Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 2. Berlin, 1791.
Die Vorstellkraft, oder das Vorstellvermögen, muß man sich als ein ausströmendes, geistiges und lebendiges Wesen denken: kennen kann es a priori kein Mensch; allein, darum bekümmert sich auch kein Logiker, sondern bloß um Prädikate oder Prämissen. Die Jntelligenz A. geht also hier gleich auf das Object D. den Apfel loß, und macht ihn zu denken möglich, indem sie seine Form der Sinnlichkeit -- des Apfels Gestalt durch C. in die Einbildungskraft B. überträgt. Diese ist das Mittelband zwischen Sinnen und Verstande, und die Zeit ist das homogene Medium dazu, wodurch sich der Verstand versinnlichen kann. Die Einbildungskraft B. producirt nun den Gegenstand D., und hält ihn dem Vorstellvermögen zugleich vor, d.i. sie producirt ihn eine Weile, oder so lange sies soll, bis er nun erst im Bewußtseyn aufgenommen und erkannt, oder als ein Verstandesfabrikat deutlich gedacht werden kann. Hieraus erhellet nun evident, daß allgemeingeltende Denkgesetze a priori in unsrer Jntelligenz vorhanden seyn müssen, die, wenn die Organisation nicht widernatürlich gebildet, mangelhaft oder verdorben ist, der Jntelligenz zu Denkmitteln dienen, wie sie ihre Vermögen und Gränzen, und was ihr gesetzmäßig vorgeschrieben ist, dadurch kennen und anwenden lernt.
Die Vorstellkraft, oder das Vorstellvermoͤgen, muß man sich als ein ausstroͤmendes, geistiges und lebendiges Wesen denken: kennen kann es a priori kein Mensch; allein, darum bekuͤmmert sich auch kein Logiker, sondern bloß um Praͤdikate oder Praͤmissen. Die Jntelligenz A. geht also hier gleich auf das Object D. den Apfel loß, und macht ihn zu denken moͤglich, indem sie seine Form der Sinnlichkeit — des Apfels Gestalt durch C. in die Einbildungskraft B. uͤbertraͤgt. Diese ist das Mittelband zwischen Sinnen und Verstande, und die Zeit ist das homogene Medium dazu, wodurch sich der Verstand versinnlichen kann. Die Einbildungskraft B. producirt nun den Gegenstand D., und haͤlt ihn dem Vorstellvermoͤgen zugleich vor, d.i. sie producirt ihn eine Weile, oder so lange sies soll, bis er nun erst im Bewußtseyn aufgenommen und erkannt, oder als ein Verstandesfabrikat deutlich gedacht werden kann. Hieraus erhellet nun evident, daß allgemeingeltende Denkgesetze a priori in unsrer Jntelligenz vorhanden seyn muͤssen, die, wenn die Organisation nicht widernatuͤrlich gebildet, mangelhaft oder verdorben ist, der Jntelligenz zu Denkmitteln dienen, wie sie ihre Vermoͤgen und Graͤnzen, und was ihr gesetzmaͤßig vorgeschrieben ist, dadurch kennen und anwenden lernt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><hi rendition="#b"><pb facs="#f0033" n="33"/><lb/> lich</hi> , nein, sondern erst zu denken <hi rendition="#b">moͤglich,</hi> und das geht so zu. </p> <p>Die Vorstellkraft, oder das Vorstellvermoͤgen, muß man sich als ein ausstroͤmendes, geistiges und lebendiges Wesen denken: kennen kann es <hi rendition="#aq">a priori</hi> kein Mensch; allein, darum bekuͤmmert sich auch kein Logiker, sondern bloß um Praͤdikate oder Praͤmissen. Die Jntelligenz <hi rendition="#aq">A.</hi> geht also hier gleich auf das Object <hi rendition="#aq">D.</hi> den Apfel loß, und macht ihn zu denken <hi rendition="#b">moͤglich,</hi> indem sie seine Form der Sinnlichkeit — des Apfels Gestalt durch <hi rendition="#aq">C.</hi> in die Einbildungskraft <hi rendition="#aq">B.</hi> uͤbertraͤgt. Diese ist das Mittelband zwischen Sinnen und Verstande, und die Zeit ist das homogene Medium dazu, wodurch sich der Verstand versinnlichen kann. Die Einbildungskraft <hi rendition="#aq">B.</hi> producirt nun den Gegenstand <hi rendition="#aq">D.,</hi> und haͤlt ihn dem Vorstellvermoͤgen zugleich vor, d.i. sie producirt ihn eine Weile, oder so lange sies soll, bis er nun erst im Bewußtseyn aufgenommen und erkannt, oder als ein Verstandesfabrikat <hi rendition="#b">deutlich</hi> gedacht werden kann. </p> <p>Hieraus erhellet nun evident, daß allgemeingeltende Denkgesetze <hi rendition="#aq">a priori</hi> in unsrer Jntelligenz vorhanden seyn muͤssen, die, wenn die Organisation nicht widernatuͤrlich gebildet, mangelhaft oder verdorben ist, der Jntelligenz zu Denkmitteln dienen, wie sie ihre Vermoͤgen und Graͤnzen, und was ihr gesetzmaͤßig vorgeschrieben ist, dadurch kennen und anwenden lernt. </p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [33/0033]
lich , nein, sondern erst zu denken moͤglich, und das geht so zu.
Die Vorstellkraft, oder das Vorstellvermoͤgen, muß man sich als ein ausstroͤmendes, geistiges und lebendiges Wesen denken: kennen kann es a priori kein Mensch; allein, darum bekuͤmmert sich auch kein Logiker, sondern bloß um Praͤdikate oder Praͤmissen. Die Jntelligenz A. geht also hier gleich auf das Object D. den Apfel loß, und macht ihn zu denken moͤglich, indem sie seine Form der Sinnlichkeit — des Apfels Gestalt durch C. in die Einbildungskraft B. uͤbertraͤgt. Diese ist das Mittelband zwischen Sinnen und Verstande, und die Zeit ist das homogene Medium dazu, wodurch sich der Verstand versinnlichen kann. Die Einbildungskraft B. producirt nun den Gegenstand D., und haͤlt ihn dem Vorstellvermoͤgen zugleich vor, d.i. sie producirt ihn eine Weile, oder so lange sies soll, bis er nun erst im Bewußtseyn aufgenommen und erkannt, oder als ein Verstandesfabrikat deutlich gedacht werden kann.
Hieraus erhellet nun evident, daß allgemeingeltende Denkgesetze a priori in unsrer Jntelligenz vorhanden seyn muͤssen, die, wenn die Organisation nicht widernatuͤrlich gebildet, mangelhaft oder verdorben ist, der Jntelligenz zu Denkmitteln dienen, wie sie ihre Vermoͤgen und Graͤnzen, und was ihr gesetzmaͤßig vorgeschrieben ist, dadurch kennen und anwenden lernt.
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 2. Berlin, 1791, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0802_1791/33>, abgerufen am 16.02.2025. |