Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 1. Berlin, 1791.
So lebte er dann auf der Universität ein Jahr in der beneidenswerthesten philosophischen Ruhe. Nach Verlauf dieses Jahrs kam ein junger Herr von ** nach eben der Universität, und dies war der Zeitpunkt, wo --g's Natur völlig umgeschaffen wurde. Der junge Herr von ** war Einer der schönsten jungen Leute die ich je gesehen. Eine Sittsamkeit und eine Würde deren natürlichsten Folgen Liebe und stille Hochachtung seyn mußten. --g war, als träfe ihn ein electrischer Schlag, als er ihn das Erstemal sah. Ueber sein Gesicht, sonst nur der Ausdruck der unbefangenen Vernunft, und der geläutertsten Phantasie, jagten sich jetzt wechselseitig Ausdrücke von Empfindungen, wie sich Schatten von Wolken an einem Herbsttage über die Erde jagen. Kam er ihm von ungefähr so nahe, daß er ihn berühren mußte, so bemerkte man eine sichtbare Angst und ein geheimes Zittern an ihm, und doch konnte ihn nichts aus den Zirkel entfernen, in welchem der Herr von ** war. --g war überall, wo er nur vermuthen konnte, daß von ** sey, und als dieser einmal verreist war, erkundigte er sich genau nach dem Tage seiner Zurückkunft, und reiste ihm, ob es gleich das unangenehmste Winterwetter war, drei Meilen entgegen, um mit ihm
So lebte er dann auf der Universitaͤt ein Jahr in der beneidenswerthesten philosophischen Ruhe. Nach Verlauf dieses Jahrs kam ein junger Herr von ** nach eben der Universitaͤt, und dies war der Zeitpunkt, wo —g's Natur voͤllig umgeschaffen wurde. Der junge Herr von ** war Einer der schoͤnsten jungen Leute die ich je gesehen. Eine Sittsamkeit und eine Wuͤrde deren natuͤrlichsten Folgen Liebe und stille Hochachtung seyn mußten. —g war, als traͤfe ihn ein electrischer Schlag, als er ihn das Erstemal sah. Ueber sein Gesicht, sonst nur der Ausdruck der unbefangenen Vernunft, und der gelaͤutertsten Phantasie, jagten sich jetzt wechselseitig Ausdruͤcke von Empfindungen, wie sich Schatten von Wolken an einem Herbsttage uͤber die Erde jagen. Kam er ihm von ungefaͤhr so nahe, daß er ihn beruͤhren mußte, so bemerkte man eine sichtbare Angst und ein geheimes Zittern an ihm, und doch konnte ihn nichts aus den Zirkel entfernen, in welchem der Herr von ** war. —g war uͤberall, wo er nur vermuthen konnte, daß von ** sey, und als dieser einmal verreist war, erkundigte er sich genau nach dem Tage seiner Zuruͤckkunft, und reiste ihm, ob es gleich das unangenehmste Winterwetter war, drei Meilen entgegen, um mit ihm <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0009" n="7"/><lb/> von der er immer mit einer gewissen Ehrerbietung, und mit einem wuͤrdigen Ernste sprach. — </p> <p>So lebte er dann auf der Universitaͤt ein Jahr in der beneidenswerthesten philosophischen Ruhe. </p> <p>Nach Verlauf dieses Jahrs kam ein junger Herr von ** nach eben der Universitaͤt, und dies war der Zeitpunkt, wo —g's Natur voͤllig umgeschaffen wurde. Der junge Herr von ** war Einer der schoͤnsten jungen Leute die ich je gesehen. Eine Sittsamkeit und eine Wuͤrde deren natuͤrlichsten Folgen Liebe und stille Hochachtung seyn mußten. </p> <p>—g war, als traͤfe ihn ein electrischer Schlag, als er ihn das Erstemal sah. Ueber sein Gesicht, sonst nur der Ausdruck der unbefangenen Vernunft, und der gelaͤutertsten Phantasie, jagten sich jetzt wechselseitig Ausdruͤcke von Empfindungen, wie sich Schatten von Wolken an einem Herbsttage uͤber die Erde jagen. </p> <p>Kam er ihm von ungefaͤhr so nahe, daß er ihn beruͤhren mußte, so bemerkte man eine sichtbare Angst und ein geheimes Zittern an ihm, und doch konnte ihn nichts aus den Zirkel entfernen, in welchem der Herr von ** war. —g war uͤberall, wo er nur vermuthen konnte, daß von ** sey, und als dieser einmal verreist war, erkundigte er sich genau nach dem Tage seiner Zuruͤckkunft, und reiste ihm, ob es gleich das unangenehmste Winterwetter war, drei Meilen entgegen, um mit ihm<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [7/0009]
von der er immer mit einer gewissen Ehrerbietung, und mit einem wuͤrdigen Ernste sprach. —
So lebte er dann auf der Universitaͤt ein Jahr in der beneidenswerthesten philosophischen Ruhe.
Nach Verlauf dieses Jahrs kam ein junger Herr von ** nach eben der Universitaͤt, und dies war der Zeitpunkt, wo —g's Natur voͤllig umgeschaffen wurde. Der junge Herr von ** war Einer der schoͤnsten jungen Leute die ich je gesehen. Eine Sittsamkeit und eine Wuͤrde deren natuͤrlichsten Folgen Liebe und stille Hochachtung seyn mußten.
—g war, als traͤfe ihn ein electrischer Schlag, als er ihn das Erstemal sah. Ueber sein Gesicht, sonst nur der Ausdruck der unbefangenen Vernunft, und der gelaͤutertsten Phantasie, jagten sich jetzt wechselseitig Ausdruͤcke von Empfindungen, wie sich Schatten von Wolken an einem Herbsttage uͤber die Erde jagen.
Kam er ihm von ungefaͤhr so nahe, daß er ihn beruͤhren mußte, so bemerkte man eine sichtbare Angst und ein geheimes Zittern an ihm, und doch konnte ihn nichts aus den Zirkel entfernen, in welchem der Herr von ** war. —g war uͤberall, wo er nur vermuthen konnte, daß von ** sey, und als dieser einmal verreist war, erkundigte er sich genau nach dem Tage seiner Zuruͤckkunft, und reiste ihm, ob es gleich das unangenehmste Winterwetter war, drei Meilen entgegen, um mit ihm
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