Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 3. Berlin, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

Nirgend ist diese Behandlungsart aber anwendbarer als bei Wahnwitzigen; denn nichts heftet den Verstand so sehr auf einen Punkt als die körperlichen Schmerzen, und Peitschen ist die einzige Art, anhaltende Schmerzen hervorzubringen, ohne physische Gefahr befürchten zu dürfen. Jndessen muß man nicht auf den Rücken peitschen, weil man Gefahr läuft der Brust zu schaden, sondern auf gut russisch, die Hinterbacken, der Kranke sey übrigens männlichen oder weiblichen Geschlechts.

Wir müßten also nur noch untersuchen, welche Veränderungen der Zusammenfluß des Bluts, der Säfte u.s.w., den wir durch diese Behandlungsart in einem vom Kopfe ganz entfernten, und blos körperlichen Theile hervorbringen, auf den Kopf selbst würken wird. Dies war es, was unser Arzt zu Mayland versuchen wollte, und ich gebe seiner Theorie völligen Beifall.*) Jch hätte wohl gewünscht, diese Versuche selbst anstellen zu können, ich durfte es aber nicht wagen. Man würde mich gesteinigt haben, wenn ich einen Wahnwitzigen hätte peitschen lassen. Es giebt eine Art Menschen, die nicht über ihre Nase wegsehen können, und diese können eine solche Jdee nicht ertragen.

*) Jn der vortreflichen Abhandlung des Herrn Mendelssohn über die Erfahrung des Herrn Spalding, finden sich Bemerkungen, die auf eben diesen Weg führen.

Nirgend ist diese Behandlungsart aber anwendbarer als bei Wahnwitzigen; denn nichts heftet den Verstand so sehr auf einen Punkt als die koͤrperlichen Schmerzen, und Peitschen ist die einzige Art, anhaltende Schmerzen hervorzubringen, ohne physische Gefahr befuͤrchten zu duͤrfen. Jndessen muß man nicht auf den Ruͤcken peitschen, weil man Gefahr laͤuft der Brust zu schaden, sondern auf gut russisch, die Hinterbacken, der Kranke sey uͤbrigens maͤnnlichen oder weiblichen Geschlechts.

Wir muͤßten also nur noch untersuchen, welche Veraͤnderungen der Zusammenfluß des Bluts, der Saͤfte u.s.w., den wir durch diese Behandlungsart in einem vom Kopfe ganz entfernten, und blos koͤrperlichen Theile hervorbringen, auf den Kopf selbst wuͤrken wird. Dies war es, was unser Arzt zu Mayland versuchen wollte, und ich gebe seiner Theorie voͤlligen Beifall.*) Jch haͤtte wohl gewuͤnscht, diese Versuche selbst anstellen zu koͤnnen, ich durfte es aber nicht wagen. Man wuͤrde mich gesteinigt haben, wenn ich einen Wahnwitzigen haͤtte peitschen lassen. Es giebt eine Art Menschen, die nicht uͤber ihre Nase wegsehen koͤnnen, und diese koͤnnen eine solche Jdee nicht ertragen.

*) Jn der vortreflichen Abhandlung des Herrn Mendelssohn uͤber die Erfahrung des Herrn Spalding, finden sich Bemerkungen, die auf eben diesen Weg fuͤhren.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0103" n="103"/><lb/>
            <p>Nirgend ist diese Behandlungsart aber anwendbarer als bei Wahnwitzigen; denn                         nichts heftet den Verstand so sehr auf <hi rendition="#b">einen</hi> Punkt                         als die ko&#x0364;rperlichen Schmerzen, und Peitschen ist die einzige Art,                         anhaltende Schmerzen hervorzubringen, ohne physische Gefahr befu&#x0364;rchten zu                         du&#x0364;rfen. Jndessen muß man nicht auf den Ru&#x0364;cken peitschen, weil man Gefahr                         la&#x0364;uft der Brust zu schaden, sondern auf gut russisch, die Hinterbacken, der                         Kranke sey u&#x0364;brigens ma&#x0364;nnlichen oder weiblichen Geschlechts. </p>
            <p>Wir mu&#x0364;ßten also nur noch untersuchen, welche Vera&#x0364;nderungen der Zusammenfluß                         des Bluts, der Sa&#x0364;fte u.s.w., den wir durch diese Behandlungsart in einem vom                         Kopfe ganz entfernten, und blos ko&#x0364;rperlichen Theile hervorbringen, auf den                         Kopf selbst wu&#x0364;rken wird. Dies war es, was unser Arzt zu <hi rendition="#b">Mayland</hi> versuchen wollte, und ich gebe seiner Theorie vo&#x0364;lligen                             Beifall.*)<note place="foot"><p>*) Jn der vortreflichen Abhandlung des Herrn <hi rendition="#b">Mendelssohn</hi> u&#x0364;ber die Erfahrung des Herrn <hi rendition="#b">Spalding,</hi> finden sich Bemerkungen, die auf                                 eben diesen Weg fu&#x0364;hren.</p></note> Jch ha&#x0364;tte wohl gewu&#x0364;nscht, diese Versuche selbst anstellen zu ko&#x0364;nnen,                         ich durfte es aber nicht wagen. Man wu&#x0364;rde mich gesteinigt haben, wenn ich                         einen Wahnwitzigen ha&#x0364;tte peitschen lassen. Es giebt eine Art Menschen, die                         nicht u&#x0364;ber ihre Nase wegsehen ko&#x0364;nnen, und diese ko&#x0364;nnen eine solche Jdee                         nicht ertragen.<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[103/0103] Nirgend ist diese Behandlungsart aber anwendbarer als bei Wahnwitzigen; denn nichts heftet den Verstand so sehr auf einen Punkt als die koͤrperlichen Schmerzen, und Peitschen ist die einzige Art, anhaltende Schmerzen hervorzubringen, ohne physische Gefahr befuͤrchten zu duͤrfen. Jndessen muß man nicht auf den Ruͤcken peitschen, weil man Gefahr laͤuft der Brust zu schaden, sondern auf gut russisch, die Hinterbacken, der Kranke sey uͤbrigens maͤnnlichen oder weiblichen Geschlechts. Wir muͤßten also nur noch untersuchen, welche Veraͤnderungen der Zusammenfluß des Bluts, der Saͤfte u.s.w., den wir durch diese Behandlungsart in einem vom Kopfe ganz entfernten, und blos koͤrperlichen Theile hervorbringen, auf den Kopf selbst wuͤrken wird. Dies war es, was unser Arzt zu Mayland versuchen wollte, und ich gebe seiner Theorie voͤlligen Beifall.*) Jch haͤtte wohl gewuͤnscht, diese Versuche selbst anstellen zu koͤnnen, ich durfte es aber nicht wagen. Man wuͤrde mich gesteinigt haben, wenn ich einen Wahnwitzigen haͤtte peitschen lassen. Es giebt eine Art Menschen, die nicht uͤber ihre Nase wegsehen koͤnnen, und diese koͤnnen eine solche Jdee nicht ertragen. *) Jn der vortreflichen Abhandlung des Herrn Mendelssohn uͤber die Erfahrung des Herrn Spalding, finden sich Bemerkungen, die auf eben diesen Weg fuͤhren.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0803_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0803_1791/103
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 3. Berlin, 1791, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0803_1791/103>, abgerufen am 22.11.2024.