht an ihn denken, ohne daß uns in demselben Augenblicke sein Bild, und im Falle er uns unbekannt ist, ein Jdeal, das wir uns von ihm entworfen haben, vorschweben sollte. Eben so verhaͤlt es sich, wenn wir die Ausdruͤcke: Wasser, Feuer, Regen, Bewegung, Auf- und Niedergang, Hoͤlle oder Paradies u.s.w. nennen hoͤren, oder auch an diese Begriffe denken. Wir haben immer ihre Bilder oder die Jdeale, welche wir uns von ihnen machen, eine auffallende Wuͤrkung oder eine sinnliche Veraͤnderung derselben, im Sinne.

Die Fortschritte der Vernunft, und die Aufhellungen, welche der Verstand verschaft, werden hierdurch theils befoͤrdert theils gehindert; befoͤrdert, weil die bloße Vorstellung des Bildes und der Anschauung, wenn sie nicht Jdeale sind, die Beweise von der Moͤglichkeit und Anwendbarkeit der Begriffe mit sich fuͤhrt, und man also, wie dieses bei dem vollkommen unsinnlichen der Fall ist, zu erforschen noͤthig hat, ob der Begrif auch vom Widerspruche frei sei, ob er auf irgend einen Stoff bezogen werden kann, und ob sich eine praktische Anwendung von demselben denken laͤßt.

Es werden hingegen die Operationen der Vernunft und des Verstandes dadurch gehindert, weil

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0015" n="15"/><lb/>
            <p>Jeder sinnliche Begrif wird jederzeit von der Vorstellung  eines Bildes oder einer Anschauung begleitet. Man  wird z.B. den Namen eines Menschen nicht aussprechen  ko&#x0364;nnen, oder auch, man wird nicht an ihn denken,  ohne daß uns in demselben Augenblicke sein Bild, und  im Falle er uns unbekannt ist, ein Jdeal, das wir  uns von ihm entworfen haben, vorschweben sollte.  Eben so verha&#x0364;lt es sich, wenn wir die Ausdru&#x0364;cke:  Wasser, Feuer, Regen, Bewegung, Auf- und Niedergang,  Ho&#x0364;lle oder Paradies u.s.w. nennen ho&#x0364;ren, oder auch  an diese Begriffe denken. Wir haben immer ihre  Bilder oder die Jdeale, welche wir uns von ihnen  machen, eine auffallende Wu&#x0364;rkung oder eine sinnliche  Vera&#x0364;nderung derselben, im Sinne.</p>
            <p>Die Fortschritte der Vernunft, und die Aufhellungen,  welche der Verstand verschaft, werden hierdurch  theils befo&#x0364;rdert theils gehindert; <hi rendition="#b">befo&#x0364;rdert,</hi> weil die bloße Vorstellung des  Bildes und der Anschauung, wenn sie nicht Jdeale  sind, die Beweise von der Mo&#x0364;glichkeit und  Anwendbarkeit der Begriffe mit sich fu&#x0364;hrt, und man  also, wie dieses bei dem vollkommen unsinnlichen der  Fall ist, zu erforschen no&#x0364;thig hat, ob der Begrif  auch vom Widerspruche frei sei, ob er auf irgend  einen Stoff bezogen werden kann, und ob sich eine  praktische Anwendung von demselben denken la&#x0364;ßt.</p>
            <p>Es werden hingegen die Operationen der Vernunft und des  Verstandes dadurch <hi rendition="#b">  gehindert,</hi> weil<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[15/0015] Jeder sinnliche Begrif wird jederzeit von der Vorstellung eines Bildes oder einer Anschauung begleitet. Man wird z.B. den Namen eines Menschen nicht aussprechen koͤnnen, oder auch, man wird nicht an ihn denken, ohne daß uns in demselben Augenblicke sein Bild, und im Falle er uns unbekannt ist, ein Jdeal, das wir uns von ihm entworfen haben, vorschweben sollte. Eben so verhaͤlt es sich, wenn wir die Ausdruͤcke: Wasser, Feuer, Regen, Bewegung, Auf- und Niedergang, Hoͤlle oder Paradies u.s.w. nennen hoͤren, oder auch an diese Begriffe denken. Wir haben immer ihre Bilder oder die Jdeale, welche wir uns von ihnen machen, eine auffallende Wuͤrkung oder eine sinnliche Veraͤnderung derselben, im Sinne. Die Fortschritte der Vernunft, und die Aufhellungen, welche der Verstand verschaft, werden hierdurch theils befoͤrdert theils gehindert; befoͤrdert, weil die bloße Vorstellung des Bildes und der Anschauung, wenn sie nicht Jdeale sind, die Beweise von der Moͤglichkeit und Anwendbarkeit der Begriffe mit sich fuͤhrt, und man also, wie dieses bei dem vollkommen unsinnlichen der Fall ist, zu erforschen noͤthig hat, ob der Begrif auch vom Widerspruche frei sei, ob er auf irgend einen Stoff bezogen werden kann, und ob sich eine praktische Anwendung von demselben denken laͤßt. Es werden hingegen die Operationen der Vernunft und des Verstandes dadurch gehindert, weil

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0902_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0902_1792/15
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 2. Berlin, 1792, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0902_1792/15>, abgerufen am 21.11.2024.