Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 1. Berlin, 1792.
Die Unterbrechung dieser, aus der Erfahrung bekannten Kontiguität ist also ein Merkmal der Nichtwürklichkeit. Die Association der Aehnlichkeit kann uns auf keine Würklichkeit führen, sie hat einen blos idealischen Grund, wodurch blos das Verhältniß der Objekte zu einander, nicht aber ihr Verhältniß zu unserm Gemüthe, und noch weniger ihr Realverhältniß bestimmt wird. Die Objekte mögen wirklich oder blos möglich seyn, so bleibt immer ihre Aehnlichkeit eben dieselbe. Endlich die Association der Dependenz ist entweder blos logisch (als Grund und Folge) oder reel (als Ursach und Würkung), jene führt uns mehr auf die Existenz unserer selbst, als auf die der äußern Objekte. Mit dieser aber ist es gerade umgekehrt. Wenn ich eine Kette von Schlüssen, die als Grund und Folge von einander abhängen, durchdenke, so fühle ich dadurch meine Selbstthätigkeit, und folglich meine Existenz am meisten. Die Existenz der Objekte aber, die durch diese Vernunftoperation verknüpft werden, fühle ich am wenigsten, weil sie zu diesem Behufe nicht gänzlich bestimmt, sondern allgemein bleiben müssen. Wenn ich aber bei schwülem Wetter den Himmel überwolkt, und darauf einen Regenguß wahrnehme, so
Die Unterbrechung dieser, aus der Erfahrung bekannten Kontiguitaͤt ist also ein Merkmal der Nichtwuͤrklichkeit. Die Association der Aehnlichkeit kann uns auf keine Wuͤrklichkeit fuͤhren, sie hat einen blos idealischen Grund, wodurch blos das Verhaͤltniß der Objekte zu einander, nicht aber ihr Verhaͤltniß zu unserm Gemuͤthe, und noch weniger ihr Realverhaͤltniß bestimmt wird. Die Objekte moͤgen wirklich oder blos moͤglich seyn, so bleibt immer ihre Aehnlichkeit eben dieselbe. Endlich die Association der Dependenz ist entweder blos logisch (als Grund und Folge) oder reel (als Ursach und Wuͤrkung), jene fuͤhrt uns mehr auf die Existenz unserer selbst, als auf die der aͤußern Objekte. Mit dieser aber ist es gerade umgekehrt. Wenn ich eine Kette von Schluͤssen, die als Grund und Folge von einander abhaͤngen, durchdenke, so fuͤhle ich dadurch meine Selbstthaͤtigkeit, und folglich meine Existenz am meisten. Die Existenz der Objekte aber, die durch diese Vernunftoperation verknuͤpft werden, fuͤhle ich am wenigsten, weil sie zu diesem Behufe nicht gaͤnzlich bestimmt, sondern allgemein bleiben muͤssen. Wenn ich aber bei schwuͤlem Wetter den Himmel uͤberwolkt, und darauf einen Regenguß wahrnehme, so <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0080" n="78"/><lb/> wir moͤgen ihn einsehn oder nicht, fuͤhrt uns auf den Begrif der Wuͤrklichkeit.</p> <p>Die Unterbrechung dieser, aus der Erfahrung bekannten Kontiguitaͤt ist also ein Merkmal der Nichtwuͤrklichkeit.</p> <p>Die Association der Aehnlichkeit kann uns auf keine Wuͤrklichkeit fuͤhren, sie hat einen blos idealischen Grund, wodurch blos das Verhaͤltniß der Objekte zu einander, nicht aber ihr Verhaͤltniß zu unserm Gemuͤthe, und noch weniger ihr Realverhaͤltniß bestimmt wird.</p> <p>Die Objekte moͤgen wirklich oder blos moͤglich seyn, so bleibt immer ihre Aehnlichkeit eben dieselbe.</p> <p>Endlich die Association der Dependenz ist entweder blos logisch (als Grund und Folge) oder reel (als Ursach und Wuͤrkung), jene fuͤhrt uns mehr auf die Existenz unserer selbst, als auf die der aͤußern Objekte. Mit dieser aber ist es gerade umgekehrt.</p> <p>Wenn ich eine Kette von Schluͤssen, die als Grund und Folge von einander abhaͤngen, durchdenke, so fuͤhle ich dadurch meine Selbstthaͤtigkeit, und folglich meine Existenz am meisten. Die Existenz der Objekte aber, die durch diese Vernunftoperation verknuͤpft werden, fuͤhle ich am wenigsten, weil sie zu diesem Behufe nicht gaͤnzlich bestimmt, sondern allgemein bleiben muͤssen. Wenn ich aber bei <choice><corr>schwuͤlem</corr><sic>schwuͤlen</sic></choice> Wetter den Himmel uͤberwolkt, und darauf einen Regenguß wahrnehme, so<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [78/0080]
wir moͤgen ihn einsehn oder nicht, fuͤhrt uns auf den Begrif der Wuͤrklichkeit.
Die Unterbrechung dieser, aus der Erfahrung bekannten Kontiguitaͤt ist also ein Merkmal der Nichtwuͤrklichkeit.
Die Association der Aehnlichkeit kann uns auf keine Wuͤrklichkeit fuͤhren, sie hat einen blos idealischen Grund, wodurch blos das Verhaͤltniß der Objekte zu einander, nicht aber ihr Verhaͤltniß zu unserm Gemuͤthe, und noch weniger ihr Realverhaͤltniß bestimmt wird.
Die Objekte moͤgen wirklich oder blos moͤglich seyn, so bleibt immer ihre Aehnlichkeit eben dieselbe.
Endlich die Association der Dependenz ist entweder blos logisch (als Grund und Folge) oder reel (als Ursach und Wuͤrkung), jene fuͤhrt uns mehr auf die Existenz unserer selbst, als auf die der aͤußern Objekte. Mit dieser aber ist es gerade umgekehrt.
Wenn ich eine Kette von Schluͤssen, die als Grund und Folge von einander abhaͤngen, durchdenke, so fuͤhle ich dadurch meine Selbstthaͤtigkeit, und folglich meine Existenz am meisten. Die Existenz der Objekte aber, die durch diese Vernunftoperation verknuͤpft werden, fuͤhle ich am wenigsten, weil sie zu diesem Behufe nicht gaͤnzlich bestimmt, sondern allgemein bleiben muͤssen. Wenn ich aber bei schwuͤlem Wetter den Himmel uͤberwolkt, und darauf einen Regenguß wahrnehme, so
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 1. Berlin, 1792, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0901_1792/80>, abgerufen am 27.07.2024. |