Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 1. Berlin, 1792.Nun glaubte B. J. daß diese Wohnung keine andere, als ein Kämmerchen bei irgend einem armen Manne seyn würde. Er erstaunte daher nicht wenig, als er sich im Hause eines der ältesten Juden dieser Stadt sahe, wo man für ihn ein sehr properes Stübchen zurecht gemacht hatte, welches die Studierstube dieses Mannes war, der sowohl selbst, wie auch sein Sohn, ein großer Gelehrter war. So bald sich B. J. ein wenig umgesehn hatte, gieng er zu der Hausfrau, steckte ihr einige Pfennige in die Hände, und bat sie, daß sie ihm dafür eine Grützsuppe zum Abendessen zubereiten möchte. Diese fing an über seine Simplizität zu lächeln, und sagte: "nein mein Herr, wir haben so nicht accordirt, der Oberrabbiner hat Sie uns nicht so empfohlen, daß Sie sich für Jhr Geld eine Grützsuppe bei uns machen lassen sollen," und erklärte ihm, daß er nicht blos in ihrem Hause logiren, sondern auch, so lange er sich in dieser Stadt aufhalten wolle, essen und trinken solle. B. J. erstaunte über dieses unerwartete Glück, aber wie groß war sein Entzücken, als man ihm nach dem Abendessen ein reinliches Bette anwies; er trauete seinen Augen nicht, und fragte zu verschiedenenmalen: "ist dieses wirklich für mich?" Er versicherte mich oft, daß er nie, sowohl vor dieser Begebenheit als nachher, einen solchen Grad von Glückseeligkeit gefühlt habe, als damals, Nun glaubte B. J. daß diese Wohnung keine andere, als ein Kaͤmmerchen bei irgend einem armen Manne seyn wuͤrde. Er erstaunte daher nicht wenig, als er sich im Hause eines der aͤltesten Juden dieser Stadt sahe, wo man fuͤr ihn ein sehr properes Stuͤbchen zurecht gemacht hatte, welches die Studierstube dieses Mannes war, der sowohl selbst, wie auch sein Sohn, ein großer Gelehrter war. So bald sich B. J. ein wenig umgesehn hatte, gieng er zu der Hausfrau, steckte ihr einige Pfennige in die Haͤnde, und bat sie, daß sie ihm dafuͤr eine Gruͤtzsuppe zum Abendessen zubereiten moͤchte. Diese fing an uͤber seine Simplizitaͤt zu laͤcheln, und sagte: »nein mein Herr, wir haben so nicht accordirt, der Oberrabbiner hat Sie uns nicht so empfohlen, daß Sie sich fuͤr Jhr Geld eine Gruͤtzsuppe bei uns machen lassen sollen,« und erklaͤrte ihm, daß er nicht blos in ihrem Hause logiren, sondern auch, so lange er sich in dieser Stadt aufhalten wolle, essen und trinken solle. B. J. erstaunte uͤber dieses unerwartete Gluͤck, aber wie groß war sein Entzuͤcken, als man ihm nach dem Abendessen ein reinliches Bette anwies; er trauete seinen Augen nicht, und fragte zu verschiedenenmalen: »ist dieses wirklich fuͤr mich?« Er versicherte mich oft, daß er nie, sowohl vor dieser Begebenheit als nachher, einen solchen Grad von Gluͤckseeligkeit gefuͤhlt habe, als damals, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0062" n="60"/><lb/> <p>Nun glaubte <hi rendition="#b"><persName ref="#ref0003"><note type="editorial">Maimon, Salomon</note>B. J.</persName></hi> daß diese Wohnung keine andere, als ein Kaͤmmerchen bei irgend einem armen Manne seyn wuͤrde. Er erstaunte daher nicht wenig, als er sich im Hause eines der aͤltesten Juden dieser Stadt sahe, wo man fuͤr ihn ein sehr properes Stuͤbchen zurecht gemacht hatte, welches die Studierstube dieses Mannes war, der sowohl selbst, wie auch sein Sohn, ein großer Gelehrter war.</p> <p>So bald sich <hi rendition="#b"><persName ref="#ref0003"><note type="editorial">Maimon, Salomon</note>B. J.</persName></hi> ein wenig umgesehn hatte, gieng er zu der Hausfrau, steckte ihr einige Pfennige in die Haͤnde, und bat sie, daß sie ihm dafuͤr eine Gruͤtzsuppe zum Abendessen zubereiten moͤchte. Diese fing an uͤber seine Simplizitaͤt zu laͤcheln, und sagte: »nein mein Herr, wir haben so nicht accordirt, der Oberrabbiner hat Sie uns nicht so empfohlen, daß Sie sich fuͤr Jhr Geld eine Gruͤtzsuppe bei uns machen lassen sollen,« und erklaͤrte ihm, daß er nicht blos in ihrem Hause logiren, sondern auch, so lange er sich in dieser Stadt aufhalten wolle, essen und trinken solle.</p> <p><hi rendition="#b"><persName ref="#ref0003"><note type="editorial">Maimon, Salomon</note>B. J.</persName></hi> erstaunte uͤber dieses unerwartete Gluͤck, aber wie groß war sein Entzuͤcken, als man ihm nach dem Abendessen ein reinliches Bette anwies; er trauete seinen Augen nicht, und fragte zu verschiedenenmalen: »ist dieses wirklich fuͤr mich?«</p> <p>Er versicherte mich oft, daß er nie, sowohl vor dieser Begebenheit als nachher, einen solchen Grad von Gluͤckseeligkeit gefuͤhlt habe, als damals,<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [60/0062]
Nun glaubte B. J. daß diese Wohnung keine andere, als ein Kaͤmmerchen bei irgend einem armen Manne seyn wuͤrde. Er erstaunte daher nicht wenig, als er sich im Hause eines der aͤltesten Juden dieser Stadt sahe, wo man fuͤr ihn ein sehr properes Stuͤbchen zurecht gemacht hatte, welches die Studierstube dieses Mannes war, der sowohl selbst, wie auch sein Sohn, ein großer Gelehrter war.
So bald sich B. J. ein wenig umgesehn hatte, gieng er zu der Hausfrau, steckte ihr einige Pfennige in die Haͤnde, und bat sie, daß sie ihm dafuͤr eine Gruͤtzsuppe zum Abendessen zubereiten moͤchte. Diese fing an uͤber seine Simplizitaͤt zu laͤcheln, und sagte: »nein mein Herr, wir haben so nicht accordirt, der Oberrabbiner hat Sie uns nicht so empfohlen, daß Sie sich fuͤr Jhr Geld eine Gruͤtzsuppe bei uns machen lassen sollen,« und erklaͤrte ihm, daß er nicht blos in ihrem Hause logiren, sondern auch, so lange er sich in dieser Stadt aufhalten wolle, essen und trinken solle.
B. J. erstaunte uͤber dieses unerwartete Gluͤck, aber wie groß war sein Entzuͤcken, als man ihm nach dem Abendessen ein reinliches Bette anwies; er trauete seinen Augen nicht, und fragte zu verschiedenenmalen: »ist dieses wirklich fuͤr mich?«
Er versicherte mich oft, daß er nie, sowohl vor dieser Begebenheit als nachher, einen solchen Grad von Gluͤckseeligkeit gefuͤhlt habe, als damals,
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