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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 3. Berlin, 1791.

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fuhr es mir zweimal nacheinander, vor etwa zwei Jahren, daß ich sehr sanft aus einem Traume dieser Art, und sogar mitten in der Lektüre erwachte. Jch erinnerte mich noch deutlich der letzten Phrasen, die ich gelesen hatte. Es waren jedesmal anstatt Gedanken, nur Töne oder Wörter, kein Sinn, wieder eben so wie die Quittung des Herrn Spalding, u.s.w. Jch ziehe folgenden Schluß daraus: da Wörter nur willkürliche Zeichen (an und für sich ohne Bedeutung), und nur Mittel sind, durch welche wir Jdeen von den äussern Gegenständen bekommen, es sey nun durch das Gehör oder durch das Gesicht; und da die Seele sowohl im Delirio als im Traume, und selbst im Wahnsinn, die Jdeen, welche sie durch die äussern Gegenstände entstanden glaubt, doch nur von sich selbst empfängt; so müssen ihr die Zeichen gleichgültig seyn, durch welche sie diese Jdeen zu erhalten glaubt, weil sie im Grunde alle Zeichen entbehren kann.

Nur die irrige Meinung, daß diese Jdeen von aussen kommen, und die Gewohnheit, im gesunden und im wachenden Zustande nur durch artikulirte Töne, oder durch Schriftzeichen Jdeen zu erwerben, überreden sie, daß diese Zeichen nothwendig sind. Sie erdichtet welche -- so schlecht sie auch seyn mögen -- in ihrem jetzigen Zustande, und begnügt sich damit, so wie man falsche Münze eben so gerne


fuhr es mir zweimal nacheinander, vor etwa zwei Jahren, daß ich sehr sanft aus einem Traume dieser Art, und sogar mitten in der Lektuͤre erwachte. Jch erinnerte mich noch deutlich der letzten Phrasen, die ich gelesen hatte. Es waren jedesmal anstatt Gedanken, nur Toͤne oder Woͤrter, kein Sinn, wieder eben so wie die Quittung des Herrn Spalding, u.s.w. Jch ziehe folgenden Schluß daraus: da Woͤrter nur willkuͤrliche Zeichen (an und fuͤr sich ohne Bedeutung), und nur Mittel sind, durch welche wir Jdeen von den aͤussern Gegenstaͤnden bekommen, es sey nun durch das Gehoͤr oder durch das Gesicht; und da die Seele sowohl im Delirio als im Traume, und selbst im Wahnsinn, die Jdeen, welche sie durch die aͤussern Gegenstaͤnde entstanden glaubt, doch nur von sich selbst empfaͤngt; so muͤssen ihr die Zeichen gleichguͤltig seyn, durch welche sie diese Jdeen zu erhalten glaubt, weil sie im Grunde alle Zeichen entbehren kann.

Nur die irrige Meinung, daß diese Jdeen von aussen kommen, und die Gewohnheit, im gesunden und im wachenden Zustande nur durch artikulirte Toͤne, oder durch Schriftzeichen Jdeen zu erwerben, uͤberreden sie, daß diese Zeichen nothwendig sind. Sie erdichtet welche — so schlecht sie auch seyn moͤgen — in ihrem jetzigen Zustande, und begnuͤgt sich damit, so wie man falsche Muͤnze eben so gerne

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[81/0081] fuhr es mir zweimal nacheinander, vor etwa zwei Jahren, daß ich sehr sanft aus einem Traume dieser Art, und sogar mitten in der Lektuͤre erwachte. Jch erinnerte mich noch deutlich der letzten Phrasen, die ich gelesen hatte. Es waren jedesmal anstatt Gedanken, nur Toͤne oder Woͤrter, kein Sinn, wieder eben so wie die Quittung des Herrn Spalding, u.s.w. Jch ziehe folgenden Schluß daraus: da Woͤrter nur willkuͤrliche Zeichen (an und fuͤr sich ohne Bedeutung), und nur Mittel sind, durch welche wir Jdeen von den aͤussern Gegenstaͤnden bekommen, es sey nun durch das Gehoͤr oder durch das Gesicht; und da die Seele sowohl im Delirio als im Traume, und selbst im Wahnsinn, die Jdeen, welche sie durch die aͤussern Gegenstaͤnde entstanden glaubt, doch nur von sich selbst empfaͤngt; so muͤssen ihr die Zeichen gleichguͤltig seyn, durch welche sie diese Jdeen zu erhalten glaubt, weil sie im Grunde alle Zeichen entbehren kann. Nur die irrige Meinung, daß diese Jdeen von aussen kommen, und die Gewohnheit, im gesunden und im wachenden Zustande nur durch artikulirte Toͤne, oder durch Schriftzeichen Jdeen zu erwerben, uͤberreden sie, daß diese Zeichen nothwendig sind. Sie erdichtet welche — so schlecht sie auch seyn moͤgen — in ihrem jetzigen Zustande, und begnuͤgt sich damit, so wie man falsche Muͤnze eben so gerne

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  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 3. Berlin, 1791, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0803_1791/81>, abgerufen am 27.11.2024.