Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 2. Berlin, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite


anhalten. Er war damals ohngefähr vier Jahr alt, und blieb bei dem Vorsatze, ein Laufer zu werden, bis in sein siebentes Jahr.

2) Jn seinem siebenten Jahre zogen seine Eltern auf das Land nach einem Orte Namens W.... -- Hier wohnten sie in einem Hause, wo jedesmal der Kuhhirte vorbei kam, wenn er seine Trift Kühe aus oder eintrieb. Dies sah nun der kleine K.... sehr oft, es war Sommer, meistens schönes Wetter, und seine Mutter redete immer viel vom schönen Hirtenleben, daß es draußen so schön wäre, daß ihm das Mittagsessen heraus gebracht würde, daß das im Freien so gut schmekte, daß er dann aus einer frischen Quelle einmal dazu tränke, und sich darauf unter einem grünen Busche niederlegte und schliefe, während daß seine Kühe weideten. K.... horchte begierig zu, wenn seine Mutter diese Beschreibung machte, und weg war der Laufer aus seiner Vorstellung sammt dem schönen Habit und dem Lauferstabe; er wollte nun nicht mehr ein Laufer sondern ein Kuhhirt werden.

Da er dies seinen Eltern sagte, und diese ihm antworteten es gienge nicht, weil ja noch ein Kuhhirt da sey, so frug er nun alle Tage ob der Kuhhirt noch nicht bald sterben würde; denn nach dessen Tode dachte er würde es ihm nicht fehl schlagen, wieder Kuhhirt zu werden.



anhalten. Er war damals ohngefaͤhr vier Jahr alt, und blieb bei dem Vorsatze, ein Laufer zu werden, bis in sein siebentes Jahr.

2) Jn seinem siebenten Jahre zogen seine Eltern auf das Land nach einem Orte Namens W.... — Hier wohnten sie in einem Hause, wo jedesmal der Kuhhirte vorbei kam, wenn er seine Trift Kuͤhe aus oder eintrieb. Dies sah nun der kleine K.... sehr oft, es war Sommer, meistens schoͤnes Wetter, und seine Mutter redete immer viel vom schoͤnen Hirtenleben, daß es draußen so schoͤn waͤre, daß ihm das Mittagsessen heraus gebracht wuͤrde, daß das im Freien so gut schmekte, daß er dann aus einer frischen Quelle einmal dazu traͤnke, und sich darauf unter einem gruͤnen Busche niederlegte und schliefe, waͤhrend daß seine Kuͤhe weideten. K.... horchte begierig zu, wenn seine Mutter diese Beschreibung machte, und weg war der Laufer aus seiner Vorstellung sammt dem schoͤnen Habit und dem Lauferstabe; er wollte nun nicht mehr ein Laufer sondern ein Kuhhirt werden.

Da er dies seinen Eltern sagte, und diese ihm antworteten es gienge nicht, weil ja noch ein Kuhhirt da sey, so frug er nun alle Tage ob der Kuhhirt noch nicht bald sterben wuͤrde; denn nach dessen Tode dachte er wuͤrde es ihm nicht fehl schlagen, wieder Kuhhirt zu werden.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0108" n="108"/><lb/>
anhalten. Er war damals ohngefa&#x0364;hr vier Jahr alt, und                         blieb bei dem Vorsatze, ein Laufer zu werden, bis in sein siebentes                         Jahr.</p>
            <p>2) Jn seinem siebenten Jahre zogen seine Eltern auf das Land nach einem Orte                         Namens W.... &#x2014; Hier wohnten sie in einem Hause, wo jedesmal der Kuhhirte                         vorbei kam, wenn er seine Trift Ku&#x0364;he aus oder eintrieb. Dies sah nun der                         kleine K.... sehr oft, es war Sommer, meistens scho&#x0364;nes Wetter, und seine                         Mutter redete immer viel vom scho&#x0364;nen Hirtenleben, daß es draußen so scho&#x0364;n                         wa&#x0364;re, daß ihm das Mittagsessen heraus gebracht wu&#x0364;rde, daß das im Freien so                         gut schmekte, daß er dann aus einer frischen Quelle einmal dazu tra&#x0364;nke, und                         sich darauf unter einem gru&#x0364;nen Busche niederlegte und schliefe, wa&#x0364;hrend daß                         seine Ku&#x0364;he weideten. K.... horchte begierig zu, wenn seine Mutter diese                         Beschreibung machte, und weg war der Laufer aus seiner Vorstellung sammt dem                         scho&#x0364;nen Habit und dem Lauferstabe; er wollte nun nicht mehr ein Laufer                         sondern ein Kuhhirt werden.</p>
            <p>Da er dies seinen Eltern sagte, und diese ihm antworteten es gienge nicht,                         weil ja noch ein Kuhhirt da sey, so frug er nun alle Tage ob der Kuhhirt                         noch nicht bald sterben wu&#x0364;rde; denn nach dessen Tode dachte er wu&#x0364;rde es ihm                         nicht fehl schlagen, wieder Kuhhirt zu werden.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[108/0108] anhalten. Er war damals ohngefaͤhr vier Jahr alt, und blieb bei dem Vorsatze, ein Laufer zu werden, bis in sein siebentes Jahr. 2) Jn seinem siebenten Jahre zogen seine Eltern auf das Land nach einem Orte Namens W.... — Hier wohnten sie in einem Hause, wo jedesmal der Kuhhirte vorbei kam, wenn er seine Trift Kuͤhe aus oder eintrieb. Dies sah nun der kleine K.... sehr oft, es war Sommer, meistens schoͤnes Wetter, und seine Mutter redete immer viel vom schoͤnen Hirtenleben, daß es draußen so schoͤn waͤre, daß ihm das Mittagsessen heraus gebracht wuͤrde, daß das im Freien so gut schmekte, daß er dann aus einer frischen Quelle einmal dazu traͤnke, und sich darauf unter einem gruͤnen Busche niederlegte und schliefe, waͤhrend daß seine Kuͤhe weideten. K.... horchte begierig zu, wenn seine Mutter diese Beschreibung machte, und weg war der Laufer aus seiner Vorstellung sammt dem schoͤnen Habit und dem Lauferstabe; er wollte nun nicht mehr ein Laufer sondern ein Kuhhirt werden. Da er dies seinen Eltern sagte, und diese ihm antworteten es gienge nicht, weil ja noch ein Kuhhirt da sey, so frug er nun alle Tage ob der Kuhhirt noch nicht bald sterben wuͤrde; denn nach dessen Tode dachte er wuͤrde es ihm nicht fehl schlagen, wieder Kuhhirt zu werden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0802_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0802_1791/108
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 2. Berlin, 1791, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0802_1791/108>, abgerufen am 22.11.2024.