Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 1. Berlin, 1792.Aus dieser Ursach sind auch die Seelen im Fegefeuer blos passiv oder leidsam, und Gott selbst ist es, der sie reiniget. Wenn sie eigene Würksamkeit hätten, um sich reinigen zu wollen, so würden sie in einer würklichen Unvollkommenheit (des Willens) sich befinden, deren sie aber unfähig sind. Es ist daher eine Nothwendigkeit, daß Gott durch seine Gerechtigkeit, die wie ein verzehrendes Feuer ist, die Seelen läutere, und in ihnen zerstöhre, was in diesem Leben nicht ist verzehrt, zerstöhrt und gereiniget worden, und daß Gott auf solche Weise diese Seelen zur Aehnlichkeit und Gleichförmigkeit mit ihm selbst bringe. Gott reiniget in der Seele das, was sie von Grobheit in sich hat, eben also gleichwie die Sonne die Luft reiniget; immaaßen die Luft allein die Fähigkeit hat, das Licht der Sonne auf eine lautere Weise zu empfangen, und gleichsam mit dem Licht der Sonne vermischt zu werden. Die Sonne durch ihre Lichtstrahlen ziehet an sich die groben Dünste, welche die Luft verdicken, und verhindern, daß das Licht nicht gänzlich noch völlig in diese Luft eindringen kann. Gleichwie diese Unreinigkeiten allezeit eben dieselben bleiben würden, wenn die Sonne solche nicht an sich zöge, und weil auch die Sonne niemals diese Unreinigkeit mit ihrem Licht vereinigen könnte, wenn sie dieselben nicht reinigte, so geschiehet es nothwendiger Weise, daß die Sonne, indem Aus dieser Ursach sind auch die Seelen im Fegefeuer blos passiv oder leidsam, und Gott selbst ist es, der sie reiniget. Wenn sie eigene Wuͤrksamkeit haͤtten, um sich reinigen zu wollen, so wuͤrden sie in einer wuͤrklichen Unvollkommenheit (des Willens) sich befinden, deren sie aber unfaͤhig sind. Es ist daher eine Nothwendigkeit, daß Gott durch seine Gerechtigkeit, die wie ein verzehrendes Feuer ist, die Seelen laͤutere, und in ihnen zerstoͤhre, was in diesem Leben nicht ist verzehrt, zerstoͤhrt und gereiniget worden, und daß Gott auf solche Weise diese Seelen zur Aehnlichkeit und Gleichfoͤrmigkeit mit ihm selbst bringe. Gott reiniget in der Seele das, was sie von Grobheit in sich hat, eben also gleichwie die Sonne die Luft reiniget; immaaßen die Luft allein die Faͤhigkeit hat, das Licht der Sonne auf eine lautere Weise zu empfangen, und gleichsam mit dem Licht der Sonne vermischt zu werden. Die Sonne durch ihre Lichtstrahlen ziehet an sich die groben Duͤnste, welche die Luft verdicken, und verhindern, daß das Licht nicht gaͤnzlich noch voͤllig in diese Luft eindringen kann. Gleichwie diese Unreinigkeiten allezeit eben dieselben bleiben wuͤrden, wenn die Sonne solche nicht an sich zoͤge, und weil auch die Sonne niemals diese Unreinigkeit mit ihrem Licht vereinigen koͤnnte, wenn sie dieselben nicht reinigte, so geschiehet es nothwendiger Weise, daß die Sonne, indem <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0109" n="107"/><lb/> <p>Aus dieser Ursach sind auch die Seelen im Fegefeuer blos passiv oder leidsam, und Gott selbst ist es, der sie reiniget. Wenn sie eigene Wuͤrksamkeit haͤtten, um sich reinigen zu wollen, so wuͤrden sie in einer wuͤrklichen Unvollkommenheit (des Willens) sich befinden, deren sie aber unfaͤhig sind. Es ist daher eine Nothwendigkeit, daß Gott durch seine Gerechtigkeit, die wie ein verzehrendes Feuer ist, die Seelen laͤutere, und in ihnen zerstoͤhre, was in diesem Leben nicht ist verzehrt, zerstoͤhrt und gereiniget worden, und daß Gott auf solche Weise diese Seelen zur Aehnlichkeit und Gleichfoͤrmigkeit mit ihm selbst bringe.</p> <p><hi rendition="#b">Gott</hi> reiniget in der Seele das, was sie von Grobheit in sich hat, eben also gleichwie die Sonne die Luft reiniget; immaaßen die Luft allein die Faͤhigkeit hat, das Licht der Sonne auf eine lautere Weise zu empfangen, und gleichsam mit dem Licht der Sonne vermischt zu werden. Die Sonne durch ihre Lichtstrahlen ziehet an sich die groben Duͤnste, welche die Luft verdicken, und verhindern, daß das Licht nicht gaͤnzlich noch voͤllig in diese Luft eindringen kann. Gleichwie diese Unreinigkeiten allezeit eben dieselben bleiben wuͤrden, wenn die Sonne solche nicht an sich zoͤge, und weil auch die Sonne niemals diese Unreinigkeit mit ihrem Licht vereinigen koͤnnte, wenn sie dieselben nicht reinigte, so geschiehet es nothwendiger Weise, daß die Sonne, indem<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [107/0109]
Aus dieser Ursach sind auch die Seelen im Fegefeuer blos passiv oder leidsam, und Gott selbst ist es, der sie reiniget. Wenn sie eigene Wuͤrksamkeit haͤtten, um sich reinigen zu wollen, so wuͤrden sie in einer wuͤrklichen Unvollkommenheit (des Willens) sich befinden, deren sie aber unfaͤhig sind. Es ist daher eine Nothwendigkeit, daß Gott durch seine Gerechtigkeit, die wie ein verzehrendes Feuer ist, die Seelen laͤutere, und in ihnen zerstoͤhre, was in diesem Leben nicht ist verzehrt, zerstoͤhrt und gereiniget worden, und daß Gott auf solche Weise diese Seelen zur Aehnlichkeit und Gleichfoͤrmigkeit mit ihm selbst bringe.
Gott reiniget in der Seele das, was sie von Grobheit in sich hat, eben also gleichwie die Sonne die Luft reiniget; immaaßen die Luft allein die Faͤhigkeit hat, das Licht der Sonne auf eine lautere Weise zu empfangen, und gleichsam mit dem Licht der Sonne vermischt zu werden. Die Sonne durch ihre Lichtstrahlen ziehet an sich die groben Duͤnste, welche die Luft verdicken, und verhindern, daß das Licht nicht gaͤnzlich noch voͤllig in diese Luft eindringen kann. Gleichwie diese Unreinigkeiten allezeit eben dieselben bleiben wuͤrden, wenn die Sonne solche nicht an sich zoͤge, und weil auch die Sonne niemals diese Unreinigkeit mit ihrem Licht vereinigen koͤnnte, wenn sie dieselben nicht reinigte, so geschiehet es nothwendiger Weise, daß die Sonne, indem
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 1. Berlin, 1792, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0901_1792/109>, abgerufen am 28.07.2024. |