Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 1. Berlin, 1791.5. Beobachtungen über Taubstumme. ![]() Niemand wird wohl bezweifeln, daß es der Mühe werth sey, diese Klasse der Menschen zu belauschen, zu sehen, in welchen Stücken sie sich uns Hörenden nähern, oder von uns abweichen und sich entfernen. Dieß und nichts anders ist der Zweck aller Beobachter, die berufen oder unberufen ihr Augenmerk auf Geistesentwicklung und Denkart der Taubstummen richten; und ob deren Anzahl gleich groß ist, so hoffe ich dennoch ein Plätzchen darunter zu finden, und werde zu dem Ende in jedem Stücke dieses Magazins kleine Beobachtungen über Taubstumme liefern, worin ich dem Leser ohne Rückhalt sage, wie weit die Erkenntniß der Taubstummen in abstrakten Begriffen geht; oder worin ich vielmehr Gründe beibringe, durch die ich beweise, daß Taubstummgeborne eigentlich gar keine Erkenntniß abstrakter Begriffe haben. Ausser dem verspreche ich zu zeigen, daß eine lange zusammenhängende Gedankenreihe und Erinnerung an die Vergangenheit der Taubstummen Sache nicht ist, ohne durch gegenwärtige Eindrücke darauf gebracht zu werden. 5. Beobachtungen uͤber Taubstumme. ![]() Niemand wird wohl bezweifeln, daß es der Muͤhe werth sey, diese Klasse der Menschen zu belauschen, zu sehen, in welchen Stuͤcken sie sich uns Hoͤrenden naͤhern, oder von uns abweichen und sich entfernen. Dieß und nichts anders ist der Zweck aller Beobachter, die berufen oder unberufen ihr Augenmerk auf Geistesentwicklung und Denkart der Taubstummen richten; und ob deren Anzahl gleich groß ist, so hoffe ich dennoch ein Plaͤtzchen darunter zu finden, und werde zu dem Ende in jedem Stuͤcke dieses Magazins kleine Beobachtungen uͤber Taubstumme liefern, worin ich dem Leser ohne Ruͤckhalt sage, wie weit die Erkenntniß der Taubstummen in abstrakten Begriffen geht; oder worin ich vielmehr Gruͤnde beibringe, durch die ich beweise, daß Taubstummgeborne eigentlich gar keine Erkenntniß abstrakter Begriffe haben. Ausser dem verspreche ich zu zeigen, daß eine lange zusammenhaͤngende Gedankenreihe und Erinnerung an die Vergangenheit der Taubstummen Sache nicht ist, ohne durch gegenwaͤrtige Eindruͤcke darauf gebracht zu werden. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0057" n="55"/><lb/><lb/> </div> <div n="3"> <head>5. Beobachtungen uͤber Taubstumme. <note type="editorial"><bibl><persName ref="#ref17"><note type="editorial"/>Eschke, Ernst Adolf</persName></bibl></note> Erster Versuch.</head><lb/> <p>Niemand wird wohl bezweifeln, daß es der Muͤhe werth sey, diese Klasse der Menschen zu belauschen, zu sehen, in welchen Stuͤcken sie sich uns Hoͤrenden naͤhern, oder von uns abweichen und sich entfernen. Dieß und nichts anders ist der Zweck aller Beobachter, die berufen oder unberufen ihr Augenmerk auf Geistesentwicklung und Denkart der Taubstummen richten; und ob deren Anzahl gleich groß ist, so hoffe ich dennoch ein Plaͤtzchen darunter zu finden, und werde zu dem Ende in jedem Stuͤcke dieses Magazins kleine Beobachtungen uͤber Taubstumme liefern, worin ich dem Leser ohne Ruͤckhalt sage, wie weit die Erkenntniß der Taubstummen in abstrakten Begriffen geht; oder worin ich vielmehr Gruͤnde beibringe, durch die ich beweise, daß Taubstummgeborne eigentlich gar keine Erkenntniß abstrakter Begriffe haben. Ausser dem verspreche ich zu zeigen, daß eine lange zusammenhaͤngende Gedankenreihe und Erinnerung an die Vergangenheit der Taubstummen Sache nicht ist, ohne durch gegenwaͤrtige Eindruͤcke darauf gebracht zu werden. </p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [55/0057]
5. Beobachtungen uͤber Taubstumme. Erster Versuch.
Niemand wird wohl bezweifeln, daß es der Muͤhe werth sey, diese Klasse der Menschen zu belauschen, zu sehen, in welchen Stuͤcken sie sich uns Hoͤrenden naͤhern, oder von uns abweichen und sich entfernen. Dieß und nichts anders ist der Zweck aller Beobachter, die berufen oder unberufen ihr Augenmerk auf Geistesentwicklung und Denkart der Taubstummen richten; und ob deren Anzahl gleich groß ist, so hoffe ich dennoch ein Plaͤtzchen darunter zu finden, und werde zu dem Ende in jedem Stuͤcke dieses Magazins kleine Beobachtungen uͤber Taubstumme liefern, worin ich dem Leser ohne Ruͤckhalt sage, wie weit die Erkenntniß der Taubstummen in abstrakten Begriffen geht; oder worin ich vielmehr Gruͤnde beibringe, durch die ich beweise, daß Taubstummgeborne eigentlich gar keine Erkenntniß abstrakter Begriffe haben. Ausser dem verspreche ich zu zeigen, daß eine lange zusammenhaͤngende Gedankenreihe und Erinnerung an die Vergangenheit der Taubstummen Sache nicht ist, ohne durch gegenwaͤrtige Eindruͤcke darauf gebracht zu werden.
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 1. Berlin, 1791, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0801_1791/57>, abgerufen am 29.06.2024. |