Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 3. Berlin, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite


vielen Leuten, vorzüglich mit Militair-Personen gemein habe, welche, vermöge ihres Standes, genöthiget werden, oft Gebrauch davon zu machen.

Jch kann nehmlich selbst aus einem sehr tiefen Schlafe, schnell, zu der bestimmten Stunde, die ich mir des Abends fest in die Einbildungskraft geprägt habe, und sehr pünktlich, erwachen.

Bei einem entschiedenen und interessanten Zwecke, als: eine Reise, ein Spazierritt, eine Jagdpartie etc. war ich oft in diesem Falle.

S. 85. VIII. Die hier angeführte Erfahrung scheint mir auf keine Weise ausserordentlich. Es ist eine Würkung der Einbildungskraft, die von einer Jdee, welche sie niemals gehabt, stark afficirt wird.

Jch habe einen Capitän von bewährtem Muthe gekannt, der bis zur Tollkühnheit gieng, und sich bei jedem Anlaß zeigte; und dennoch, so oft er von den Pocken sprechen hörte, wurde er bleich, bekam Ueblichkeiten, und starb auch wirklich, ohne diese Krankheit gehabt zu haben.

Ein anderer Mensch aus meiner Bekanntschaft, der ohngefähr 30 Jahr alt war, las, wie er glaubte, in seinem Leben zum erstenmal in einer englischen Bibel, in der ersten Epistel St. Johannis, die Worte: God is love (Gott ist die Liebe.) Diese Stelle wirkte so sehr auf ihn, daß er vom Stuhle aufsprang, die ganze Nacht in seiner Stube umhergieng, und unter einem Strom von Thränen, be-


vielen Leuten, vorzuͤglich mit Militair-Personen gemein habe, welche, vermoͤge ihres Standes, genoͤthiget werden, oft Gebrauch davon zu machen.

Jch kann nehmlich selbst aus einem sehr tiefen Schlafe, schnell, zu der bestimmten Stunde, die ich mir des Abends fest in die Einbildungskraft gepraͤgt habe, und sehr puͤnktlich, erwachen.

Bei einem entschiedenen und interessanten Zwecke, als: eine Reise, ein Spazierritt, eine Jagdpartie etc. war ich oft in diesem Falle.

S. 85. VIII. Die hier angefuͤhrte Erfahrung scheint mir auf keine Weise ausserordentlich. Es ist eine Wuͤrkung der Einbildungskraft, die von einer Jdee, welche sie niemals gehabt, stark afficirt wird.

Jch habe einen Capitaͤn von bewaͤhrtem Muthe gekannt, der bis zur Tollkuͤhnheit gieng, und sich bei jedem Anlaß zeigte; und dennoch, so oft er von den Pocken sprechen hoͤrte, wurde er bleich, bekam Ueblichkeiten, und starb auch wirklich, ohne diese Krankheit gehabt zu haben.

Ein anderer Mensch aus meiner Bekanntschaft, der ohngefaͤhr 30 Jahr alt war, las, wie er glaubte, in seinem Leben zum erstenmal in einer englischen Bibel, in der ersten Epistel St. Johannis, die Worte: God is love (Gott ist die Liebe.) Diese Stelle wirkte so sehr auf ihn, daß er vom Stuhle aufsprang, die ganze Nacht in seiner Stube umhergieng, und unter einem Strom von Thraͤnen, be-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0062" n="62"/><lb/>
vielen Leuten, vorzu&#x0364;glich mit Militair-Personen gemein habe, welche,                         vermo&#x0364;ge ihres Standes, geno&#x0364;thiget werden, oft Gebrauch davon zu machen. </p>
            <p>Jch kann nehmlich selbst aus einem sehr tiefen Schlafe, schnell, zu der                         bestimmten Stunde, die ich mir des Abends fest in die Einbildungskraft                         gepra&#x0364;gt habe, und sehr pu&#x0364;nktlich, erwachen. </p>
            <p>Bei einem entschiedenen und interessanten Zwecke, als: eine Reise, ein                         Spazierritt, eine Jagdpartie etc. war ich oft in diesem Falle. </p>
            <p>S. 85. <hi rendition="#aq">VIII.</hi> Die hier angefu&#x0364;hrte Erfahrung                         scheint mir auf keine Weise ausserordentlich. Es ist eine Wu&#x0364;rkung der                         Einbildungskraft, die von einer Jdee, welche sie niemals gehabt, stark                         afficirt wird. </p>
            <p>Jch habe einen Capita&#x0364;n von bewa&#x0364;hrtem Muthe gekannt, der bis zur Tollku&#x0364;hnheit                         gieng, und sich bei jedem Anlaß zeigte; und dennoch, so oft er von den                         Pocken sprechen ho&#x0364;rte, wurde er bleich, bekam Ueblichkeiten, und starb auch                         wirklich, ohne diese Krankheit gehabt zu haben. </p>
            <p>Ein anderer Mensch aus meiner Bekanntschaft, der ohngefa&#x0364;hr 30 Jahr alt war,                         las, wie er glaubte, in seinem Leben zum erstenmal in einer englischen                         Bibel, in der ersten Epistel St. Johannis, die Worte: <hi rendition="#aq">God is love</hi> (Gott ist die Liebe.) Diese Stelle wirkte so sehr                         auf ihn, daß er vom Stuhle aufsprang, die ganze Nacht in seiner Stube                         umhergieng, und unter einem Strom von Thra&#x0364;nen, be-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[62/0062] vielen Leuten, vorzuͤglich mit Militair-Personen gemein habe, welche, vermoͤge ihres Standes, genoͤthiget werden, oft Gebrauch davon zu machen. Jch kann nehmlich selbst aus einem sehr tiefen Schlafe, schnell, zu der bestimmten Stunde, die ich mir des Abends fest in die Einbildungskraft gepraͤgt habe, und sehr puͤnktlich, erwachen. Bei einem entschiedenen und interessanten Zwecke, als: eine Reise, ein Spazierritt, eine Jagdpartie etc. war ich oft in diesem Falle. S. 85. VIII. Die hier angefuͤhrte Erfahrung scheint mir auf keine Weise ausserordentlich. Es ist eine Wuͤrkung der Einbildungskraft, die von einer Jdee, welche sie niemals gehabt, stark afficirt wird. Jch habe einen Capitaͤn von bewaͤhrtem Muthe gekannt, der bis zur Tollkuͤhnheit gieng, und sich bei jedem Anlaß zeigte; und dennoch, so oft er von den Pocken sprechen hoͤrte, wurde er bleich, bekam Ueblichkeiten, und starb auch wirklich, ohne diese Krankheit gehabt zu haben. Ein anderer Mensch aus meiner Bekanntschaft, der ohngefaͤhr 30 Jahr alt war, las, wie er glaubte, in seinem Leben zum erstenmal in einer englischen Bibel, in der ersten Epistel St. Johannis, die Worte: God is love (Gott ist die Liebe.) Diese Stelle wirkte so sehr auf ihn, daß er vom Stuhle aufsprang, die ganze Nacht in seiner Stube umhergieng, und unter einem Strom von Thraͤnen, be-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0803_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0803_1791/62
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 3. Berlin, 1791, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0803_1791/62>, abgerufen am 27.11.2024.