Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 1. Berlin, 1791.
Die thierischen Geschäfte gehen also schon im Kleinen vor sich, obschon vor unsern Sinnen verborgen. Das Athemholen geht täglich fort, und setzt die ganze Maschine des Körpers in Bewegung, wodurch es die zufliessenden Nahrungstheilchen an sich zieht, in seine Substanz verwandelt, und so zunimmt und sich entwickelt. Woher denn aber die Erscheinung, möchte man fragen, daß die Lunge des Kindes oberhalb des Wassers bleibt, oder untersinkt, je nachdem es schon Athem oder nicht Athem geholt hat? Hierauf antworte ich, ist diese Erscheinung ja ein wahrer Beweis, daß das Kind gelebet oder nicht gelebet hat; so scheint mir doch der Grund davon nicht der zu seyn, daß der Embryo im Mutterleibe gar keinen Athem geschöpfet hat, als vielmehr, weil die Luft im Jnnern der Mutter flüssiger und verdünnter ist, und also auch weniger die Lunge ausdehnt, als die äussere, die dicker und elastischer ist. -- Doch genug hiervon. Laßt uns nun zu dem empfindenden Wesen des Foetus hinaufsteigen! So unvollkommen und so schwach vielleicht seine thierischen Geschäfte vor sich gehen, eben so unvollkommen ist gewiß auch sein empfindender Zustand, und so an das Bewustlose gränzend, wie in dem Jnsekte, das die unterste Stufe der thierischen
Die thierischen Geschaͤfte gehen also schon im Kleinen vor sich, obschon vor unsern Sinnen verborgen. Das Athemholen geht taͤglich fort, und setzt die ganze Maschine des Koͤrpers in Bewegung, wodurch es die zufliessenden Nahrungstheilchen an sich zieht, in seine Substanz verwandelt, und so zunimmt und sich entwickelt. Woher denn aber die Erscheinung, moͤchte man fragen, daß die Lunge des Kindes oberhalb des Wassers bleibt, oder untersinkt, je nachdem es schon Athem oder nicht Athem geholt hat? Hierauf antworte ich, ist diese Erscheinung ja ein wahrer Beweis, daß das Kind gelebet oder nicht gelebet hat; so scheint mir doch der Grund davon nicht der zu seyn, daß der Embryo im Mutterleibe gar keinen Athem geschoͤpfet hat, als vielmehr, weil die Luft im Jnnern der Mutter fluͤssiger und verduͤnnter ist, und also auch weniger die Lunge ausdehnt, als die aͤussere, die dicker und elastischer ist. — Doch genug hiervon. Laßt uns nun zu dem empfindenden Wesen des Foetus hinaufsteigen! So unvollkommen und so schwach vielleicht seine thierischen Geschaͤfte vor sich gehen, eben so unvollkommen ist gewiß auch sein empfindender Zustand, und so an das Bewustlose graͤnzend, wie in dem Jnsekte, das die unterste Stufe der thierischen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0039" n="37"/><lb/> Foetus im Mutterleibe von dieser fluͤssigen Materie in Leben und Bewegung gesetzt wird. </p> <p>Die thierischen Geschaͤfte gehen also schon im Kleinen vor sich, obschon vor unsern Sinnen verborgen. Das Athemholen geht taͤglich fort, und setzt die ganze Maschine des Koͤrpers in Bewegung, wodurch es die zufliessenden Nahrungstheilchen an sich zieht, in seine Substanz verwandelt, und so zunimmt und sich entwickelt. </p> <p>Woher denn aber die Erscheinung, moͤchte man fragen, daß die Lunge des Kindes oberhalb des Wassers bleibt, oder untersinkt, je nachdem es schon Athem oder nicht Athem geholt hat?</p> <p>Hierauf antworte ich, ist diese Erscheinung ja ein wahrer Beweis, daß das Kind gelebet oder nicht gelebet hat; so scheint mir doch der Grund davon nicht der zu seyn, daß der Embryo im Mutterleibe gar keinen Athem geschoͤpfet hat, als vielmehr, weil die Luft im Jnnern der Mutter fluͤssiger und verduͤnnter ist, und also auch weniger die Lunge ausdehnt, als die aͤussere, die dicker und elastischer ist. — Doch genug hiervon. Laßt uns nun zu dem empfindenden Wesen des Foetus hinaufsteigen! </p> <p>So unvollkommen und so schwach vielleicht seine thierischen Geschaͤfte vor sich gehen, eben so unvollkommen ist gewiß auch sein empfindender Zustand, und so an das Bewustlose graͤnzend, wie in dem Jnsekte, das die unterste Stufe der thierischen<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [37/0039]
Foetus im Mutterleibe von dieser fluͤssigen Materie in Leben und Bewegung gesetzt wird.
Die thierischen Geschaͤfte gehen also schon im Kleinen vor sich, obschon vor unsern Sinnen verborgen. Das Athemholen geht taͤglich fort, und setzt die ganze Maschine des Koͤrpers in Bewegung, wodurch es die zufliessenden Nahrungstheilchen an sich zieht, in seine Substanz verwandelt, und so zunimmt und sich entwickelt.
Woher denn aber die Erscheinung, moͤchte man fragen, daß die Lunge des Kindes oberhalb des Wassers bleibt, oder untersinkt, je nachdem es schon Athem oder nicht Athem geholt hat?
Hierauf antworte ich, ist diese Erscheinung ja ein wahrer Beweis, daß das Kind gelebet oder nicht gelebet hat; so scheint mir doch der Grund davon nicht der zu seyn, daß der Embryo im Mutterleibe gar keinen Athem geschoͤpfet hat, als vielmehr, weil die Luft im Jnnern der Mutter fluͤssiger und verduͤnnter ist, und also auch weniger die Lunge ausdehnt, als die aͤussere, die dicker und elastischer ist. — Doch genug hiervon. Laßt uns nun zu dem empfindenden Wesen des Foetus hinaufsteigen!
So unvollkommen und so schwach vielleicht seine thierischen Geschaͤfte vor sich gehen, eben so unvollkommen ist gewiß auch sein empfindender Zustand, und so an das Bewustlose graͤnzend, wie in dem Jnsekte, das die unterste Stufe der thierischen
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(2015-06-09T11:00:00Z)
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