Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 3. Berlin, 1791.
S. 3. Diese Jdeen sind bewundernswürdig aber nur in ihrem Grundsatze, nicht im Detail. Doch ist die Hauptidee recht gut, nur eine Kleinigkeit liegt ihr im Wege, nehmlich die Gerichtshöfe mit Philosophen zu bevölkern, und diese, wenn sich ja einige finden sollten, zu vermögen, daß sie sich darauf befleißigten, den Verbrecher während des Verhörs vor der Bestrafung über die unmittelbaren und mittelbaren Ursachen auszufragen, welche das Verbrechen veranlaßt haben.*) Nichts ist schöner in der Theorie und schwieriger in der Ausübung, weil, ich wiederhole es, die Glieder welche den grösten Theil dieser Gerichtshöfe ausmachen, in den meisten Ländern selten philosophischen Geist haben. Man eilt die Sachen zu expediren, es mögen Kriminalfälle seyn oder nicht, denn es ist bald Mit- *) Meißner hat in seinen Skizzen eine Sammlung von Originalfaktis verschiedener Verbrecher angefangen. Unglücklicherweise weiß ich nicht, ob er sie fortgesetzt hat, ich habe die letzten Bände nicht gesehen. Der Entwurf war sehr interessant, und verdiente Aufmunterung, sowohl zum Vortheil der Seelenlehre, als der Kriminalgesetze.
S. 3. Diese Jdeen sind bewundernswuͤrdig aber nur in ihrem Grundsatze, nicht im Detail. Doch ist die Hauptidee recht gut, nur eine Kleinigkeit liegt ihr im Wege, nehmlich die Gerichtshoͤfe mit Philosophen zu bevoͤlkern, und diese, wenn sich ja einige finden sollten, zu vermoͤgen, daß sie sich darauf befleißigten, den Verbrecher waͤhrend des Verhoͤrs vor der Bestrafung uͤber die unmittelbaren und mittelbaren Ursachen auszufragen, welche das Verbrechen veranlaßt haben.*) Nichts ist schoͤner in der Theorie und schwieriger in der Ausuͤbung, weil, ich wiederhole es, die Glieder welche den groͤsten Theil dieser Gerichtshoͤfe ausmachen, in den meisten Laͤndern selten philosophischen Geist haben. Man eilt die Sachen zu expediren, es moͤgen Kriminalfaͤlle seyn oder nicht, denn es ist bald Mit- *) Meißner hat in seinen Skizzen eine Sammlung von Originalfaktis verschiedener Verbrecher angefangen. Ungluͤcklicherweise weiß ich nicht, ob er sie fortgesetzt hat, ich habe die letzten Baͤnde nicht gesehen. Der Entwurf war sehr interessant, und verdiente Aufmunterung, sowohl zum Vortheil der Seelenlehre, als der Kriminalgesetze.
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uns gewisse Tugenden — es sollte heissen: daß uns die Anlage zu gewissen Tugenden gleich wie zu gewissen Lastern etc. denn, im Grunde laͤßt es sich entweder gar nicht behaupten, oder doch nur von der Anlage.
S. 3. Diese Jdeen sind bewundernswuͤrdig aber nur in ihrem Grundsatze, nicht im Detail.
Doch ist die Hauptidee recht gut, nur eine Kleinigkeit liegt ihr im Wege, nehmlich die Gerichtshoͤfe mit Philosophen zu bevoͤlkern, und diese, wenn sich ja einige finden sollten, zu vermoͤgen, daß sie sich darauf befleißigten, den Verbrecher waͤhrend des Verhoͤrs vor der Bestrafung uͤber die unmittelbaren und mittelbaren Ursachen auszufragen, welche das Verbrechen veranlaßt haben.*) Nichts ist schoͤner in der Theorie und schwieriger in der Ausuͤbung, weil, ich wiederhole es, die Glieder welche den groͤsten Theil dieser Gerichtshoͤfe ausmachen, in den meisten Laͤndern selten philosophischen Geist haben.
Man eilt die Sachen zu expediren, es moͤgen Kriminalfaͤlle seyn oder nicht, denn es ist bald Mit-
*) Meißner hat in seinen Skizzen eine Sammlung von Originalfaktis verschiedener Verbrecher angefangen. Ungluͤcklicherweise weiß ich nicht, ob er sie fortgesetzt hat, ich habe die letzten Baͤnde nicht gesehen. Der Entwurf war sehr interessant, und verdiente Aufmunterung, sowohl zum Vortheil der Seelenlehre, als der Kriminalgesetze.
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 3. Berlin, 1791, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0803_1791/66>, abgerufen am 17.02.2025. |