Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 1. Berlin, 1791.Die andre Begebenheit ist diese: Ein Frauenzimmer, die eine bejahrte Matrone war, und den Genuß der steten Gegenwart Gottes hatte, auch Erfahrung besaß, und dabei oft mit dieser Versuchung befallen wurde, sagte: sie sehe dise Versuchung an, wie eine Leibeskrankheit, deren man nicht loß werden könnte, wann sie käme, und die man in Gedult und mit Ueberlassung in den Willen Gottes tragen müßte. Wann Sie es auch also machen, und Jhren Willen davon abziehen, wird dieses Jhnen nicht schaden, sondern in Erkennung Jhrer Nichtigkeit, Elends und Unvermögens Sie allmählig in der Demuth gründen. Hüte dich, daß du in keine Sünde willigest, noch thust wider Gottes Gebote, sagte der alte Tobias zu seinem Sohn. Jn Ansehung Jhrer obengemeldeten Versuchung habe ich noch zu melden, daß, wann Gott zu Jhrer Demüthigung zulassen sollte, daß Sie in der Versuchung unterliegen und fallen sollten, (welches ich jedoch hoffe, daß es nicht geschehen werde) so müssen Sie nach Anweisung der bewährtesten und erleuchtetsten geistlichen Führer, in Jhrem Fall weder liegen bleiben, noch sich lange damit aufhalten, Jhren Fehler zu betrachten, sondern Sie müssen sich geschwinde wieder aufraffen, und zu Jesu Jhre Zuflucht nehmen, Jhren Fehler vor dem Angesicht Gottes erkennen, bekennen und nicht bemänteln noch sich entschuldigen, auch müssen Die andre Begebenheit ist diese: Ein Frauenzimmer, die eine bejahrte Matrone war, und den Genuß der steten Gegenwart Gottes hatte, auch Erfahrung besaß, und dabei oft mit dieser Versuchung befallen wurde, sagte: sie sehe dise Versuchung an, wie eine Leibeskrankheit, deren man nicht loß werden koͤnnte, wann sie kaͤme, und die man in Gedult und mit Ueberlassung in den Willen Gottes tragen muͤßte. Wann Sie es auch also machen, und Jhren Willen davon abziehen, wird dieses Jhnen nicht schaden, sondern in Erkennung Jhrer Nichtigkeit, Elends und Unvermoͤgens Sie allmaͤhlig in der Demuth gruͤnden. Huͤte dich, daß du in keine Suͤnde willigest, noch thust wider Gottes Gebote, sagte der alte Tobias zu seinem Sohn. Jn Ansehung Jhrer obengemeldeten Versuchung habe ich noch zu melden, daß, wann Gott zu Jhrer Demuͤthigung zulassen sollte, daß Sie in der Versuchung unterliegen und fallen sollten, (welches ich jedoch hoffe, daß es nicht geschehen werde) so muͤssen Sie nach Anweisung der bewaͤhrtesten und erleuchtetsten geistlichen Fuͤhrer, in Jhrem Fall weder liegen bleiben, noch sich lange damit aufhalten, Jhren Fehler zu betrachten, sondern Sie muͤssen sich geschwinde wieder aufraffen, und zu Jesu Jhre Zuflucht nehmen, Jhren Fehler vor dem Angesicht Gottes erkennen, bekennen und nicht bemaͤnteln noch sich entschuldigen, auch muͤssen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0076" n="74"/><lb/> <p>Die <hi rendition="#b">andre</hi> Begebenheit ist diese: Ein Frauenzimmer, die eine bejahrte Matrone war, und den Genuß der steten Gegenwart Gottes hatte, auch Erfahrung besaß, und dabei oft mit dieser Versuchung befallen wurde, sagte: sie sehe dise Versuchung an, wie eine Leibeskrankheit, deren man nicht loß werden koͤnnte, wann sie kaͤme, und die man in Gedult und mit Ueberlassung in den Willen Gottes tragen muͤßte. </p> <p>Wann Sie es auch also machen, und Jhren Willen davon abziehen, wird dieses Jhnen nicht schaden, sondern in Erkennung Jhrer Nichtigkeit, Elends und Unvermoͤgens Sie allmaͤhlig in der Demuth gruͤnden. <hi rendition="#b">Huͤte dich, daß du in keine Suͤnde willigest, noch thust wider Gottes Gebote,</hi> sagte der alte <hi rendition="#b">Tobias</hi> zu seinem Sohn. </p> <p>Jn Ansehung Jhrer obengemeldeten Versuchung habe ich noch zu melden, daß, wann Gott zu Jhrer Demuͤthigung zulassen sollte, daß Sie in der Versuchung unterliegen und fallen sollten, (welches ich jedoch hoffe, daß es nicht geschehen werde) so muͤssen Sie nach Anweisung der bewaͤhrtesten und erleuchtetsten geistlichen Fuͤhrer, in Jhrem Fall weder liegen bleiben, noch sich lange damit aufhalten, Jhren Fehler zu betrachten, sondern Sie muͤssen sich geschwinde wieder aufraffen, und zu Jesu Jhre Zuflucht nehmen, Jhren Fehler vor dem Angesicht Gottes erkennen, bekennen und nicht bemaͤnteln noch sich entschuldigen, auch muͤssen<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [74/0076]
Die andre Begebenheit ist diese: Ein Frauenzimmer, die eine bejahrte Matrone war, und den Genuß der steten Gegenwart Gottes hatte, auch Erfahrung besaß, und dabei oft mit dieser Versuchung befallen wurde, sagte: sie sehe dise Versuchung an, wie eine Leibeskrankheit, deren man nicht loß werden koͤnnte, wann sie kaͤme, und die man in Gedult und mit Ueberlassung in den Willen Gottes tragen muͤßte.
Wann Sie es auch also machen, und Jhren Willen davon abziehen, wird dieses Jhnen nicht schaden, sondern in Erkennung Jhrer Nichtigkeit, Elends und Unvermoͤgens Sie allmaͤhlig in der Demuth gruͤnden. Huͤte dich, daß du in keine Suͤnde willigest, noch thust wider Gottes Gebote, sagte der alte Tobias zu seinem Sohn.
Jn Ansehung Jhrer obengemeldeten Versuchung habe ich noch zu melden, daß, wann Gott zu Jhrer Demuͤthigung zulassen sollte, daß Sie in der Versuchung unterliegen und fallen sollten, (welches ich jedoch hoffe, daß es nicht geschehen werde) so muͤssen Sie nach Anweisung der bewaͤhrtesten und erleuchtetsten geistlichen Fuͤhrer, in Jhrem Fall weder liegen bleiben, noch sich lange damit aufhalten, Jhren Fehler zu betrachten, sondern Sie muͤssen sich geschwinde wieder aufraffen, und zu Jesu Jhre Zuflucht nehmen, Jhren Fehler vor dem Angesicht Gottes erkennen, bekennen und nicht bemaͤnteln noch sich entschuldigen, auch muͤssen
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 1. Berlin, 1791, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0801_1791/76>, abgerufen am 26.06.2024. |