Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 3. Berlin, 1791.
Wenig Personen haben mehr Recht, über den Selbstmord zu sprechen, als ich; weil ich überzeugt bin, daß wenig Personen einen so hartnäckigen, ausdauernden Hang gehabt haben, sich das Leben zu rauben, als ich. Jch entsinne mich noch sehr deutlich meines ersten Vorsatzes in dieser Art, da ich erst sechs Jahre alt war. Meine Eltern hatten mich, meiner Meinung nach, ungerecht gestraft; und doch hatte man mich blos in
Wenig Personen haben mehr Recht, uͤber den Selbstmord zu sprechen, als ich; weil ich uͤberzeugt bin, daß wenig Personen einen so hartnaͤckigen, ausdauernden Hang gehabt haben, sich das Leben zu rauben, als ich. Jch entsinne mich noch sehr deutlich meines ersten Vorsatzes in dieser Art, da ich erst sechs Jahre alt war. Meine Eltern hatten mich, meiner Meinung nach, ungerecht gestraft; und doch hatte man mich blos in <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0089" n="89"/><lb/> der Selbstmord hieher gehoͤret; weil der Augenblick, in welchem man sich in eine Untersuchung uͤber den Selbstmord einlassen will, gewoͤhnlich zu gar keiner Untersuchung geschickt ist. Man billiget in diesem Augenblicke die Handlung, fuͤhlt sich dazu geneigt, und ist ohnehin ausser Stande zu denken, weil die Versuchung zum Selbstmorde schon einen gewissen Grad der Verwirrung, wenigstens eine heftige Erschuͤtterung des Geistes voraussetzt, einen Zustand, der mit der Kaltbluͤtigkeit voͤllig im Widerspruche stehet, und keiner unpartheiischen Ueberlegung des <hi rendition="#b">Fuͤr</hi> und <hi rendition="#b">Wider</hi> einer Handlung, Raum gestattet. </p> <p>Wenig Personen haben mehr Recht, uͤber den Selbstmord zu sprechen, als ich; weil ich uͤberzeugt bin, daß wenig Personen einen so hartnaͤckigen, ausdauernden Hang gehabt haben, sich das Leben zu rauben, als ich. Jch entsinne mich noch sehr deutlich meines ersten Vorsatzes in dieser Art, da ich erst sechs Jahre alt war. Meine Eltern hatten mich, meiner Meinung nach, ungerecht gestraft; und doch hatte man mich blos in<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [89/0089]
der Selbstmord hieher gehoͤret; weil der Augenblick, in welchem man sich in eine Untersuchung uͤber den Selbstmord einlassen will, gewoͤhnlich zu gar keiner Untersuchung geschickt ist. Man billiget in diesem Augenblicke die Handlung, fuͤhlt sich dazu geneigt, und ist ohnehin ausser Stande zu denken, weil die Versuchung zum Selbstmorde schon einen gewissen Grad der Verwirrung, wenigstens eine heftige Erschuͤtterung des Geistes voraussetzt, einen Zustand, der mit der Kaltbluͤtigkeit voͤllig im Widerspruche stehet, und keiner unpartheiischen Ueberlegung des Fuͤr und Wider einer Handlung, Raum gestattet.
Wenig Personen haben mehr Recht, uͤber den Selbstmord zu sprechen, als ich; weil ich uͤberzeugt bin, daß wenig Personen einen so hartnaͤckigen, ausdauernden Hang gehabt haben, sich das Leben zu rauben, als ich. Jch entsinne mich noch sehr deutlich meines ersten Vorsatzes in dieser Art, da ich erst sechs Jahre alt war. Meine Eltern hatten mich, meiner Meinung nach, ungerecht gestraft; und doch hatte man mich blos in
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