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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 1. Berlin, 1792.

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einander so entgegengesetzt, daß sie einander wechselsweise ihre Würkungen heben; liegt nicht blos Zerstreuung und Unaufmerksamkeit auf die Data eines Urtheils, sondern ein durch eine Leidenschaft mißgeleitetes Urtheil selbst, der bemerkten Seelenverwirrung zum Grunde; alsdann ist dieses eine wahre Seelenkrankheit, und muß der Sorge des Seelenarztes überlassen werden. Hat dieser sowohl die Krankheit selbst, als ihre Ursache entdeckt, so kann er zur Kur schreiten.

Die beste Methode hierinnen, so wie in der gemeinen Arzeneikunde, ist, die Natur genau zu beobachten, ihr keine Gewalt anzuthun, sondern vielmehr ihr bloß zu Hülfe zu kommen. Eine Leidenschaft muß nicht unterdrückt, sondern gehörig geleitet, oder durch eine andere gemäßigt werden. Diese Kurart geht freilich langsam; aber auch desto sicherer von statten.

Bei gefährlichen Krankheiten hingegen muß man die schleunigsten Mittel ergreifen, wenn sie gleich nicht die Besten seyn mögen. Man muß ohne Zeitverlust die gefährlichen Symptome zu heben suchen, obgleich die Ursache der Krankheit selbst dadurch noch nicht gehoben wird. Jst die durch eine heftige Leidenschaft verursachte Seelenverwirrung noch nicht in Tollheit und Raserei ausgeartet, so suche man die Krankheit von Grunde aus, durch Hebung ihrer Ursache, zu heben. Jst es aber damit schon so weit gekommen, und zu be-


einander so entgegengesetzt, daß sie einander wechselsweise ihre Wuͤrkungen heben; liegt nicht blos Zerstreuung und Unaufmerksamkeit auf die Data eines Urtheils, sondern ein durch eine Leidenschaft mißgeleitetes Urtheil selbst, der bemerkten Seelenverwirrung zum Grunde; alsdann ist dieses eine wahre Seelenkrankheit, und muß der Sorge des Seelenarztes uͤberlassen werden. Hat dieser sowohl die Krankheit selbst, als ihre Ursache entdeckt, so kann er zur Kur schreiten.

Die beste Methode hierinnen, so wie in der gemeinen Arzeneikunde, ist, die Natur genau zu beobachten, ihr keine Gewalt anzuthun, sondern vielmehr ihr bloß zu Huͤlfe zu kommen. Eine Leidenschaft muß nicht unterdruͤckt, sondern gehoͤrig geleitet, oder durch eine andere gemaͤßigt werden. Diese Kurart geht freilich langsam; aber auch desto sicherer von statten.

Bei gefaͤhrlichen Krankheiten hingegen muß man die schleunigsten Mittel ergreifen, wenn sie gleich nicht die Besten seyn moͤgen. Man muß ohne Zeitverlust die gefaͤhrlichen Symptome zu heben suchen, obgleich die Ursache der Krankheit selbst dadurch noch nicht gehoben wird. Jst die durch eine heftige Leidenschaft verursachte Seelenverwirrung noch nicht in Tollheit und Raserei ausgeartet, so suche man die Krankheit von Grunde aus, durch Hebung ihrer Ursache, zu heben. Jst es aber damit schon so weit gekommen, und zu be-

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[19/0021] einander so entgegengesetzt, daß sie einander wechselsweise ihre Wuͤrkungen heben; liegt nicht blos Zerstreuung und Unaufmerksamkeit auf die Data eines Urtheils, sondern ein durch eine Leidenschaft mißgeleitetes Urtheil selbst, der bemerkten Seelenverwirrung zum Grunde; alsdann ist dieses eine wahre Seelenkrankheit, und muß der Sorge des Seelenarztes uͤberlassen werden. Hat dieser sowohl die Krankheit selbst, als ihre Ursache entdeckt, so kann er zur Kur schreiten. Die beste Methode hierinnen, so wie in der gemeinen Arzeneikunde, ist, die Natur genau zu beobachten, ihr keine Gewalt anzuthun, sondern vielmehr ihr bloß zu Huͤlfe zu kommen. Eine Leidenschaft muß nicht unterdruͤckt, sondern gehoͤrig geleitet, oder durch eine andere gemaͤßigt werden. Diese Kurart geht freilich langsam; aber auch desto sicherer von statten. Bei gefaͤhrlichen Krankheiten hingegen muß man die schleunigsten Mittel ergreifen, wenn sie gleich nicht die Besten seyn moͤgen. Man muß ohne Zeitverlust die gefaͤhrlichen Symptome zu heben suchen, obgleich die Ursache der Krankheit selbst dadurch noch nicht gehoben wird. Jst die durch eine heftige Leidenschaft verursachte Seelenverwirrung noch nicht in Tollheit und Raserei ausgeartet, so suche man die Krankheit von Grunde aus, durch Hebung ihrer Ursache, zu heben. Jst es aber damit schon so weit gekommen, und zu be-

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 1. Berlin, 1792, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0901_1792/21>, abgerufen am 22.11.2024.