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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 3. Berlin, 1791.

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Die Täuschung eben so wie die (historische) Wahrheit beruhet entweder auf der Association der Einbildungskraft, und ist uns mit den Thieren gemein, oder auf einem falschen Urtheile. Jch will mich hierüber umständlicher erklären.

Wenn wir verschiedne Erscheinungen beständig miteinander in Zeit und Raum verknüpft wahrgenommen haben, so entsteht bei uns der Begrif eines Objekts das aus allen diesen Erscheinungen zusammengesetzt, und wovon jede insbesondere ein Merkmaal oder eine Vorstellung ist. Wir haben zum Beispiel beständig wahrgenommen, daß gelbe Farbe, vorzügliche Dichtigkeit und Schwere, Auflößbarkeit in Aquaregis, Schmelzbarkeit u.d.gl. in Zeit und Raum verknüpft sind, so daß wo und wenn die eine dieser Erscheinungen angetroffen wird, auch alle übrigen angetroffen werden. Es entsteht daher bei uns hieraus der Begriff eines besondern Objekts nehmlich des Goldes, dem alle diese Erscheinungen als Eigenschaften zukommen.

Wir erwarten also bei der Wahrnehmung der einen dieser Erscheinungen, die Wahrnehmung aller übrigen, worinn wir aber zuweilen getäuscht werden, weil diese Erscheinungen keine nothwendige Verknüpfung miteinander haben, sondern diese Verknüpfung in uns nach dem bekannten Erfahrungsgesetze der Association entsprungen ist; daher glaubt ein Kind bei Erblickung der Goldfarbe in der Feder


Die Taͤuschung eben so wie die (historische) Wahrheit beruhet entweder auf der Association der Einbildungskraft, und ist uns mit den Thieren gemein, oder auf einem falschen Urtheile. Jch will mich hieruͤber umstaͤndlicher erklaͤren.

Wenn wir verschiedne Erscheinungen bestaͤndig miteinander in Zeit und Raum verknuͤpft wahrgenommen haben, so entsteht bei uns der Begrif eines Objekts das aus allen diesen Erscheinungen zusammengesetzt, und wovon jede insbesondere ein Merkmaal oder eine Vorstellung ist. Wir haben zum Beispiel bestaͤndig wahrgenommen, daß gelbe Farbe, vorzuͤgliche Dichtigkeit und Schwere, Aufloͤßbarkeit in Aquaregis, Schmelzbarkeit u.d.gl. in Zeit und Raum verknuͤpft sind, so daß wo und wenn die eine dieser Erscheinungen angetroffen wird, auch alle uͤbrigen angetroffen werden. Es entsteht daher bei uns hieraus der Begriff eines besondern Objekts nehmlich des Goldes, dem alle diese Erscheinungen als Eigenschaften zukommen.

Wir erwarten also bei der Wahrnehmung der einen dieser Erscheinungen, die Wahrnehmung aller uͤbrigen, worinn wir aber zuweilen getaͤuscht werden, weil diese Erscheinungen keine nothwendige Verknuͤpfung miteinander haben, sondern diese Verknuͤpfung in uns nach dem bekannten Erfahrungsgesetze der Association entsprungen ist; daher glaubt ein Kind bei Erblickung der Goldfarbe in der Feder

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[39/0039] Die Taͤuschung eben so wie die (historische) Wahrheit beruhet entweder auf der Association der Einbildungskraft, und ist uns mit den Thieren gemein, oder auf einem falschen Urtheile. Jch will mich hieruͤber umstaͤndlicher erklaͤren. Wenn wir verschiedne Erscheinungen bestaͤndig miteinander in Zeit und Raum verknuͤpft wahrgenommen haben, so entsteht bei uns der Begrif eines Objekts das aus allen diesen Erscheinungen zusammengesetzt, und wovon jede insbesondere ein Merkmaal oder eine Vorstellung ist. Wir haben zum Beispiel bestaͤndig wahrgenommen, daß gelbe Farbe, vorzuͤgliche Dichtigkeit und Schwere, Aufloͤßbarkeit in Aquaregis, Schmelzbarkeit u.d.gl. in Zeit und Raum verknuͤpft sind, so daß wo und wenn die eine dieser Erscheinungen angetroffen wird, auch alle uͤbrigen angetroffen werden. Es entsteht daher bei uns hieraus der Begriff eines besondern Objekts nehmlich des Goldes, dem alle diese Erscheinungen als Eigenschaften zukommen. Wir erwarten also bei der Wahrnehmung der einen dieser Erscheinungen, die Wahrnehmung aller uͤbrigen, worinn wir aber zuweilen getaͤuscht werden, weil diese Erscheinungen keine nothwendige Verknuͤpfung miteinander haben, sondern diese Verknuͤpfung in uns nach dem bekannten Erfahrungsgesetze der Association entsprungen ist; daher glaubt ein Kind bei Erblickung der Goldfarbe in der Feder

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 3. Berlin, 1791, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0803_1791/39>, abgerufen am 21.11.2024.