Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 2. Berlin, 1791.
Es hängt aber die Wirksamkeit einer Vorstellung von zwey Ursachen ab; von ihrer Lebhaftigkeit und von ihrer Dauer. Was die erste betrift, so kömmt diese hier nicht in Betrachtung, da es in Ansehung ihrer keine wesentliche Verschiedenheit unter den verschiedenen sinnlichen Vorstellungen giebt, und bis auf einen gewissen Grad, der ins schmerzhafte Gefühl übergeht, kann eine jede bald lebhafter bald stumpfer als die übrigen seyn. Jn Ansehung der letzten aber findet sich ein merklicher Unterschied zwischen den verschiedenen sinnlichen Eindrücken, und also auch zwischen ihren Vorstellungen. Vorzüglich ist er zwischen den Vorstellungen des Gesichts und des Gehörs auffallend. Offenbar sind jene von weit längerer Dauer als diese. Die Vorstellung gewisser Wörter z.B. welche den empfangenen Eindruck derselben durch das Gehör begleitet, sie mag noch so unmittelbar darauf folgen, ist doch immer in der Dauer nur Erinnerung. Der Schall ist vorüber, und den Augenblick darauf muß die erregte Vorstellung sich durch sich selbst, vermittelst der Erinnerung des
Es haͤngt aber die Wirksamkeit einer Vorstellung von zwey Ursachen ab; von ihrer Lebhaftigkeit und von ihrer Dauer. Was die erste betrift, so koͤmmt diese hier nicht in Betrachtung, da es in Ansehung ihrer keine wesentliche Verschiedenheit unter den verschiedenen sinnlichen Vorstellungen giebt, und bis auf einen gewissen Grad, der ins schmerzhafte Gefuͤhl uͤbergeht, kann eine jede bald lebhafter bald stumpfer als die uͤbrigen seyn. Jn Ansehung der letzten aber findet sich ein merklicher Unterschied zwischen den verschiedenen sinnlichen Eindruͤcken, und also auch zwischen ihren Vorstellungen. Vorzuͤglich ist er zwischen den Vorstellungen des Gesichts und des Gehoͤrs auffallend. Offenbar sind jene von weit laͤngerer Dauer als diese. Die Vorstellung gewisser Woͤrter z.B. welche den empfangenen Eindruck derselben durch das Gehoͤr begleitet, sie mag noch so unmittelbar darauf folgen, ist doch immer in der Dauer nur Erinnerung. Der Schall ist voruͤber, und den Augenblick darauf muß die erregte Vorstellung sich durch sich selbst, vermittelst der Erinnerung des <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0004" n="4"/><lb/> wenn deren Muskeln eine so geringe Reitzbarkeit haben, daß der gewoͤhnliche Einfluß des Saftes in ihre Nerven in ihnen keine Zusammenziehung hervorzubringen vermag, so muß die Thaͤtigkeit der Willkuͤhr desto groͤßer, ihre Anstrengung, und folglich die Vorstellung, die sie zu dieser Anstrengung spornt, desto staͤrker seyn, und so umgekehrt.</p> <p>Es haͤngt aber die Wirksamkeit einer Vorstellung von zwey Ursachen ab; von ihrer <hi rendition="#b">Lebhaftigkeit</hi> und von ihrer <hi rendition="#b">Dauer.</hi> Was die erste betrift, so koͤmmt diese hier nicht in Betrachtung, da es in Ansehung ihrer keine wesentliche Verschiedenheit unter den verschiedenen sinnlichen Vorstellungen giebt, und bis auf einen gewissen Grad, der ins schmerzhafte Gefuͤhl uͤbergeht, kann eine jede bald lebhafter bald stumpfer als die uͤbrigen seyn. </p> <p>Jn Ansehung der letzten aber findet sich ein merklicher Unterschied zwischen den verschiedenen sinnlichen Eindruͤcken, und also auch zwischen ihren Vorstellungen. Vorzuͤglich ist er zwischen den Vorstellungen des Gesichts und des Gehoͤrs auffallend. Offenbar sind jene von weit laͤngerer Dauer als diese. Die Vorstellung gewisser Woͤrter z.B. welche den empfangenen Eindruck derselben durch das Gehoͤr begleitet, sie mag noch so unmittelbar darauf folgen, ist doch immer in der Dauer nur <hi rendition="#b">Erinnerung.</hi> Der Schall ist voruͤber, und den Augenblick darauf muß die erregte Vorstellung sich durch sich selbst, vermittelst der Erinnerung des<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [4/0004]
wenn deren Muskeln eine so geringe Reitzbarkeit haben, daß der gewoͤhnliche Einfluß des Saftes in ihre Nerven in ihnen keine Zusammenziehung hervorzubringen vermag, so muß die Thaͤtigkeit der Willkuͤhr desto groͤßer, ihre Anstrengung, und folglich die Vorstellung, die sie zu dieser Anstrengung spornt, desto staͤrker seyn, und so umgekehrt.
Es haͤngt aber die Wirksamkeit einer Vorstellung von zwey Ursachen ab; von ihrer Lebhaftigkeit und von ihrer Dauer. Was die erste betrift, so koͤmmt diese hier nicht in Betrachtung, da es in Ansehung ihrer keine wesentliche Verschiedenheit unter den verschiedenen sinnlichen Vorstellungen giebt, und bis auf einen gewissen Grad, der ins schmerzhafte Gefuͤhl uͤbergeht, kann eine jede bald lebhafter bald stumpfer als die uͤbrigen seyn.
Jn Ansehung der letzten aber findet sich ein merklicher Unterschied zwischen den verschiedenen sinnlichen Eindruͤcken, und also auch zwischen ihren Vorstellungen. Vorzuͤglich ist er zwischen den Vorstellungen des Gesichts und des Gehoͤrs auffallend. Offenbar sind jene von weit laͤngerer Dauer als diese. Die Vorstellung gewisser Woͤrter z.B. welche den empfangenen Eindruck derselben durch das Gehoͤr begleitet, sie mag noch so unmittelbar darauf folgen, ist doch immer in der Dauer nur Erinnerung. Der Schall ist voruͤber, und den Augenblick darauf muß die erregte Vorstellung sich durch sich selbst, vermittelst der Erinnerung des
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 2. Berlin, 1791, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0802_1791/4>, abgerufen am 17.02.2025. |