Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 3. Berlin, 1791.R...s Schreiben an seinen Freund. Dies Schreiben war denn ganz im Tone der Wertherschen Briefe abgefaßt. Die patriarchalischen Jdeen mußten auf alle Weise wieder erweckt werden; nur Schade, daß es hier nicht wohl ohne Affektation geschehen konnte. Denn um diesen Brief schreiben zu können, schafte sich R... erst einen Theetopf an, und lieh sich eine Tasse, und weil er kein Holz im Hause hatte, kaufte er sich Stroh, welches man in Erfurt zum Brennen braucht, um sich selber in seinem Stübchen, in dem kleinen Oefchen seinen Thee zu kochen, womit er endlich, nachdem er vor Rauch beinahe erstickt war, zu Stande kam. Und als dies nun nur erst einmal geschehen war, so schrieb er gleichsam triumphirend an seinen Freund. Jetzt, mein Lieber! bin ich in einer Lage, welche ich mir nicht reizender wünschen könnte. Jch blicke aus meinem kleinen Fenster über die weite Flur hinaus, sehe ganz in der Ferne eine Reihe Bäumchen auf einem kleinen Hügel hervorragen, und denke an Dich, mein Lieber u.s.w. Jch habe die Schlüssel dieser einsamen Wohnung, und bin hier Herr im Hause und Garten, u.s.w. Wenn ich denn manchmal so da sitze, an dem kleinen Oefchen, und mir selbst meinen Thee koche, u.s.w. Jn dem Tone gieng es fort, und ward ein stattlicher und langer Brief; und als nun R... es R...s Schreiben an seinen Freund. Dies Schreiben war denn ganz im Tone der Wertherschen Briefe abgefaßt. Die patriarchalischen Jdeen mußten auf alle Weise wieder erweckt werden; nur Schade, daß es hier nicht wohl ohne Affektation geschehen konnte. Denn um diesen Brief schreiben zu koͤnnen, schafte sich R... erst einen Theetopf an, und lieh sich eine Tasse, und weil er kein Holz im Hause hatte, kaufte er sich Stroh, welches man in Erfurt zum Brennen braucht, um sich selber in seinem Stuͤbchen, in dem kleinen Oefchen seinen Thee zu kochen, womit er endlich, nachdem er vor Rauch beinahe erstickt war, zu Stande kam. Und als dies nun nur erst einmal geschehen war, so schrieb er gleichsam triumphirend an seinen Freund. Jetzt, mein Lieber! bin ich in einer Lage, welche ich mir nicht reizender wuͤnschen koͤnnte. Jch blicke aus meinem kleinen Fenster uͤber die weite Flur hinaus, sehe ganz in der Ferne eine Reihe Baͤumchen auf einem kleinen Huͤgel hervorragen, und denke an Dich, mein Lieber u.s.w. Jch habe die Schluͤssel dieser einsamen Wohnung, und bin hier Herr im Hause und Garten, u.s.w. Wenn ich denn manchmal so da sitze, an dem kleinen Oefchen, und mir selbst meinen Thee koche, u.s.w. Jn dem Tone gieng es fort, und ward ein stattlicher und langer Brief; und als nun R... es <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0121" n="121"/><lb/> <div n="4"> <head>R...s Schreiben an seinen Freund.</head><lb/> <p>Dies Schreiben war denn ganz im Tone der Wertherschen Briefe abgefaßt. </p> <p>Die patriarchalischen Jdeen mußten auf alle Weise wieder erweckt werden; nur Schade, daß es hier nicht wohl ohne Affektation geschehen konnte. </p> <p>Denn um diesen Brief schreiben zu koͤnnen, schafte sich R... erst einen Theetopf an, und lieh sich eine Tasse, und weil er kein Holz im Hause hatte, kaufte er sich Stroh, welches man in Erfurt zum Brennen braucht, um sich selber in seinem Stuͤbchen, in dem kleinen Oefchen seinen Thee zu kochen, womit er endlich, nachdem er vor Rauch beinahe erstickt war, zu Stande kam. </p> <p>Und als dies nun nur erst einmal geschehen war, so schrieb er gleichsam triumphirend an seinen Freund. </p> <p>Jetzt, mein Lieber! bin ich in einer Lage, welche ich mir nicht reizender wuͤnschen koͤnnte. Jch blicke aus meinem kleinen Fenster uͤber die weite Flur hinaus, sehe ganz in der Ferne eine Reihe Baͤumchen auf einem kleinen Huͤgel hervorragen, und denke an Dich, mein Lieber u.s.w. Jch habe die Schluͤssel dieser einsamen Wohnung, und bin hier Herr im Hause und Garten, u.s.w. Wenn ich denn manchmal so da sitze, an dem kleinen Oefchen, und mir selbst meinen Thee koche, u.s.w. </p> <p>Jn dem Tone gieng es fort, und ward ein stattlicher und langer Brief; und als nun R... es<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [121/0121]
R...s Schreiben an seinen Freund.
Dies Schreiben war denn ganz im Tone der Wertherschen Briefe abgefaßt.
Die patriarchalischen Jdeen mußten auf alle Weise wieder erweckt werden; nur Schade, daß es hier nicht wohl ohne Affektation geschehen konnte.
Denn um diesen Brief schreiben zu koͤnnen, schafte sich R... erst einen Theetopf an, und lieh sich eine Tasse, und weil er kein Holz im Hause hatte, kaufte er sich Stroh, welches man in Erfurt zum Brennen braucht, um sich selber in seinem Stuͤbchen, in dem kleinen Oefchen seinen Thee zu kochen, womit er endlich, nachdem er vor Rauch beinahe erstickt war, zu Stande kam.
Und als dies nun nur erst einmal geschehen war, so schrieb er gleichsam triumphirend an seinen Freund.
Jetzt, mein Lieber! bin ich in einer Lage, welche ich mir nicht reizender wuͤnschen koͤnnte. Jch blicke aus meinem kleinen Fenster uͤber die weite Flur hinaus, sehe ganz in der Ferne eine Reihe Baͤumchen auf einem kleinen Huͤgel hervorragen, und denke an Dich, mein Lieber u.s.w. Jch habe die Schluͤssel dieser einsamen Wohnung, und bin hier Herr im Hause und Garten, u.s.w. Wenn ich denn manchmal so da sitze, an dem kleinen Oefchen, und mir selbst meinen Thee koche, u.s.w.
Jn dem Tone gieng es fort, und ward ein stattlicher und langer Brief; und als nun R... es
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