Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 1. Berlin, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite


raumen Zeit erinnern, das erweitert unsre ganze Seele, und lockt Thränen einer mit Wehmuth vermischten Freude aus unsern Augen. --

Trauern will ich, aber ich will mich nicht an Gott versündigen! Jch will mich nun einmal mit Muth und Entschlossenheit wafnen, und auch die Bitterkeiten des Lebens ertragen lernen!

Wie leicht würde es mir jetzt seyn, von dem Leben Abschied zu nehmen! Aber ich will den Muth doch nicht sinken lassen.

Heute will ich weinen. Vielleicht heitert sich Morgen mein Schicksal wieder auf.

Aber warum bin ich denn so niedergeschlagen? Ach, meine Absicht war nicht rein, bei meinem Unternehmen; wäre sie das gewesen, so würde ich mich damit beruhigen, daß meine Arbeit gut gemeint war.

Aber ich that's aus Ehrfurcht, und der Nutzen, den es stiften sollte, war nur der Deckmantel meiner Leidenschaft, nun diese nicht befriediget wird, weine und klage ich. O vergieb mir diese sündlichen Thränen, die ich weine, Barmherziger!

Jch schaudre vor mir selbst! Gott, was bin ich! welch ein fürchterlicher Gedanke! indem ich zu dir bete, fühle ich es, daß ich noch im Jnnersten meiner Seele an deinem Daseyn zweifle.



raumen Zeit erinnern, das erweitert unsre ganze Seele, und lockt Thraͤnen einer mit Wehmuth vermischten Freude aus unsern Augen. —

Trauern will ich, aber ich will mich nicht an Gott versuͤndigen! Jch will mich nun einmal mit Muth und Entschlossenheit wafnen, und auch die Bitterkeiten des Lebens ertragen lernen!

Wie leicht wuͤrde es mir jetzt seyn, von dem Leben Abschied zu nehmen! Aber ich will den Muth doch nicht sinken lassen.

Heute will ich weinen. Vielleicht heitert sich Morgen mein Schicksal wieder auf.

Aber warum bin ich denn so niedergeschlagen? Ach, meine Absicht war nicht rein, bei meinem Unternehmen; waͤre sie das gewesen, so wuͤrde ich mich damit beruhigen, daß meine Arbeit gut gemeint war.

Aber ich that's aus Ehrfurcht, und der Nutzen, den es stiften sollte, war nur der Deckmantel meiner Leidenschaft, nun diese nicht befriediget wird, weine und klage ich. O vergieb mir diese suͤndlichen Thraͤnen, die ich weine, Barmherziger!

Jch schaudre vor mir selbst! Gott, was bin ich! welch ein fuͤrchterlicher Gedanke! indem ich zu dir bete, fuͤhle ich es, daß ich noch im Jnnersten meiner Seele an deinem Daseyn zweifle.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0067" n="65"/><lb/>
raumen                         Zeit erinnern, das erweitert unsre ganze Seele, und lockt Thra&#x0364;nen einer mit                         Wehmuth vermischten Freude aus unsern Augen. &#x2014; </p>
            </div>
            <div n="4">
              <opener>
                <dateline>Den 20. Ma&#x0364;rz Abends.</dateline>
              </opener>
              <p>Trauern will ich, aber ich will mich nicht an Gott                         versu&#x0364;ndigen! Jch will mich nun einmal mit Muth und Entschlossenheit wafnen,                         und auch die Bitterkeiten des Lebens ertragen lernen! </p>
              <p>Wie leicht wu&#x0364;rde es mir jetzt seyn, von dem Leben Abschied zu nehmen! Aber                         ich will den Muth doch nicht sinken lassen. </p>
              <p>Heute will ich weinen. Vielleicht heitert sich Morgen mein Schicksal wieder                         auf. </p>
              <p>Aber warum bin ich denn so niedergeschlagen? Ach, meine Absicht war nicht                         rein, bei meinem Unternehmen; wa&#x0364;re sie das gewesen, so wu&#x0364;rde ich mich damit                         beruhigen, daß meine Arbeit gut gemeint war. </p>
              <p>Aber ich that's aus Ehrfurcht, und der Nutzen, den es stiften sollte, war nur                         der Deckmantel meiner Leidenschaft, nun diese nicht befriediget wird, weine                         und klage ich. O vergieb mir diese su&#x0364;ndlichen Thra&#x0364;nen, die ich weine,                         Barmherziger! </p>
              <p>Jch schaudre vor mir selbst! Gott, was bin ich! welch ein fu&#x0364;rchterlicher                         Gedanke! indem ich zu dir bete, fu&#x0364;hle ich es, daß ich noch im Jnnersten                         meiner Seele an deinem Daseyn zweifle. </p><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[65/0067] raumen Zeit erinnern, das erweitert unsre ganze Seele, und lockt Thraͤnen einer mit Wehmuth vermischten Freude aus unsern Augen. — Den 20. Maͤrz Abends. Trauern will ich, aber ich will mich nicht an Gott versuͤndigen! Jch will mich nun einmal mit Muth und Entschlossenheit wafnen, und auch die Bitterkeiten des Lebens ertragen lernen! Wie leicht wuͤrde es mir jetzt seyn, von dem Leben Abschied zu nehmen! Aber ich will den Muth doch nicht sinken lassen. Heute will ich weinen. Vielleicht heitert sich Morgen mein Schicksal wieder auf. Aber warum bin ich denn so niedergeschlagen? Ach, meine Absicht war nicht rein, bei meinem Unternehmen; waͤre sie das gewesen, so wuͤrde ich mich damit beruhigen, daß meine Arbeit gut gemeint war. Aber ich that's aus Ehrfurcht, und der Nutzen, den es stiften sollte, war nur der Deckmantel meiner Leidenschaft, nun diese nicht befriediget wird, weine und klage ich. O vergieb mir diese suͤndlichen Thraͤnen, die ich weine, Barmherziger! Jch schaudre vor mir selbst! Gott, was bin ich! welch ein fuͤrchterlicher Gedanke! indem ich zu dir bete, fuͤhle ich es, daß ich noch im Jnnersten meiner Seele an deinem Daseyn zweifle.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0801_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0801_1791/67
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 1. Berlin, 1791, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0801_1791/67>, abgerufen am 25.11.2024.