Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 3. Berlin, 1791.
Jch werde dem Herrn mit seiner Erlaubniß folgendes Dilemma vorlegen. Die moralischen oder physischen Erscheinungen, die ich durch die Erzählungen dieser Person erfahren habe, mußten auf Resultate führen, die entweder ausschweifend, und würklich wahnsinnig waren, oder aber auf solche die zwar anscheinend wahr, aber doch zweideutig, zweifelhaft, und wohl gar gefährlich waren. Jn dem einen Falle, würde es der Mühe nicht gelohnt haben sie zu erzählen, und im andern Falle, erinnere sich der Herr jenes Philosophen der einst sagte: wenn ich alle Wahrheiten in meiner zugemachten Hand hätte, so würde ich mich wohl hüten, sie zu öffnen. Nun so mache einen Finger nach dem andern auf, erwiderte ihm zwar jener; aber wenn einen Finger aufmachen so viel heißt als die Büchse der Pandora öffnen, von der man im voraus weiß, daß sie nun durch den Misbrauch dem alle Dinge bei dem Menschen unterworfen sind, eine unendliche Menge Uebel, so wie in unsrem Falle, eine unendliche Menge Jrrthümer, und falscher Systeme verbreiten wird; ist es dann nicht besser, die Hand fest zu zu halten, und auch nicht einen Finger aufzumachen? Jch wenigstens denke so, und wenn Jhr Journalist andrer Meinung ist; so scheint es wohl, er habe in seinem Leben wenig außerordentliche, würk-
Jch werde dem Herrn mit seiner Erlaubniß folgendes Dilemma vorlegen. Die moralischen oder physischen Erscheinungen, die ich durch die Erzaͤhlungen dieser Person erfahren habe, mußten auf Resultate fuͤhren, die entweder ausschweifend, und wuͤrklich wahnsinnig waren, oder aber auf solche die zwar anscheinend wahr, aber doch zweideutig, zweifelhaft, und wohl gar gefaͤhrlich waren. Jn dem einen Falle, wuͤrde es der Muͤhe nicht gelohnt haben sie zu erzaͤhlen, und im andern Falle, erinnere sich der Herr jenes Philosophen der einst sagte: wenn ich alle Wahrheiten in meiner zugemachten Hand haͤtte, so wuͤrde ich mich wohl huͤten, sie zu oͤffnen. Nun so mache einen Finger nach dem andern auf, erwiderte ihm zwar jener; aber wenn einen Finger aufmachen so viel heißt als die Buͤchse der Pandora oͤffnen, von der man im voraus weiß, daß sie nun durch den Misbrauch dem alle Dinge bei dem Menschen unterworfen sind, eine unendliche Menge Uebel, so wie in unsrem Falle, eine unendliche Menge Jrrthuͤmer, und falscher Systeme verbreiten wird; ist es dann nicht besser, die Hand fest zu zu halten, und auch nicht einen Finger aufzumachen? Jch wenigstens denke so, und wenn Jhr Journalist andrer Meinung ist; so scheint es wohl, er habe in seinem Leben wenig außerordentliche, wuͤrk- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0106" n="106"/><lb/> sich anvertrauet hat, nicht rathsam findet, oͤffentlich bekannt zu machen. </p> <p>Jch werde dem Herrn mit seiner Erlaubniß folgendes Dilemma vorlegen. Die moralischen oder physischen Erscheinungen, die ich durch die Erzaͤhlungen dieser Person erfahren habe, mußten auf Resultate fuͤhren, die entweder ausschweifend, und wuͤrklich wahnsinnig waren, oder aber auf solche die zwar anscheinend wahr, aber doch zweideutig, zweifelhaft, und wohl gar gefaͤhrlich waren. Jn dem einen Falle, wuͤrde es der Muͤhe nicht gelohnt haben sie zu erzaͤhlen, und im andern Falle, erinnere sich der Herr jenes Philosophen der einst sagte: wenn ich alle Wahrheiten in meiner zugemachten Hand haͤtte, so wuͤrde ich mich wohl huͤten, sie zu oͤffnen. Nun so mache einen Finger nach dem andern auf, erwiderte ihm zwar jener; aber wenn einen Finger aufmachen so viel heißt als die Buͤchse der Pandora oͤffnen, von der man im voraus weiß, daß sie nun durch den Misbrauch dem alle Dinge bei dem Menschen unterworfen sind, eine unendliche Menge Uebel, so wie in unsrem Falle, eine unendliche Menge Jrrthuͤmer, und falscher Systeme verbreiten wird; ist es dann nicht besser, die Hand fest zu zu halten, und auch nicht einen Finger aufzumachen? </p> <p>Jch wenigstens denke so, und wenn Jhr Journalist andrer Meinung ist; so scheint es wohl, er habe in seinem Leben wenig außerordentliche, wuͤrk-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [106/0106]
sich anvertrauet hat, nicht rathsam findet, oͤffentlich bekannt zu machen.
Jch werde dem Herrn mit seiner Erlaubniß folgendes Dilemma vorlegen. Die moralischen oder physischen Erscheinungen, die ich durch die Erzaͤhlungen dieser Person erfahren habe, mußten auf Resultate fuͤhren, die entweder ausschweifend, und wuͤrklich wahnsinnig waren, oder aber auf solche die zwar anscheinend wahr, aber doch zweideutig, zweifelhaft, und wohl gar gefaͤhrlich waren. Jn dem einen Falle, wuͤrde es der Muͤhe nicht gelohnt haben sie zu erzaͤhlen, und im andern Falle, erinnere sich der Herr jenes Philosophen der einst sagte: wenn ich alle Wahrheiten in meiner zugemachten Hand haͤtte, so wuͤrde ich mich wohl huͤten, sie zu oͤffnen. Nun so mache einen Finger nach dem andern auf, erwiderte ihm zwar jener; aber wenn einen Finger aufmachen so viel heißt als die Buͤchse der Pandora oͤffnen, von der man im voraus weiß, daß sie nun durch den Misbrauch dem alle Dinge bei dem Menschen unterworfen sind, eine unendliche Menge Uebel, so wie in unsrem Falle, eine unendliche Menge Jrrthuͤmer, und falscher Systeme verbreiten wird; ist es dann nicht besser, die Hand fest zu zu halten, und auch nicht einen Finger aufzumachen?
Jch wenigstens denke so, und wenn Jhr Journalist andrer Meinung ist; so scheint es wohl, er habe in seinem Leben wenig außerordentliche, wuͤrk-
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